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Popkultur

Der Muschi-Marktschreier auf dem Weg ins Fernsehen: ,From Dusk Till Dawn—The Series‘

Eine weirde Show wie eine Autofahrt durch die Pampa: Mit vereinzelten Hochs, viel Bekanntem und manchen Momenten, in denen man einfach nur anhalten will, um zu kotzen.

Neulich lief auf ATV wieder mal From Dusk Till Dawn—dieses Aushängeschild des 90er Jahre-Trashs, das immer noch alle für eine Regiearbeit von Quentin Tarantino halten und das man immer noch nicht „From Dusk Till DOWN" (oder, noch schlimmer und in der Videotheken-Welt nach wie vor präsent: „From DUST Till DOWN") ausspricht. In den Jahrzehnten, seit wir uns zu hüpfenden VHS-Standbildern von Selma Hayeks Fußfetisch-und-Schlangen-Tanz in der Titty Twister Bar einen heruntergeholt haben, ist viel passiert und ziemlich oft From Dusk Till Dawn im Fernsehen gelaufen.

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Irgendwann nach der dritten Wiederholungs-Welle gehörte der Film für mich dann aber zu den Kollateralschäden im Zapping-Krieg und lag seither am Friedhof der gefallenen TV-Filme gleich neben Und täglich grüßt das Murmeltier und der kompletten Bud Spencer-Filmografie begraben. Das heißt: Bis er eben kürzlich auf ATV lief und aus einer Wegschalt-Schwäche heraus vor meinen Augen zum Zombie-Meisterwerk auferstand.

Eigentlich schaue ich ihn alleine deshalb schon nicht im Fernsehen, weil die deutsche und geschnittene (im Sinne von: zensierte) Version des Films durchzogen von Sex-Hotline-Werbung nicht gerade den Sehkomfort bietet, den ich mir als Opfer der HD-Entwicklung angewöhnt habe. Aber diesmal war alles anders und ich hatte plötzlich so etwas wie eine B-Movie-Epiphanie beim Schauen: Denn auf einmal sah ich völlig glasklar, dass Synchronisation, Zensurschnitt und Sexwerbungen exakt das richtige Umfeld für diese Art von Film sind—und dass From Dusk Till Dawn eigentlich schon alles hat, was man sich von echtem Grindhouse wünschen kann und damit das clevere, postmoderne Revival der Gattung viele Jahre später in der Form von Death Proof und Planet Terror vollkommen überflüssig macht.

From Dusk Till Dawn ist cool, low-key und billig, mit einem Überhang ins Plumpe und einem Vampirdesign wie direkt vom Set von Buffy—und das meine ich natürlich als Kompliment. Da braucht es gar nicht sehr viel mehr an Beweismaterial als die durchschossene Hand, den Pussy-Marktschreier und Sprüche wie „Everybody be cool, you … be cool", um zu untermauern, wie wegweisend dieser Film zu seiner Zeit war.

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Alles das vergisst man heute gern, wenn man auf die neue TV-Serie mit demselben Namen blickt. Stattdessen hat man bei From Dusk Till Dawn—The Series eher den späten, hyperstiliserenden Rodriguez von Planet Terror und den Machete-Filmen im visuellen Gedächtnis und erwartet sich sauber kadrierte Trash-Referenzen, absichtliche Mülldialoge und analoge Bildsprünge im Überfluss.

Was das postmoderne Publikum will, ist meistens eben eher ein ausgedehnter SNL-Sketch des Originals, voller Selsbtreferenzen, bei dem die Lacher und die Kritiker schon mitgedacht sind—Light-Kost für solche, denen echte B-Movies dann doch zu mühsam sind (und seien wir uns ehrlich, bei Troma-Filmen sind meistens auch nur die Trailer gut). Das meine ich aber nur halb so abschätzig, wie es vielleicht klingt. Immerhin hat Rodriguez selbst nicht unwesentlich dazu beigetragen, das heutige Publikum auf diese Erwartungshaltung zu konditionieren. Trotzdem sollte man vor der Serie vielleicht noch mal einen raschen Blick in die Filmvorlage wagen, um sich in das Mindset der Mitte-Neunziger zu versetzen. Denn für alle, die mehr auf Black Dynamite als auf echte Blacksploitation stehen, könnte der Übergang von referenzieller Rafinesse zu plumpem Pop sonst ein bisschen hart werden.

Wenn man aber erst mal die richtige Erwartungshaltung hat, dann ist From Dusk Till Dawn—The Series ziemlich genau gleich guter Spaß wie seine Vorlage. Wobei „ziemlich genau gleich" eigentlich auf alles zutrifft, was den Vergleich der beiden Popprodukte angeht. Auch die Handlung ist (soweit man das jetzt, bei Episode 4, schon sagen kann) dieselbe wie im Film und sogar die Dialoge und Plotpoints, bis hin zu einzelnen Einstellungen sind teils haarscharf übernommen. Das freut sicher vor allem Puristen, die gerne immer wieder dasselbe schauen, aber langsam eine Ausrede brauchen, weil sie von ihren wenigen verbliebenen Freunden für ihre wöchentlichen „From Dawn to Dusk-Tagsüber-Viewing Partys" schon schief angesehen werden.

