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Dieses Mädchen hat einen Monat in einer mittelamerikanischen Yoga-Kommune verbracht

"Alter, ich saß im Dreck, ich hab gesungen, jetzt bin ich im Wasser, es kann nix Schöneres geben." Ein Interview über bewusstseinserweiternde Mittel und Spiritualität.
Foto von der Autorin

Ich kann mich an einen Nachmittag erinnern, da hatte ich beim Surfen an einem Point Break, wie ich so auf meinem Brett liegend im Wasser schunkelte, einen Moment der Klarheit. Ich war unsagbar glücklich und dankbar für meine Familie, wahre Freunde, die mir alle diese schöne Zeit in meinem Leben ermöglicht haben. Ein bisschen dachte ich mir dann „haha, scheiß Hippie!", aber auch, dass es wohl genau solche Momente sind, nach denen Leute auf spirituellen Reisen suchen.

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Eine nette Bekannte von mir, die ich hier Sandra nennen werde, mit der ich schon an einem Theaterprojekt gearbeitet und viele heiße Diskussionen geführt habe, hatte 2013 den Plan nach Lateinamerika auszuwandern—obwohl sie es letztlich nie bis südlich des Panamakanals geschafft hat. Sie wollte einfach weg. Vor Kurzem habe ich sie wieder getroffen und sie über ihre Erfahrungen befragt, die sie dort mit Spiritualität, Riten und bewusstseinserweiternden Substanzen in einer Yoga-Kommune gemacht hat.

VICE: Bist du eine Aussteigerin?
Sandra: Keine Ahnung, ich habe mir vor zwei Jahren einfach gedacht: „Ich weiß hier nichts, ich weiß nicht, wo die Sachen herkommen, der Apfel, den ich kaufe, wie die Dinge funktionieren, wohin die Scheiße geht, wenn ich sie wegspüle. Also bin ich mit meinem Freund nach Mexiko für sechs Monate und habe dort verschiedenste Sachen gemacht. Ein Monat habe ich einen Yoga-Kurs in einem mexikanischen Ashram gemacht, das ist ein spirituelles Zentrum. Dort habe ich viele Grundlagen gelernt.

Ich weiß hier nichts, ich weiß nicht (…) wohin die Scheiße geht, wenn ich sie wegspüle.

Du hast gelernt wie man Yoga unterrichtet oder wie?
Naja, Yoga ist kein Sport, Yoga ist so etwas wie eine Lebenseinstellung, eine Glaubensrichtung. Beim Reisen kommt man einfach in solche Menschen-Streams und empfiehlt sich gegenseitig Sachen. Und dort in diesem Ashram wurde mir eine Kommune in Costa Rica empfohlen, auf die ich noch zurückkomme. Wir waren dann noch drei Monate in Mexiko-City, wo ich auf der Uni spanisch gelernt habe. Danach haben wir in Guatemala mit einer Frauenkooperative zusammen gearbeitet, die Kleidung und Textilien selber webt. Wir haben denen mit der Homepage geholfen.

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Und wart ihr immer zu zweit?
Ja, aber mein Freund hat dann Heimweh bekommen und wollte zurückfahren. Wir wussten damals nicht, ob wir uns jemals wiedersehen würden und ich habe spontan entschieden zu dieser Kommune zu fahren, von der mir erzählt wurde. Ich hatte die Leute dort eigentlich kontaktiert, aber ich bekam keine Antwort, ist bei denen total im Spam gelandet. Die Kommune ist auch oft überlaufen. Trotzdem wollte ich dahin und bin einfach los.

Überlaufen? Das klingt eigentlich ein bisschen touristisch.
Ja, es ist touristisch, aber auf eine interessante Art und Weise. Diese Kommune, die mittlerweile aus einer Gruppe von 70 Residents, ohne Gäste, und auch Kindern besteht, wurde vor 15 Jahren von Leuten aus der ganzen Welt gegründet, Deutsche und der Kern war Israelis. Weißt du, wer Osho ist? Osho war ein Yogi, der in den 70ern richtig, richtig groß war. Weil anstatt sich in Enthaltsamkeit zu üben wie die anderen Yogis, hatte der 100 Rolls-Royce und im Fernsehen legte er sich mit Politikern an. Er hat diese indische, hinduistische oder einfach holistische Philosophie—ist letztlich ja alles dasselbe—an die westliche Mentalität angepasst.

