Fußball mit Juergen Teller

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Fußball mit Juergen Teller

Von Mama in die Schule gebracht werden, Kunst und Henna-Tattoos. So war das Jahr von Juergen Teller.

Foto: Grey Hutton

Nach seinem Schritt in die digitale Fotografie erscheint nun Juergen Tellers neues Buch, „Siegerflieger" (Steidl, 2015). Eine visuelle Reise durch das Jahr 2014, bei der wir den Fotografen, seine Familie und seine Studenten auf ein feucht-fröhliches Abenteuer mit Wurstproviant begleiten. Dieses Buch fasst die drei treibenden Kräfte hinter der Arbeit des weltberühmten Fotografen zusammen: Familie, Fotografie und Fußball. Aber vor allem zelebriert es die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Geeint nicht nur durch Blutsbande, sondern durch ihre unbändige Leidenschaft für das wunderschöne Spiel. Ich traf mich mit ihm, kurz vor der Präsentation seines Buchs in der CFA in Berlin, auf einen Plausch und ein bisschen Bolzen.

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VICE: Kannst du mir ein wenig über dein neues Buch erzählen?
Juergen Teller: Das Buch ist eine Ansammlung verschiedener Phasen aus meinem energiegeladenen und spannenden Jahr 2014. Es ist ein sehr fröhliches, verrücktes und chaotisches Buch. Ich wollte, dass es sehr persönlich ist, mein eigenes 2014 und definitiv auch über Deutschland. Da ich um die Welt reise, habe ich nicht genug Zeit für meine Familie und für Deutschland. Wir haben das WM-Finale erreicht und es war mir sehr wichtig, das einzufangen. Ich habe als Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg angefangen und habe 18 Studenten, mit denen ich arbeite, und das war eine große Veränderung. Es ist wirklich großartig, was sie einem zurückgeben und was ich ihnen geben kann. Wenn ich dort bin, dann wohne ich bei meiner Mutter und sie fährt mich morgens in die Schule.

Wie süß! Holt sie dich auch ab?
Nein, ich fahre mit dem Taxi heim! Aber ich fand wirklich, dass das ein guter Zeitpunkt für mich ist, das hier zu tun. Vor acht Jahren hätte ich mich nicht bereit gefühlt, zu unterrichten, und in zehn Jahren werde ich zu alt dafür sein, also fühlte es sich an wie der richtige Zeitpunkt. Ich fing an, verschiedene Locations zu erforschen und ich hatte so viel Freude damit, die digitale Kamera einzusetzen, was für mich eine völlig neue Sache ist.

Was hat dir denn so gut daran gefallen, mit der Digitalkamera zu arbeiten?
Ich schätze, ich fühlte mich ein wenig freier weil ich nicht die ganzen Akkus und Filmrollen mitschleppen musste. Die Leichtigkeit, die daraus entsteht, dass es nichts kostet. Also fing ich an, herumzuspielen. Ich bin zum Achtzigsten meines Onkels gegangen und habe die Feier zum Spaß fotografiert. Aber mit Film hätte ich so viel über alles nachgedacht.

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Was hat dich denn vorher davon abgehalten?
Ich bin ein Gewohnheitstier. Ich mochte es vorher, wie es aussah, wie die Kamera aussieht, wie sie Bilder macht. Es passte zu mir und es gab keinen Grund, etwas zu ändern. Aber ich wurde gewissermaßen zur Veränderung gezwungen weil ich unzufrieden mit der Papierqualität wurde. Mit Kodak ist es wirklich bergab gegangen und es gab teilweise Probleme, an den Film zu kommen, die Filmbestände hatten sich geändert, und das Papier wurde dünner und dünner, bis es nur noch lächerlich war.

Ich war begeistert von den Bildern, in denen ihr euch die Spiele anseht. Fotografie kann mit Fußball nicht mithalten, wenn es darum geht, solche Emotionen auszulösen!
Es ist Wahnsinn! Aber es ist auch befreiend, das Leben kann so schwer und deprimierend sein, und auch so wunderschön, aber dann hast du einen Moment, wo du die ganze Welt vergessen kannst und du bist einfach nur da und siehst dir das an, und du hast keine Kontrolle darüber. Du siehst diesen Typen zu, wie sie einem Fußball nachrennen, aber es ist fantastisch.

Ich schätze, sich mit dem eigenen Sohn Fußball anzusehen, ist eine ganz andere Art, Fußball zu genießen …
Absolut! Diese unglaubliche, total verrückte Bindung, die man beim Zukucken zu seinem Sohn hat. Wie und wann verhält man sich schon auf so verrückte Weise, das gibt es gar nicht außerhalb dieses Kontexts. Sogar mit seinen zwei Cousins, die beide komplett englisch sind, und sie standen komplett hinter uns. Es ist so unfassbar schön und lächerlich und bescheuert, aber es ist so fantastisch und verbindet einen so sehr. So ein euphorisches Erlebnis als wir WM-Sieger wurden. Und ich wollte diesen Wahnsinn aufrechterhalten und fröhliche Fotos, verrückte Fotos machen. Also habe ich mich der digitalen Bewegung angeschlossen.

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Du kommst in deiner Arbeit ziemlich oft vor. Wer macht in dem Fall die Fotos?
Das macht meine Assistentin, Karen. Ich dirigiere alles mit der Komposition und der Idee und sie schießt drauf los. Es hätte mich ein Vermögen gekostet, all das zu fotografieren. Diese Bilder sind viel editiert worden, sie hat wirklich geschossen geschossen geschossen, und das passte mir sehr gut.

Eine der Besonderheiten deiner Arbeit ist die Art und Weise, wie du redaktionelle, kommerzielle und persönliche Arbeit in eine Art persönliches Werk fusioniert hast. Gibt es Arbeit, die du gerne völlig getrennt hälst?
Na ja, manche Dinge … so ist es einfach. Ich mache es aus einem bestimmten Grund, zum Beispiel, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, es dient einem bestimmten Zweck und nicht einem anderen. Zum Beispiel habe ich ein Kochbuch gemacht, das war total spannend und hat lange gedauert. Die ganze Sache dauerte drei Jahre. Ich habe es nicht richtig gemacht und musste es neu überdenken.

Du verbringst viel Zeit mit deinen persönlichen Projekten, oder?
Ja, aber manchmal, wenn etwas einfach nur Klick macht, dann geht es sehr schnell, und manchmal muss es sich langsam aufbauen. Ich arbeite meist gleichzeitig an verschiedenen Projekten, ein Editorial für eine Zeitschrift, dann wieder ein Buchprojekt hier, dann eine Ausstellung in Hong Kong, die ich momentan plane. Das eine ist in der Postproduktion während das andere in der Präproduktion ist.

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Was war das für eine Geschichte mit deinem ersten Tattoo?
Ich habe Tattoos noch nie wirklich verstanden. Ich meine, das ist dein Körper. Ich habe bei anderen Leuten kein Problem damit, aber ich hab's einfach nie kapiert. Dann hat mein Sohn im Urlaub diesen Sommer diese Hennatattoos gemacht, und da dachte ich mir, scheiß drauf, ich mach mir jetzt diese vier Sterne auf den Arm. Und dann dachte ich: „Wow, das sieht ja fantastisch aus!" Ich fühlte mich stärker, machomäßig. Ich war überzeugt, dass ich mir ein echtes machen lasse, sobald ich wieder in London bin, lasse ich mir das verdammte Ding stechen. Aber ich hab's nicht gemacht, ich hab immer noch keins!