Interview: Venus Vendetta ist eine Domina für Frauen

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Interview: Venus Vendetta ist eine Domina für Frauen

250 Euro die Stunde – Brustwarzen durchstechen und Schamlippen aufspritzen inklusive.

Da steht sie in der Heidelberger Bahnhofshalle: Pelz, Piercings, High Heels, die Umarmung herzlich. Im Auto auf dem Weg zu ihrer Wohnung serviert sie Schokoladenkekse. Venus Vendetta, 29, ist eine der wenigen SM-Anbieterinnen in Deutschland, die auch Frauen zu ihren Kunden zählt. Sex zu kaufen gilt—nach wie vor—als Männersache. Im Vergleich zu hunderten Angeboten für sexuelle Dienstleistungen, die sich an Männer richten, findet man im Netz nur eine Handvoll von Escortservices für Ladies. Und noch weniger SM-Studios, die ihre Dienste für lesbische und bisexuelle Frauen ausschreiben.

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Venus ist eine "Bizarrlady". Während klassische Dominas nur Berührungen an Füßen und Händen zulassen und angezogen bleiben, entscheidet jede Bizarrlady selbst, welche Dienstleistungen sie zusätzlich anbietet.

Das Studio von Venus ist für beide Geschlechter offen. Es hat eine Bondageliege, ein Andreaskreuz, einen Dildostuhl und einen Bock. Da das Studio aber gerade umgebaut wird, lädt mich Venus zu sich nach Hause an, wo sie mit ihrer Frau lebt. Bei Red Bull und Mentholzigaretten sprechen wir darüber, wer sich warum von ihr den Arsch verhauen lässt.

Alle Fotos: Pepper Levain

VICE: Welche Frauen kommen zu dir?
Venus: In der Regel sind sie lesbisch. Ich habe zum Beispiel ein lesbisches Paar, die beide passiv sind und sich in der Sklavinnenrolle sehen. Ich erziehe sie durch verschiedenste Methoden: Ich lasse sie in kleinen Wettstreits gegeneinander antreten und am Ende leite ich sie an, wie sie sich gegenseitig befriedigen sollen. Die Menschen, die zu mir kommen sind so vielfältig, wie die Sessions, die im Studio passieren. Aber meine Kunden, Frauen wie Männer, sind eher wohlhabend. Das liegt natürlich auch am Stundensatz einer gut ausgebildeten Domina: Halbe Stunde kostet 150 Euro, 60 Minuten 250 Euro. Aber ich hatte auch schon Hartz IV-Empfänger, die lange für eine Session gespart haben. Nach wie vor kommen aber immer noch mehr Männer zu mir, als Frauen.

Buchen Frauen andere Sachen, als Männer?
Allgemein würde ich sagen: Frauen sind sinnlicher. Wenn man sie einmal in seinen Bann gezogen hat, lassen sie sich vollkommen fallen. Und sie fragen auf jeden Fall eher klassische Dominanz an, als Kack– und Kotzspiele. Frauen buchen auch seltener Kliniksessions, aber manchmal bringe ich Klinikelemente mit rein.

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Was sind Klinik-Sessions?
Klinikerotik ist sehr vielseitig. Arztrollenspiele, Einläufe, Blutentnahme, peinliche Untersuchungen, Harnröhrendehnung, Analdehnungen, simulierte Operationen, Blasenkatheter, Zäpfchen, Spritzen und so weiter. Ich hatte Frauen, die Brustwarzennadelungen wollten. Und Schamlippen habe ich auch schonmal mit Kochsalzlösung aufgespritzt. Der Effekt ist aber nach 24 Stunden wieder völlig verschwunden. Ich mag es auch, meine Kunden an den Stuhl zu fesseln und mich langsam auszuziehen. Dabei lasse ich aber höchstens mal meine Brüste oder meinen Hintern berühren, und nur auf genaue Anweisung. Verkehr oder Oralsex biete ich nicht an.

Was machst du stattdessen?
Dienstleistungen aus allen drei Bereichen: dem schwarzen Bereich (klassisch dominant), dem weißen (Klinikbereich) oder dem roten (erotischer Bereich). Was ich niemals könnte, sind Kaviar- oder Kotzespiele. Ich bewundere Frauen, die so etwas anbieten und kein Problem damit haben. Ich selbst würde mich irgendwie entwürdigt fühlen, wenn ich jemanden anscheißen sollte. Was ich sehr gerne mache, ist erotisches Tease and Denial. Das bedeutet: immer wieder geil machen, dann jedoch fallen lassen. Außerdem mache ich Rollenspiele jeder erdenklichen Art, Bondage, Elektrostimulation, Fußerotik, Vibrationsfolter, Transvestiten-Erziehung und vieles mehr.

Was bedeutet Transvestiten-Erziehung?
Das ist etwas für Männer, die gerne mal eine Frau wären. Ich schminke und richte einen Mann her, dann machen wir Lauf– und Tanztraining, oder auch mal eine Ausbildung zur Hure, natürlich nur als Rollenspiel. Mit Dildos und Strap-Ons prüfe ich dann zum Beispiel die Blastalente des Kunden.