Foto: osho via photopin (license)

Osho hat diese Philosophie also hedonistischer gemacht?
Er hat gesagt: „Ihr Westler könnt nicht die gleichen Theorien wie wir in Indien anwenden. Ihr seid gewohnt auf Stühlen zu sitzen. Man muss Meditation auch nicht im Schneidersitz praktizieren, sondern das geht auch im Liegen oder tanzend." Er wollte da eine Brücke schlagen und dann sind die Leute aus der ganzen Welt zu ihm hingepilgert. Er hat dann in Oregon am Land ein Dorf gegründet. Der war so krass drauf, dass ihn kein Land mehr einreisen lassen wollte, während er gerade im Flugzeug saß. Europa, Amerika und alle meinten, der verdirbt die Jugend.

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Naja, man kann niemanden einfach so plötzlich aus dem Land verweisen. Der wird schon strafrechtlich verfolgt geworden sein.
Irgendwie dürfte da so etwa der Fall gewesen sein. Schlussendlich durfte er wieder zurück in seine Heimat Indien. Osho hatte jedenfalls ein ziemlich großes Gefolge, und einer seiner Schüler hatte im Rahmen seiner Ausbildung eine Vision. Er wollte einen Ort schaffen, an dem Leute zusammen leben im Einklang mit der Natur. Dieser Schüler hatte in den 90ern dann selber schon Anhänger, alle in ihren Zwanzigern, und sie haben zusammen Land gesucht. Da musste vieles bedacht werden: Klima, Schutz und wie die Visum-Bestimmungen sind. Und dann ist diese Gruppe des Osho Schülers nach Costa Rica gekommen und sie haben das Weideland gekauft. Den Dschungel haben sie einfach wieder wachsen lassen.

Das mit der Mundpropaganda zu einem geheimen Ort klingt ein bisschen wie bei The Beach.
Wenn du den Namen kennst, findest du den Ort sofort im Internet. Es ist einfach auch Spirituellentourismus. Die Leute kommen für Meditation-Retreats, um einen Cleanse zu machen oder für die Partys. Die Kommune, bei der ich war, ist zugänglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, bis auf die letzten Kilometer, die man in der Hitze laufen muss oder per Anhalter. Dann stand ich beim Eingang mit dem Walkie Talkie und meinte: „Ich bin da, ich brauche Hilfe." Alleine, dass du die anstrengende Reise dorthin antrittst, zeigt dass du dort wirklich sein willst.

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Bild von der Interviewten. Der Privatstrand der Kommune.

Gab es da eine Hierarchie in dieser Yoga-Kommune?
Es gibt Leute, die seit über 15 Jahren dort sind, es gibt welche, die seit 12 Jahren dort sind, manche auch nur 2 Jahre, ein Monat, alles. Der Kern dieser Gruppe hat führende Positionen. Einer ist für die Schule und Lehrer zuständig, einer leitet die Küche, die Kantine, und andere besetzen das Empfangsbüro und teilt den Leuten die Jobs zu. Andere machen die Buchungen.

Einfach normale logistische Verwaltung, wie in einem kleinen Dorf. Ganz ehrlich, es klingt eigentlich nicht sehr viel anders als ein Hotel-Resort.
Nur sind in der Kommune alle vernetzt. Da sitzen die Leute nicht rum und machen ihr eigenes Zeug, sondern machen alles zusammen. Das innere Team fällt auch alle finanzielle Entscheidungen: ob neue Hüttchen gebaut werden sollen oder Biologen angestellt werden, um den Wildkatzenbestand der Natur wieder zu erhöhen.

Was macht man in dieser Kommune?
Die Menschen, die da hinkommen, wollen ihr Leben der Spiritualität widmen. Sie wollen einen Platz, an dem sie sich die Frage stellen können, wer sie sind, woher sie kommen und warum sie überhaupt hier sind. Deshalb bin auch ich dort hin. Es gibt verschiedene Arten von Kommunen, und das ist eine spirituelle Kommune. Es gibt verschiedene Programme—auch für Überraschungsgäste wie mich—und man nimmt dann am Leben dort teil. Ich hab gleich eine Hütte zugeteilt bekommen und sie meinten: „Morgen sehen wir dann weiter."

