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The Photo Issue 2013

Meine Mutter, ihr Hund, meine Katze und ich

Für die Photo Issue hat Daliah Spiegel mit ihrer Mutter zusammengearbeitet


Klicke auf die Collage, um den ganzen Wahnsinn zu sehen.

Weil Daliah Spiegel eine der spannendsten österreichischen Künstlerinnen ist, haben wir schon ziemlich viele ihrer Arbeiten veröffentlicht. In letzter Zeit macht sie hauptsächlich Collagen und denentsprechend detailreich und verrückt ist auch die Arbeit, die sie mit ihrer Mutter gemeinsam für die Photo Issue 2013 gemacht hat. Es steckt auch recht viel Theorie dahinter, aber das lasst ihr euch am besten von ihr persönlich erklären.

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VICE: Kannst du uns ein bisschen etwas über das Konzept hinter euren Arbeiten erzählen? Als wir das letzte Mal darüber gesprochen haben, hast du drei verschiedene Ansätze erwähnt, die in diese Fotos und Collagen eingeflossen sind.
Daliah Spiegel: Drei Ansätze … Da erinnerst du dich besser an meine Ideen als ich mich selbst.

Wo beginne ich da am besten? Ich mag sehr gerne die Arbeiten von Hannah Wilke, Birgit Jürgenssen, Francesca Woodman, Claude Cahun, zum Teil auch Cindy Sherman, um nur einige zu nennen. Diese bemerkenswerten Frauen haben sich auf unterschiedlichste Weise inszeniert und das festgehalten. Ich finde, man kann so leicht an Staged Photography scheitern und bestenfalls narzisstische Portraits von sich generieren, schlechtestenfalls, nicht einmal das. Vor einer Weile habe ich eine Arbeit von Annie Sprinkle mit dem Titel 1/2 slut and 1/2 goddess entdeckt, bei der Annie halb nackt auf einer Erhöhung sitzt—in beiden Händen ein Dildo, am Kopf eine Krone, mit exotischem Schmuck behangen.

Ich entschloss mich, dass ich und meine Mutter uns auch als goddesses inszenieren werden. Natürlich war meine Intention eine völlig andere als die von Annie, ich wollte keine Tabus brechen, noch den weiblichen Körper demystifizieren und arbeite weder in der gleichen Zeit, noch am gleichen Kontinent wie sie. Mir ging es darum zwei Generationen von Frauen zu zeigen. Nicht irgendwelche Frauen: meine Mutter und mich und wie sich Beziehungen verändern, wie sich die Machtverhältnisse verändern und wie wir uns in Bezug zueinander positionieren. Inwiefern wir komplett unterschiedlich in unseren Ästhetiken und Vorstellungen sind und dann doch wieder erschreckend ähnlich.

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Das Motiv der Mutter als goddess und der Wunsch ihr Gewand anzuziehen rührt sicher aus der Kindheit. Für mich war meine Mama, die größte, die absolute tollste, aber ich denke, da war ich nicht die einzige. Heimlich in ihren begehbaren Kleiderschrank zu schleichen und etwas anzuprobieren oder ihren Lippenstift zu verwenden, war ein verbotenes und vielleicht auch deshalb ganz besonders verführerisches Ritual.

Das als Erwachsene zu wiederholen, war sehr interessant—irgendwo zwischen De- und Remystifikation angesiedelt. Mich selbst als goddess zu inszenieren war auch nicht weiter schwer. Heutzutage sind ja alle irgendwo Meister der Selbstinszenierung auf unseren ganzen Blogs, Homepages, usw.