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Haben Frauen andere Fantasien und Wünsche als Männer?
Ehrlich gesagt, unterscheiden sie sich kaum. Aber Frauen, die zu mir kommen, sind in der Session meist wirklich sehr unterwürfig und sehen mich als ihre absolute Göttin an. Sie sind sehr angenehm zu führen. Männer versuchen ab und an, frei zu agieren oder zu grapschen. Das unterbinde ich dann natürlich schnellstens.

Welche Rollen gibt es außer Dominas und Bizarrladys sonst in der BDSM-Welt?
Zofen stehen bei der Session der Domina oder der Bizarrlady zur Seite, reichen die Schlaginstrumente oder kümmern sich auf Anweisung der Herrin auch um die erotischen Wünsche des Gastes. Aber sie sterben langsam aus. Sklavinnen bieten passive Dienstleistungen an, sehr oft auch mit Verkehr oder Oralsex verbunden.

Wie hast du mit BDSM angefangen?
Zum ersten Mal habe ich das mit einer Exfreundin ausprobiert, als uns der "normale" Sex zu eintönig wurde. Da habe ich gemerkt, wie sehr ich in der dominanten Rolle aufgehe. Ich wollte eigentlich nie arbeiten. Punkrock und asozialer Alkoholismus wären wohl mein einziger Ausweg gewesen, hätte ich meinen jetzigen Job nicht für mich entdeckt. Ich würde niemals für Geld etwas tun, das mir keinen Spaß macht. Als erstes habe ich mich im "Domizil der Gräfin" in Düsseldorf gemeldet. Das ist eines der renommiertesten Häuser Deutschlands. Dort hat mir eine erfahrene Domina jede einzelne Technik beigebracht. Man muss unheimlich viel wissen, um wirklich gut zu werden. Dann habe ich langsam begonnen, bei den Sessions anderer Damen rein zu schnuppern und als ich mich sicher fühlte, durfte ich auch ran.

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Privat bist du mit einer Frau zusammen. Empfindest du selbst Lust bei Sessions mit Frauen?
Nein, nicht wirklich. Ich empfinde keine direkte Lust bei meiner Arbeit. Ich fühle mich eher wie eine Ärztin oder Entertainerin. Es geht um Performance und Körperlichkeit. Ich muss permanent hochkonzentriert sein und dem Gast immer einen Schritt voraus.

Siehst du in deiner Arbeit mit Frauen auch feministische Ansätze?
Ich möchte den Beruf der Domina nicht revolutionieren, aber natürlich trage ich auch zur Gleichberechtigung bei, indem ich nicht nur mit Männern arbeite. Bei mir ist jeder herzlich willkommen. Geschlecht oder Religion oder sonst was spielen da keine Rolle. Wenn ich allerdings kein gutes Gefühl habe, oft bereits am Telefon, lehne ich Kunden ab.

Würdest du lieber nur mit Frauen arbeiten, wenn die Nachfrage größer wäre?
Das fände ich irgendwie sexistisch. Ich kann doch nicht sagen: Hey, du hast einen Schwanz, mit dir arbeite ich nicht. Meine Frau liebe ich mehr als alles auf der Welt. Wäre sie ein Mann, würde ich aber nicht anders denken.

Was sagen die Rollen, die Frauen in den Sessions annehmen, über Machtstrukturen und ihre Sehnsüchte im Alltag aus?
Jeder hat seine Gründe, warum er sich eine bestimme Rolle aussucht. Viele meiner Gäste haben zum Beispiel Erinnerungen an die strenge Tante oder die strenge Lehrerin aus der Kindheit. Dadurch sind bestimmte Fantasien entstanden. So verschieden wie die Dominas, sind auch ihre Gäste. Es gibt keinen Prototyp Sklave, der einem Geschlecht zuzuordnen ist.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Ich habe feste Arbeitszeiten. Montag bis Freitag von 9:00 bis 16:30 Uhr. Ich bin eigentlich so gut wie immer ausgebucht und mehr als vier Termine am Tag nehme ich nicht an. Hektik und BDSM passen für mich gar nicht zusammen. Am Abend kümmere ich mich oft noch um meine Werbung. Ich liebe meinen Job wirklich. Ich bin vollkommen selbstständig und von niemandem abhängig. Ich liebe es, angehimmelt zu werden. Den Respekt, den mir die Sklaven entgegenbringen, die Demut in ihren Augen. Und um meine Finanzen steht es gut. Solange diese Arbeit mir gefällt, werde ich sie weiter machen. Es gibt Frauen, die arbeiten noch mit 50 als Dominas. Ich denke aber, dass meine Zeit mit spätestens 40 vorbei sein wird.

Warum gibt es noch so wenig Frauen, die für sexuelle Dienstleistungen zahlen?
Unsere Gesellschaft schreibt immer noch vor, dass für Sex oder sexuelle Dienste zu zahlen eine Männerdomäne sei. Das Interesse ist auf jeden Fall da. Ich habe letztes Jahr auf dem lesbischen L-Beach-Festival einen BDSM Workshop gegeben. Der Zuspruch war so riesig, dass ich am Tag darauf einen Zweiten veranstaltet habe. Ich denke, dass viele Frauen sich noch nicht genügend emanzipiert haben. Wer sich nicht frei macht, traut sich auch nichts zu. Aber im Jahr 2016 in Deutschland sollte das absolut möglich sein.