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Das ist aber kein Kult oder ähnliches? Wird dort dieser Yogi Osho verehrt?
Nein, so darfst du das nicht sehen. Es ist keinesfalls ein Kult. Niemanden wird eine Ideologie aufgezwungen. Da wird keiner hoch gepriesen, außer die Natur. Oshos Bild ist beim Eingang der Meditationshalle, aber der wird nicht angebetet. Alte Aufnahmen von ihm werden auch manchmal angehört, aber genauso Musik aus Peru. Bei speziellen Ritualen gibt es Kleidung, die alle gleich tragen, weiß oder bunt um ein Gruppengefühl zu erzeugen—sonst tragen aber alle immer, was sie wollen. Niemand wird zu etwas gezwungen, aber es wird erwartet, dass man regelmäßig bei der täglichen Schweigestunde am Abend teilnimmt, dem „Silent Sitting". Da ist das ganze Dorf dann still, nur die Natur ist laut, zirpt und jault.

Ich hatte jetzt auch nicht das Gefühl, dass du mich konvertieren willst. Es gibt also kein spezielles, strenges Glaubens-Credo oder eine fixe Ideologie in der Kommune?
Spiritualität ist Spiritualität. Du kannst dort auch katholisch sein. Wenn du beten willst, kannst du beten, du kannst machen was du willst. Diese Mischung der Einflüsse ist gerade das Spannende an der Kommune. Es hat diese starken Yoga-Hintergründe, die hinduistischen Ideen—„Es gibt keine Dualität, wir sind alle eins."—, die Lehren von Osho und den Gründern der Gruppe mit Bewegungsmeditation und Tanz, aber das kombiniert mit den mittelamerikanischen indigenen Kulturen. Der Amazonas, der Dschungel und die alten Hochkulturen, Inkas, Mayas, das hat natürlich auch auf die Kommune abgefärbt.

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In meiner Zeit in Mexiko hab ich bei Tempelanlagen zig Steinreliefs mit Abbildungen von rituellen Kastrationen gesehen. Und überhaupt gab es vor der spanischen Kolonisierung noch irre viele rituelle Morde und Kinder, denen der Kopf abgeschnitten wurde.
Das gab es bei uns auf jeden Fall nicht (lacht). Das mit den Kinderköpfen wusste ich gar nicht. Es gibt jedenfalls diese Vermischung der verschiedenen Glaubensfärbungen. Indigene Schamanen—die sind nicht immer anwesend—halten dann auch Rituale ab. Vieles der verschiedenen spirituellen Ausrichtungen gleicht einander sowieso, aber sie ergänzen sich auch mit neuen Aspekten. Dass zum Beispiel bestimmte Mittel benutzt werden, um den Geist zu öffnen.

Wie darf man sich den Tagesablauf vorstellen?
Ich hab für ein Monat in der Küche gearbeitet. Man steht mit dem Sonnenaufgang auf, dann gibt es Yoga oder du gehst im Dschungel spazieren. Dann Arbeit, Essen und Nachmittag kann man bei verschiedenen Happenings teilnehmen oder einfach in der Hängematte bleiben. Um sechs am Abend ist immer, wie erwähnt, das „Silent Sitting". Das ist eigentlich Meditation, aber nicht geführt, sondern man sitzt da einfach schweigend für eine Stunde. Abends nach dem Essen gibt es auch immer Programm, Musik oder Kinder führen etwas auf. Dann gibt es auch oft Festivitäten oder Rituale.

Alter, ich saß im Dreck, ich hab gesungen, jetzt bin ich im Wasser, es kann nix Schöneres geben.

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An welcher Form von Riten hast du teilgenommen?
Diese Kommune hat wie gesagt den spirituellen Zugang. Das heißt, bei den Ritualen bedankt man sich und geht dafür zum Beispiel in Schwitzhütten, die nennen sich Temazcal—das ist beispielsweise so ein Einfluss aus dem mittelamerikanischen Raum. Das ist wie eine rituelle Sauna mit heißen Steinen in einem quasi Lehm-Iglu. Es gibt Gesänge und jemanden, der das Ritual anführt. Dann wird spezielle Medizin auf den heißen Steinen verdunstet, weißer Salbei und Copal. Das ist natürlich schon mal gesund, gut für den Kreislauf und die Kräuter für die Nebenhöhlen, aber für die Indios ist das auch eine spirituelle Reinigung. Du sitzt mit Leuten in diesem um dich geformten Mutterleib und schwitzt dir einen ab, singst dabei wie in Trance. Das ist einfach unheimlich schön. Da geht es gar nicht darum „uh, ich bin jetzt spirituell" oder „uh, das ist aber peinlich mit den ganzen anderen hier", sondern es geht ums Kind sein und im Dreck zu wühlen. Danach legt man sich raus in den Fluss und denkt: „Alter, ich saß im Dreck, ich hab gesungen, jetzt bin ich im Wasser, es kann nix Schöneres geben." Eine kleine Wiedergeburt.