Weiters finde ich es spannend den künstlerischen Prozess auch mitsamt seinen nerdigen Seiten zu zeigen. Es passieren so viele Dinge parallel oder in kurzen zeitlichen Abständen während man Arbeitet—wie das schnelle updaten von seinem Facebook-Profil, nach einem Gewürz googlen, eine französische Chanson anhören und so. Diese Augenblicke einzufangen und in die Fotomontage einfließen zu lassen, ist eine Arbeitsweise und eine Ästhetik, die ich spannend finde. Bilder werden dekontextualisiert und existieren rhizomatisch nebeneinander—der zeitliche Horizont wird durchbrochen und sie erscheinen nicht hierarchisch Seite an Seite und gehen hoffentlich neue Verbindungen ein. Obwohl die Collage seit der Moderne als künsterliche Praxis etabliert ist, finde ich, stellt die Fotomontage noch immer eine gute Methode dar, um mit der chaotischen, unüberschaubaren Datenflut zu arbeiten. Mehr als je zuvor stehen einem für das künstlerische Schaffen nicht mehr nur die eigene Arbeiten zur Verfügung, sondern man hat Zugriff auf Millionen Bilder, Texte usw. die einfach via Mausklick bereitstehen. Die überlappenden Fenster und offenen Seiten und Bilder auf dem eigenen Bildschirm sind ständig gegenwärtige, zufällige Kollagen. Ich finde das toll.

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Viele Menschen, die ich kenne, würden wahnsinnig werden, wenn sie mit ihren Müttern arbeiten müssten. Wie hast du das ausgehalten?
Naja, ich bin schon von Haus aus ein bisschen verrückt—vielleicht ist das eine gute Prämisse. Ich finde es wirklich schön mit meiner Mutter Zeit zu verbringen, wenn auch natürlich oft sehr Nerven aufreibend. Sie ist eine coole Frau, wenn auch nicht auf die offensichtliche Art und Weise. Klar hatte ich zu Beginn Bedenken, dass das alles keine gute Idee ist, ich dachte sogar daran, das Projekt abzusagen. Dazu kam, dass es ausgerechnet die letzte Woche Ende Juli war, als es fast 40 Grad hatte, sprich wir schwitzen uns ziemlich ab.

Am Ende verlief aber alles erstaunlich harmonisch, nahezu mit einer spielerischen Leichtigkeit. Richtig spannend fand ich es auch als wir unser Gewand getauscht haben, es war wie eine kleine Zeitreise.

Wenn man genau schaut, ist bei der ersten Collage eine FB-Conversation zwischen dir und deiner Mama zu sehen. Was macht deine Mama auf FB?
Zum Glück nicht besonders viel. Sie schaut sich ab und zu meine Fotos an, das war es eigentlich. Das chatten klappt noch nicht besonders gut und auch auf meiner wall übersieht sie glücklicherweise das Meiste. Aber ich werde sie gleich heute fragen, warum sie eigentlich wirklich ein Profil hat.

Mir scheint, das Internet spielt eine wichtige Rolle in deinen Bildern. Wo surfst du am liebsten herum?
Ich surfe erschreckend viel auf willhaben und ebay herum. Ich kaufe zwar selten etwas, aber zu wissen, was es alles da draußen potentiell zu kaufen gibt, ist irgendwie beruhigend. Ich weiß, ziemlich seltsam. Ich liebe auch food blogs und nehme mir dann immer vor mehr zu kochen. Eine leichte Facebook-Sucht ist schwer zu verleugnen. Auch Serien oder Filme streamen steht fast täglich am Programm. Und klar, Sendungen, die man verpasst hat, auf der Ö1 Konsole nachhören; auch mal standard, the guardian, zeit online lesen, wenn es etwas seriöses sein soll. Wow, es gibt noch vieles mehr … quatschblogs wie zum Beispiel catsandcocks oder schöne und leicht verdauliche Fotos auf flickr anschauen, passiert mir auch gelegentlich; Schlagwörter suchen und dann von einer Seite zur nächsten hüpfen. Ich glaube, dass ist das Selbstverständlichste und Natürlichste was unsere Generation so täglich macht. Vom Hundersten ins Tausendste kommen…

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Geht auf daliah-spiegel.com wenn ihr mehr von ihren Arbeiten sehen wollt.


Klicke auf die Collage, um ganz genau zu sehen, was auf den Bildern so los ist.