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Ich habe Donald Trump in Dubai zur Rede gestellt

Donald Trump zahlt Arbeitern in Dubai weniger als 150 Euro um Luxusvillen und Golfplätze zu errichten.

Illustration von Molly Crabapple

Die Frisur von Donald Trump sollte verboten werden. Sie sitzt wie ein Soufflé auf seinem Kopf, leicht und stabil zugleich und so unwahrscheinlich wie jedes Gebäude, das nach ihm benannt wurde. In Dubai konnte ich Trump rundum inspizieren. Sein Haar ist jenseitig, doch sein Gesicht lässt sich leicht analysieren. Mit Ausnahme zweier bleicher Ringe um die Augen ist es orange. Seine Tochter Ivanka sieht dagegen perfekt aus. Auch wenn ihr Schmollmund Hass signalisiert. Ich sitze knappe zwei Meter von Trumps Père-et-fille-Veranstaltung bei einer Pressekonferenz für Trumps internationalen Golfplatz, den Trump Townhouses & Villas zusammen mit der emiratischen Firma DAMAC Properties baut. Laut Donald Trump soll es der beste Golfplatz der Welt werden. Ivanka ist wütend, weil ich eine echte Frage gestellt habe. In Dubai kann man dafür ins Gefängnis kommen. *** Im Mai habe ich mit einem lokalen Journalisten Recherchen zu den Arbeitsbedingungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten gemacht. Damit er nicht ausgewiesen wird, schreibt mein Kollege unter dem Pseudonym Tom Blake. Wir haben Bauarbeiter befragt, die auf der Insel Sa’adiyat vor Abu Dhabi Museen bauen. In der reichsten Stadt der Welt waren die Arbeiter, mit denen wir gesprochen haben, kaum mehr als abhängige Sklaven. Für eine Summe zwischen 110 und 220 Euro im Monat arbeiten sie 13 Stunden pro Tag, sechs Tage pro Woche. Ihre Pässe werden von den Vorgesetzten beschlagnahmt. Als sie in den VAE landeten, schuldeten die Arbeiter Personalvermittlern in ihrer Heimat mehr als ein Jahresgehalt. Wenn sie streiken, droht ihnen die Ausweisung.   Die Arbeiter hatten Familien in Pakistan, Bangladesch, Indien und Nepal, die von ihrem Lohn abhängig waren. So brutal es auch war, der Traum vom Golf war die einzige Chance, der Armut zu entkommen. Diese Chance durften sie auf keinen Fall vermasseln. Die VAE sind nicht der einzige Staat, der diese Situation ausnutzt. Migranten aus der ganzen Welt, sei es in den USA oder den VAE, erledigen niederträchtigste Arbeit und sind staatlicher Gewalt ausgesetzt. Ich habe mich bei meinen Nachforschungen auf Abu Dhabi konzentriert, doch normalerweise betreffen die schlechten Arbeitsbedingungen die gesamte Golf-Region. Bei den Bauarbeiten zum WM-Stadium in Katar könnten Tausende Arbeiter sterben. Auf dem glänzenden Stahl des höchsten Gebäudes der Welt, dem Burj Khalifa in Dubai, klebt Blut. Am Tag vor Trumps Pressekonferenz interviewte Tom Bauarbeiter, die in Trumps Namen Luxusvillen bauen. Sie erzählten ihm, dass sie weniger als umgerechnet 150 Euro im Monat verdienten. *** Diese Arbeiter würden sich niemals mit mir unter der Klimaanlage in der Verkaufszentrale von AKOYA by DAMAC sonnen. Wie so viele der Räume in Dubai ist die Verkaufszentrale so kalt und glänzend wie der teuerste Gin. In Fernsehern läuft Werbung für Trumps Villen. Man sieht, wie weiße Frauen in Pools springen und ihr Haar in riesigen Schlafzimmern Wogen schlagen lassen. Diese Villen sind Träume für die Gewinner dieser Welt. Wie die Bauarbeiter, die sie gebaut haben, sind sie ortsungebunden. Sie könnten überall stehen. Vermögen braucht keinen Kontext. „Für wen bist du hier?“, fragt mich ein Pressesprecher. „Für VICE.“ Der Pressesprecher fragt, wie ich von der Veranstaltung erfahren habe. Ich sagte, dass ich von einem Freund davon gehört habe. „Benimm dich“, lächelt er. „Bring sie nicht in Verlegenheit.