Gab es noch solche Massenrituale?
Vor meinem Besuch in der Kommune hatte ich keine Ahnung, was Musik eigentlich ist und was Musik sein kann. Ich hab nie ein Instrument gespielt und auch nie gesungen, weil ich nicht singen kann. Wir hatten dann eine Veranstaltung, eine Party „Rock Night - Psychodelic Journey"—wie gesagt, dort gibt's verschiedenste Rituale, Gatherings, Festivals und Partys. Auf der „Rock Night" war der spirituelle Kopf der Kommune DJ. Der hat internationale, komplett abgefahrene Rock-Tracks aufgelegt. Da hat man sich auf diesem vorbereiteten Platz im Wald getroffen, am Abend, und in der Mitte gab's ein riesiges Feuer. Man hat sich dann zeremoniell bedankt und bekam von einem anderen mit einem Röhrchen Rapé in die Nase geblasen. Das ist eine spezielle Art von Tabak aus Peru, der dich superwach macht.

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Also war es mehr eine Zeremonie als Party. Oder habt ihr dann auch Peyote genommen?
Zeremonie heißt auch, durch die verschiedenen vorgegebenen Handlungsabfolgen die kognitiven, strukturierten Teile im Gehirn auszuschalten. Und ja, wir haben dann San Pedro genommen, was Peyote ähnelt … aber vielleicht haben wir auch Peyote genommen. Ich erinnere mich nicht mehr. Aber es ist nicht eine einfache Party, wo jeder auf einem anderen Trip ist und alle irgendwann kommen oder gehen. Alle gehen zusammen auf die gleiche Reise. Es wird nicht gesprochen. Man tanzt die ganze Nacht durch um dieses Feuer. Seitdem weiß ich wirklich was Musik und echtes Tanzen ist.

Foto: cinderflame via photopin(license)

Und der Typ legt durchgehend auf.
Genau. Morgens bekommt man dann frische Früchte und Schokolade. Da tanzen die Kinder wieder mit. In der Nacht werden die aber abseits des Fests schlafen gelegt. Die Eltern teilen sich das untereinander auf, wann wer aufpasst auf die Kleinen.

Gibt es in der Kommune dort auch Technik, Handys und so weiter?
Ja klar. Handys, Computer und Internet gibt es auch, halt nur in einem speziellen Internet-Cafe. Aber man braucht kein Handy, du hast ohnehin ständig deine Leute rundherum.

Was erwartet man sich vom Leben in einer Kommune?
Die Leute suchen ihren Frieden—ich weiß, das hört sich bescheuert an. Sie wollen im Reinen sein mit sich und den Mitmenschen, mit der Natur. Diese Kommunen versuchen wieder über das ganze verblendete Handy-Dasein und die ganze Informationsflut hinwegzukommen. Bewusst Sein. Man will einen Weg finden nicht so abgetrennt zu sein von sich selbst.

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„Nicht abgetrennt sein", schafft man also indem man abgetrennt ist von der restlichen Welt?
Wir sind dort ja nicht abgetrennt. Die haben dort Familien wie überall sonst. Natürlich, man ist vielleicht geografisch abgetrennt, aber nur um die kleinen Dinge des Lebens wieder zu sehen. Zum Beispiel, wer ist dein Nachbar. Wenn du Millionen Nachbarn hast, wo willst du anfangen. Dort kennt man alle Leute. Man entfernt sich um die Sachen, die ständig um dich herum sind, auch wieder klar zu erkennen.

Bild von der Interviewten. Das spirituelle Zentrum der Kommune.

Gibt es dort beispielsweise New Yorker, die jedes Jahr für ein Monat spirituellen Urlaub machen? Oder sind es doch mehr Aussteiger, die fix dort leben wollen?
Für die meisten Leute läuft es so ab: „Ich komme für ein Monat. Ich verlängere auf drei Monate. Ach nein, ich bleibe sechs Monate." Ich wollte auch länger bleiben, aber dann kam die Regenzeit. Danach war ich noch in Nordamerika, hab in New York bei einem Film gearbeitet, und auch bis Kalifornien und Oregon bin ich gekommen. Ich habe von der Kommune ein Job-Angebot als Grafikerin bekommen und wäre fast für ein ganzes Jahr zurückgegangen. Aber ich habe zur Zeit andere Missionen, die es zu erledigen gilt: Familie und es gibt vieles zu reparieren in meinem Leben. Man braucht manchmal Distanz, um zu erkennen, was nicht funktioniert. Ich ziehe jetzt zu meiner Schwester.