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Foto via From Dusk Till Dawn Official

Für genau diese hat sich Rodriguez (der übrigens auch bei der Serie mitproduziert und sogar Regie führt) auch einen kleinen Mehrwert überlegt: nämlich einige Nebenhandlungen, die wie Eastereggs rund um die Kerngeschichte drapiert sind. Aber an diesen neuen Handlungssträngen scheitert das eigentich so tolle, runde und geradlinige Konzept dann auch ein bisschen. Denn einer der Geniestreiche des Films war der plötzliche Genre-Wechsel von Gangster-Movie zu Vampir-Splatter, der in der neuen Serie leider nicht als radikaler Bruch, sondern als Wechsel zwischen den Szenen schon in der Pilotfolge daherkommt. Wir wissen von Anfang an, woran wir sind und das einzige, worauf man sich als neu einlassen muss, ist der Umstand, dass die Charakterdarsteller Cloney und Tarantino durch zwei typisch glatte TV-Gesichter (Zane Holtz und D.J. Cotrona) ersetzt wurden. Außerdem ist es ausnahmslos nie eine gute Idee, eine gigantische Explosion im Remake einfach rauszuschreiben, nur um einen noch dazu ziemlich belanglosen Nebencharakter einzubauen.

Im Übrigen ist die Dusk Series aber genauso angenehm brutal, ihr Production Design genauso mies und ihre Dialoge genauso zerfranst und kleinteilig wie das Original, dass man sich als Fan durchaus wohlfühlen kann. Allerdings fühlen sich Fans des Films vermutlich auch in Messy-Wohnungen wohl, weshalb es schwierig ist, davon irgendwas abzuleiten. Wenn Vampire kurz vorm dramatischen Losbeißen und Festsaugen noch schnell einen Anruf am Handy bekommen oder die Protagonisten bei Tarantinos erfundener Big Kahuna Burger-Kette auf eine Bestellung vorbeischauen, dann ist das jedenfalls fast wie nachhause kommen. Ehrlich gesagt sind aber die multiplen Origin-Storys und die Anfütterung des eigentlich nicht sehr tiefsinnigen Titty Twister-Universums mit noch mehr flachen Charakteren nicht viel mehr als ein Witz, über den bestenfalls jene lachen können, die namentlich im Vorspann genannt und deshalb mit Gagen gefüttert werden.

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Ja, viele Kritiker haben wohl einfach die falsche Erwartungshaltung und verstehen nicht, woher die Motive der Serie wirklich kommen—aber gleichzeitig kann man ebenso berechtigt kritisieren, dass eine Serie im Jahr 2014 die Entstehungszeit ihrer Vorlage im Jahr 1996 nicht mehr als Ausrede brauchen dürfte. Retro-Optik und Vintage-Tarantino werden auch mit noch so viel Erklärung nicht zu Smartphones und HDTV passen.

Was mich zu einem letzten Kritikpunkt bringt. Denn missverstanden wird From Dusk Till Dawn sicher auch aufgrund des aktuellen TV-Umfelds, in dem jede neue Produktion vom Look her in Richtung Kino strebt. Videografische Hyperstilisierung ist der Reizbegriff der Stunde und wer sich ihm entzieht, wird behandelt, als würde er um 3:00 Uhr morgens auf Tele 5 laufen. Die gedankliche Schule dahinter: wenn Fincher und Spacey mit einer trockener Politiker-Soap Hollywood nach Washington bringen, dann muss das auch mit Vampiren und Gangstern möglich sein.

Das stimmt natürlich und wenn ich Produzent wäre, würde ich wohl genauso denken—aber zumindest in diesem Punkt muss man der Serie zugute halten, dass ihr genereller Look immer noch als bewusste künstlerische Entscheidung durchgeht, ob euch das nun passt oder nicht (und wenn nicht, gibt es mehr als genügend andere Sendungen, auf die ihr ausweichen könnt—ich für meinen Teil genieße diese production-designende Ehrlichkeit).

Insgesamt ist die Dusk-Serie nicht ganz Fisch und nicht ganz Fleisch—nie völlig unironisch, aber auch nie ganz auf dem Ballaballa-Niveau von Machete—und damit selbst sowas wie ein Vampir-Gast in der Titty Twister Bar, der zwischen Tag und Nacht wandelt, auf der ständigen Suche nach etwas oder jemandem, dem er das Leben aussaugen kann, im ewigen Kampf mit Gegnern und Kritikern. Und da wir die Filmvorlage kennen, wissen wir auch, wie das Ganze vermutlich ausgeht.

Wenn wir jetzt am Ende noch so etwas wie eine Empfehlung abgeben sollen, dann müsste die wahrscheinlich lauten: Lasst es vorbeiziehen wie eine durchschnittlich schöne Landschaft hinter der Autofensterscheibe und tut uns allen einen Gefallen, indem ihr nirgendwo anhaltet, um hinzukotzen oder nach dem Weg zu fragen. Schaut es einfach als Guilty Pleasure, weil es immer noch besser ist, als alle NCIS-Spinoffs und wendet euch für die videografische, cineastische Überinszenierung an alles, was derzeit sonst so auf Netflix und HBO läuft.

Und wenn wir schon bei anderen Serien sind: Die viel perfektere Vorlage für eine Remake als Serie wäre natürlich Rodriguez' erstes Filmbaby, El Mariachi (beziehungsweise dessen US-Remake Desperado), der auch inhaltlich viel mehr Wirren zulässt und sich als Gangster-Film ziemlich gut als Basis für eine mexikanisch-texanische Version von The Sopranos eignet. Wie klingt das für euch: Antonio Banderas zieht von Stadt zu Stadt wie das A-Team und hilft in seinen wöchentlichen Abenteuern den Armen gegen das Kartell. Okay, klingt vielleicht alt—aber nicht älter, als From Dusk Till Dawn ausschaut. Insofern. (Und Rodriguez: You're welcome.)

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