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Überraschung! Keuschi gibt's nicht wirklich!

Mit Die Tagespresse hat Österreich endlich auch einen Satireblog. Ja, Satire—wie in: Känguru ist erfunden. Wir haben uns mit dem Mann hinter der Seite, Fritz Jergitsch, über seinen Erfolg und die Dummheit der Menschen unterhalten. Nein, ehrlich, es...

In den letzten Tagen ist unser FB-Newsfeed übergegangen vor empörten Meldungen über Keuschi, das Känguru, das Jugendliche von vorehelichem Sex abhalten soll. Das ist jetzt nicht so verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es da draußen auch Menschen gibt, die tatsächlich geglaubt haben, dass die Wiener Linien eine Business Class einführen wollen oder Edward Snowden in Wien gelandet sei. All diese Geschichten wurden von der Tagespresse lanciert, denn seit Ende Mai hat Österreich endlich seine eigene Satire-Seite. Angelehnt an internationale Vorbilder wie The Onion oder Der Postillion sind diese Blogs das Internet in Reinform. Also das, was neben Sex und Katzenfotos übrigbleiben würde, wenn man alle Server dieser Welt in einem riesigen Topf verkochen und daraus eine Essenz destillieren würde. Die Tagespresse liefert leichtverständlichen Content, aber vor allem einen, der—das Zauberwort im digitalen Zeitalter—shareable ist und oft auch aufregt.

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Eigentlich könnte man die Tagespresse als Metablog bezeichnen, denn in Anbetracht des Erfolges müssen sich Institutionen wie die Katholische Kirche oder politische Parteien fragen, wie schlecht es um sie bestellt ist, wenn so viele Leser diese Meldungen für wahr halten. Gleichzeitig legt der Blog einmal mehr den Finger auf die Wunde des klassischen Journalismus, der noch immer keine Antwort auf die Frage gefunden hat, wie man mit seriösem Journalismus online ein Publikum erreicht und Geld verdienen kann. Und verdammt, wir müssen uns wohl auch selbst an der Nase nehmen und darüber nachdenken, warum wir unhinterfragt jeden Scheiß glauben, sobald dieser in halbwegs seriöser Verpackung daher kommt.

Aber vorher unterhalten wir uns noch kurz mit Fritz Jergitsch, der im Alleingang Die Tagespresse aus dem Boden gestampft hat.

Hallo Fritz! Du hast es in den letzten Wochen mit deinen Postings geschafft, das Internet zu beherrschen. Wer bist du eigentlich?
Fritz Jergitsch: Ich bin 22 Jahre alt, komme aus Wien-Meidling und bin seit kurzem mit meinem Volkswirtschaftsstudium fertig. Wenn ich nicht gerade für meine Seite schreibe, liege ich in der Sonne, koche, esse, oder lese Zeitung. Ich liebe gute Filme und saftige Hamburger.

Kannst du uns ein bisschen von deinen Zugriffszahlen erzählen, neben Bitcoins DIE Währung im Internet?
Seit Ende Mai, dem Start meiner Seite, einige Hunderttausend.

Verdienst du mit deinem Blog eigentlich Geld?
Ich verdiene ein wenig mit Werbung, die ich auf der Seite schalte, allerdings sehr wenig. Die Einnahmen reichen kaum, um den Server zu bezahlen. Bisher habe ich mehr Geld ausgegeben, als ich eingenommen habe. Aber das ist ok, es ist ja ein Hobbyprojekt.

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Du hast Ende Mai mit der Seite begonnen. Aber was war der erste Artikel, der dir so richtig gut angekommen ist?
Den ersten Artikel, der richtig oft geteilt wurde, habe ich bereits drei Stunden nach dem offiziellen Start der Seite am Abend des 29. Mai hochgeladen. Das war der Artikel über die Homo-Ehe in Frankreich. Um 21 Uhr postete ich inkognito einen Link im DerStandard.at-Forum. Am nächsten Morgen hatte ich plötzlich 150 „Gefällt mir“ unter dem Artikel. Das war ein großartiges Gefühl. Bis zum Abend wurden es noch 1.500.