Warum wolltest du ursprünglich überhaupt abhauen nach Mexiko und Südamerika? Du wolltest ja auf unbestimmte Zeit einfach weg.
Ich hab damals einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen. Mein Studium hat mir Spaß gemacht, aber letztlich überhaupt nix gebracht. Das war alles ein Witz und ich hatte den Drang Neues zu sehen und zu lernen. Im Winter will ich auch wieder weg. Ich möchte eine Dissertation über Theatralität von shamanischen Ritualen schreiben, da soll es auch um entheogene Drogen als kulturschaffendes Mittel gehen, um kollektive Gruppen und Lebensgemeinschaften. Dafür suche ich gerade eine Forschungsgruppe. Ist schon spannend, das Thema. Es gab ja sogar schon im Jugendstil Kommunen.

Wirst du zurück zur Yoga-Kommune gehen?
Vielleicht. Es ist nicht leicht, wieder hier zurück zu sein. Ich habe viele Erfahrungen gemacht. Es war so, als ob mir jemand mal die Augen ausgewaschen hätte. Das ist auch die Herausforderung, das Gelernte in der Außenwelt mitzunehmen und wieder anwenden zu können. Ich finde leider auch, dass unsere ganze Generation sehr verängstigt ist. Alle haben Schiss, irgendetwas zu machen, auf die Straße zu gehen oder sich zu mobilisieren. Ist schlimm.

Es gibt vieles zu reparieren in meinem Leben. Man braucht manchmal Distanz um zu erkennen, was nicht funktioniert.

Ich hatte einen Jugendfreund, der durch Spiritualismus abgehoben und fast asozial wurde. Er hat immer so getan, als ob er alles verstehe, nur noch genickt und von fliegenden Yogis gesprochen. Ich meine, wir waren alle jung damals und haben nach einem Ofen geglaubt, wir verstehen die ganze Welt besser, aber bei ihm hatte das wirklich soziale Störung zur Folge.
Ich glaube, ich weiß im Ansatz, was da los ist. Du lernst einfach andere Bewusstseinsebenen kennen und erkennst, dass da mehr ist. Ich war auch vor Kurzem in Wien bei einer dieser Blindenführungen dabei. Man erlebt bewusst wie Blinde ihre Umwelt wahrnehmen. Nach einer Stunde verändert sich dein Bewusstsein komplett und du veränderst dich als Mensch. Wir leben nicht alle in der gleichen Welt mit den gleichen sozialen Regeln. Ein paar Kilometer weiter im Asylantenheim. Die leben nicht in der selben Welt wie du und ich … Du hast doch sicher mal Pilze genommen?

Ja.
Und hast du schon mal LSD genommen?

Ja.
Kennst du das Gefühl, wenn du zusammen mit Freunden LSD genommen hast, und es ist so als spinnt ihr zusammen eine Geschichte? Dass alle verstehen, was du meinst, auch wenn du selber meinst, es macht gar keinen Sinn, was du sagst. Das ist wie gemeinsames Surfen auf einer anderen Bewusstseinsebenen.

Was waren letztlich deine Probleme mit der Kommune und was welche „kollektiven Erfahrungen" möchtest du in Zukunft machen?
Es gab ein paar Mängel in der Kommune. Die Leitung, also die Kerngruppe, die schon 15 Jahre dort ist, hat sich nicht so richtig mit den Besuchern, die nur ein Monat bleiben, durchmischt. Das fanden viele blöd, mir ist es auch aufgefallen. Und letztlich war die Kommune nicht komplett autark. Deshalb sehe ich mich auch gerade um nach Kommunen, die ihre eigene Elektrizität machen. In Polen gibt es da eine, glaub ich. Für Aussteiger gibt es viele Abstufungen, wie viel jeder bereit ist diese Lebensart aufzugeben. Es gibt Leute, die meinen, sie steigen aus, aber wenn es zu arg wird, gehen sie doch ins Krankenhaus oder holen sich doch Arbeitslosengeld. Ich sage jetzt nicht, dass man nicht ins Krankenhaus gehen soll, aber die Frage ist, wie konsequent gehst du deinen Weg.

Folgt Josef und seinen spirituellen Bekanntschaften auf Twitter: @theZeffo