FYI.

This story is over 5 years old.

Campus, Sex und Ravioli

Auslandsstudium in Thailand: Von Raucherlungen, Smog und Burning Season

In Thailand ist derzeit Burning Season. Das heißt, dass beim Nachbarn schon mal ein Lagerfeuer aus Autoreifen brennt.

Als ich vor einem Monat das Flugzeug Richtung Thailand bestieg—voller Vorfreude dem Winter zu entfliehen—, gab mir dieser noch einen eiskalten Stinkefinger als Abschiedsgruß in Form eines fiesen Schnupfens.

So saß ich hustend und nasetriefend im Flieger und behielt diese netten Andenken in abgeschwächter Form bis heute. Nach circa 3 Wochen begann es mir zu dämmern, dass es sich dabei eher nicht um eine ordinäre Erkältung handeln konnte, und ich machte mich widerwillig—meine Reiseversicherung zahlt Arztrechnungen nur ab 100 Euro—auf zum thailändischen Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Der nette Herr Doktor gab mir den Hinweis, dass mein Husten recht sicher an der Luft hier liegt. Oder eher: am Kaumvorhandensein derselben. Was ich hier seit Wochen einatme, besteht zu einem großen Teil aus Rauch und Smog.

Anzeige

Nordthailand hat drei Jahreszeiten. Die „cold season"—im Sinne von 28 Grad untertags und abends 15—von zirka Oktober bis Februar. Gefolgt von der „hot season" von Februar bis April. Und zu guter Letzt die rainy season in der restlichen Zeit des Jahres, die sich zur hot season hinzugesellt und dann beides ist: verregnet und scheiß heiß.

Dass ich eine 4. „Jahreszeit" entdecken könnte, noch dazu eine eher unerfreuliche, kam etwas überraschend. Denn: Es ist burning season! Als mir dieser Terminus das erste Mal zu Ohren kam, klang das gar nicht so schlimm. Irgendwie nach Lagerfeuer und Folkmusik. Dieses romantische Bild in meinem Kopf hat sich—ungleich dem Smog—nur allzu bald verflüchtigt.

Wie wir aufgrund der Proteste der thailändischen Reisbauern wissen, nimmt diese Agrarform einen großen Stellenwert in Thailand ein. Die Bauern pflanzen den Reis, ernten ihn und müssen die Stängel, die im Boden zurückbleiben, irgendwie loswerden. Oft sind diese Leute ziemlich arm—nicht umsonst werden ihre Produkte fleißig von Fräulein Shinawatra subventioniert—und adäquates, technisches Gerät ist Mangelware. Das Zeug per Hand zu rupfen wär auch eher unter Sisyphusarbeit einzuordnen. Als kostengünstige und effektive Alternative bleibt, die Reste einfach zu verbrennen.

Das Feuer zu kontrollieren liegt nicht unbedingt in den Grundkompetenzen der Leute hier, was zu mittelschweren Waldbränden führt. Das kommt wiederum den Bauern auch gelegen, denn Brandrodung sorgt für super Düngung und beschert neue Nutzfläche. Und weil es eh schon überall brennt und raucht und stinkt, wird die Gelegenheit genutzt, um sich unauffällig von ungeliebt gewordenem Zeugs zu befreien. Sprich: der Nachbar macht ein Lagerfeuer aus Autoreifen, welken Blättern und was ihm sonst in die Finger kommt.

Anzeige

Diese Praktiken sind zwar allesamt verboten, aber exekutiert wird das nicht. Aus Sicht der Bauern ist der Kosten-/Nutzenfaktor natürlich unschlagbar: quasi ein Streichholz für einen Haufen erledigter Arbeit. Wenn man noch die Luftbelastung durch Verkehr und Industrie—auch aus den Nachbarländern Burma, Laos, Vietnam und China—hinzurechnet, ergibt das Luftverschmutzung vom Feinsten (oder Dicksten).

Chiang Mai liegt idyllisch in einem Tal umringt vom höchsten Gebirge Thailands, der Hausberg Doi Suthep thront erhaben am Stadtrand. Leider ist er seit Wochen unsichtbar, weil er hinter einer Wand aus Smog liegt: Quasi die dreckige Version des Tafelbergs. Dass ich in Thailand vier Wochen keinen blauen Himmel sehen würde, hätte ich auch nie für möglich gehalten.

Was bedeutet das also fürs alltägliche Leben? Meine langjährige Raucherlunge ist einiges gewöhnt, aber das hier sind neue Maßstäbe von Rauch. Die Einheimischen spannen sich brav ihre Masken vor die Nasen und die Experten diskutieren über die effektivsten Luftfilter und wie man damit die Klimaanlage modifiziert. Die Luftverschmutzungswerte erklimmen täglich neue Höchstwerte und die thailändische Regierung verspricht seit Jahren etwas gegen die Verschmutzung zu unternehmen. Sicher auch noch nächstes Jahr. Und übernächstes. Und überübernächstes. Zumindest gibt es ein neues Plakat, das sagt, dass Brände legen verboten ist.

Immerhin: Mitte April, wenn der Regen kommt, ist der Spaß wieder vorbei. Bis dahin verbschiede ich mich mit einem heiseren Gruß und geh mein neues Haustier, Eidechse Fritz beobachten. Laut Aussage des Mitbewohners lebt der schon seit Wochen hinter dem Schlafzimmervorhang. Da ich gewillt bin, mich den asiatischen Lebensrealitäten anzupassen, überlege ich es den Chinesen gleichzutun und eine Zwangsumsiedlung ins Küchenkastl vorzunehmen. Zumindest muss ich die Ameisen dann nicht selber essen.