Was ist das erfolgreichste Blogposting bisher?
Das ist definitiv Känguru Keuschi. Der wurde nicht nur am öftesten gelesen, auf den hatte ich auch die beste Rückmeldung.

Aktuell wird die Geschichte mit dem Känguru Keuschi von ziemlich vielen Menschen für ein Faktum gehalten. Sind die Menschen dumm oder liegt das einfach nur am Internet, dass alles sofort geglaubt wird?
Ich denke nicht, dass das mit Dummheit zusammenhängt. Man muss erwähnen, dass ich mit „Die Tagespresse“ bewusst einen authentischen Namen gewählt habe, den man nicht mit Satire verbinden würde. Auch beim Design der Seite habe ich versucht, gängige Onlinezeitungen zu imitieren. Und wenn der Artikel dann auch noch in der Diktion einer echten Zeitung geschrieben ist, wird es denkbar schwer, Realität und Satire auseinanderzuhalten. Davon lebt aber der Witz. Ein Kabarettist ist auch lustiger, wenn er während seiner Performance ernst bleibt. Durch das Verstecken des Witzes wird er lustiger. 
Im übrigen sagt die Tatsache, dass Keuschi von vielen geglaubt wird, mehr über die Kirche aus, als über die Menschen, die es für bare Münze nehmen. Anscheinend trauen viele der Erzdiözese so etwas zu. Das sollte denen zu denken geben.

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Schockiert es dich manchmal, wie ernst jeder deine Blogposts nimmt?
Nein, es tut mir eher leid. Ich will die Leute ja zum Lachen bringen und nicht öffentlich blamieren. Wenn zu viele Leute einen Artikel ernst nehmen, überlege ich mir sogar, ob ich nicht vielleicht den satirischen Unterton noch stärker hätte herausheben sollen. Aber es ist nun auch einmal so, dass der Unterhaltungswert von Satire steigt, wenn sie von manchen ernst genommen wird.

Hat sich schon mal jemand gemeldet, der eine Gegendarstellung wollte oder verlangt hat, dass du ein Posting offline nimmst?
Einmal gab es eine halbherzige Bitte von einer Institution, ob ich einen Artikel über sie löschen könnte. Aber rechtlich bin ich da auf der sicheren Seite; Witze machen ist ja nicht verboten.
Eine amüsante Reaktion erhielt ich von Franz Schellhorn, einem wirtschaftsliberalen Journalisten. Ganz am Anfang erlaubte ich mir einen frechen Artikel, der davon handelte, dass Schellhorn mit der Diagnose „selektive Wahrnehmung“ im AKH behandelt wird. Ich schickte ihm den Link über Twitter, mit dem Kommentar: „Die Red. der Tagespresse wünscht Hrn. Schellhorn gute Besserung.“ Seine Antwort kam keine zehn Minuten später: „4 Follower? Echt jetzt?“ Das fand ich super!

Die katholische Kirche und die FPÖ scheinen ziemlich gelungene Themen zu sein, weil beiden scheinbar alles zugetraut wird. Wer sind deine bevorzugten Opfer?
Im Allgemeinen „die da oben“, wie man so schön sagt. Wobei sich gerade die FPÖ, ÖVP, und auch die SPÖ besonders für Satire anbieten. Ich würde auch liebend gerne über das BZÖ schreiben. Aber bisher ist mir noch nichts passendes eingefallen.

Wie entscheidest du, was Thema wird?
Das kommt ganz auf meine Ideen an. Ich versuche natürlich, mich vom Tagesgeschehen inspirieren zu lassen. Aber manchmal fällt mir nichts dazu ein, und so schreibe ich oft auch einfach nur Blödsinn.

Du betreibst unter dem Namen Ich Schau Nur auch einen zweiten Blog, der sich etwas ernster aktuellen Themen widmet. Macht es dich traurig, dass diesen Blog im Vergleich zur Tagespresse fast niemand liest?
Eigentlich nicht. Den zweiten Blog betreibe ich einerseits, weil ich selber gerne ernster schreibe. Andererseits will ich möglicherweise bald im Journalismus/PR-Feld eine Fixanstellung suchen, und da möchte ich etwas mehr zum herzeigen haben als ein paar Witzchen und Späße.

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