“ Die anwesenden Kellnerinnen sind hübsche Osteuropäerinnen. Sie lächeln angestrengt. Und so glücklich. Ich habe früher als Werbemodel gearbeitet. Ich erinnere mich an die falsche Freude, die ich Kunden vorgespielt habe, die sich gern als schwer zufriedenstellbar gaben. Ich fühlte mich fehl am Platz und starrte die maßstabgetreuen Modelle aus Trumps Bauprojekt an, die durch Miniatur-Ferraris und blaue Plastiklagunen ergänzt wurden. Leute aus dem Westen stellen sich Dubai gern protzig vor. Doch das ist verletzter Stolz. Dubai ist Versailles, nicht Vegas. Es ist eingefrorenes Geld. Nachts, wenn sogar die Palmen glitzern, hat die Stadt eine Erhabenheit, die das Herz höher schlagen lässt. Sie sieht aus wie der Klang von Daisy Buchanans Stimme. Die Wolkenkratzer in Dubai sind die Pyramiden unserer Zeit. Die ursprünglichen Pyramiden wurden von Sklaven gebaut, aber dennoch von Touristen besichtigt. Bei Partys wie diesen sage ich mir immer, dass ich das Essen nicht anrühren werde. Journalisten sind entweder Lockvögel oder situative Soziopathen. Wenn du über die Mächtigen berichtest, servieren sie dir fantastische Schnittchen. Die Mächtigen können so nett wirken. Dein Eidechsenhirn befiehlt dir, dich auch nett zu verhalten. Doch nett zu sein, bedeutet, die Arbeiter zu hintergehen und sie alles für 150 Euro im Monat ausbaden lassen. Ich nehme mir ein Sektglas mit Orangensaft. Trump kommt mit Ivanka und dem DAMAC-Chef Hussain Sajwani herein. Kameramänner rempeln sich gegenseitig an, um sie filmen zu können. Trump ist wenig mehr als eine sich bewegende Statue, die in ihre Geräte gesaugt werden muss. Geübt hebt er seine Daumen empor. Auf der Bühne preist Trump sein Dubai an. Er ist überschwänglich—und natürlich ehrlich. Trump zählt zur Sorte der Westler, die die VAE lieben. Was sie hier finden, ist ein Rückblick auf die Blütezeit des Kolonialismus. Egal, wie tief du in deiner Heimat in der Scheiße gesteckt hast—hier verschafft dir deine weiße Hautfarbe einen Job, Geld und eine Dienerschaft. Hilfe ist so erschwinglich, wenn Wanderarbeiter 150 Euro im Monat verdienen. In Polizeistaaten gibt es wenig Verbrechen. „Auf der Welt gibt es so viele Probleme, so vieles scheitert. Aber dann kommst du hierher, und es ist so schön“, sagt Trump. „Warum können wir das nicht auch in New York haben?“ Was Trump nicht erwähnt, ist, dass sich New York wie Dubai in einen Nicht-Ort des multinationalen Kapitalismus verwandelt. Dass das zum Teil seine Schuld ist, lässt er ebenfalls ungesagt. Nun darf das Plenum Fragen stellen. Ich stehe auf. „Mr. Trump“, sage ich. „Die Arbeiter, die Ihre Villen bauen, verdienen weniger als 150 Euro pro Monat. Sind Sie zufrieden?“ Die Anwesenden schnappen nach Luft und verstummen. Die Sicherheitsbediensteten nehmen mich ins Visier. In zwei Stunden habe ich einen Interviewtermin mit Ahmed Mansoor, der acht Monate im Gefängnis saß, weil er eine Petition für Demokratie unterschrieben hat. Ich denke an Nick McGeehan, einen Forscher bei Human Rights Watch, der vor ein paar Monaten abgeschoben wurde, weil er Nachforschungen zum gleichen Problem wie ich angestellt hat. Ich denke an die beruflichen Zwänge, die Journalisten in den USA davon abhalten, bei Pressekonferenzen richtige Fragen zu stellen. Ich frage mich, ob in Dubai die gleichen Regeln herrschen. Trump schweigt. „Das ist keine angemessene Frage“, bellt der Pressesprecher. Der nächste Journalist sagt: „Dubai bedeutet Größe, Mut, Schönheit.“ Der Raum entspannt sich. „Ist das der Grund für Ihre Affinität zu dieser Stadt?“, fragt der Journalist. „Ich denke, dass Dubai eine sagenhafte Zukunft hat“, antwortet Trump. *** Beim Hinausgehen starren mich die Sicherheitsangestellten noch immer an. „Gute Frage“, sagt ein Reporter vom National. Die staatseigene Zeitung war ein Versuch von Abu Dhabi, den besten britischen Journalismus in die Golfregion zu transferieren. In vielerlei Hinsicht war das erfolgreich, besonders was das Anlocken begabter Reporter und Redakteure betrifft. Doch die Gesetze gegen Beleidigungen der Regierung sind zu strikt. Wenn man ehrlich ist, sind hier keine Pulitzer-Preise zu erwarten. „Warum hast du ihn nicht auch etwas Ähnliches gefragt?“, frage ich.