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Musik

Bern: Survival of the fittest?

Das Clubsterben in Bern geht weiter.

Was die Beastie Boys schon 1986 wussten - „You gotta fight for your right to p-p-p-paaaaarty“, wird für die Berner Clubkultur immer mehr zum Credo. Nach der Schliessung der Formbar, dem Sous Soul und bald wohl auch dem Wasserwerk hat es sich neulich auch für ammonit im Kornhausforum ausgetanzt. Die Berner sind nicht mal mehr langsam, nein, sie sind bald bewegungslos.

Was ist nur los in der Bundeshauptstadt? - Nichts und bald noch weniger. Den Clubbetreibern wird das Leben vom Regierungsstatthalteramt beziehungsweise Anwohnern und deren Reklamationen schwergemacht, wenn nicht gar verunmöglicht. Die Problematik erreicht neue Brisanz mit der jüngsten Bekanntgabe von ammonit events, dass ihre Veranstaltungen im Kornhausforum per sofort eingestellt werden.

März 2011: Formbar - 5 Jahre
Der Auftakt zur traurigen Clubsterbewelle 2011 macht die Formbar. Eine routinemässige Polizeikontrolle morgens um halb vier ist der Anfang vom Ende: Es wurden diverse Sicherheitsmängel festgestellt. Die Polizei forderte die Behebung dieser Mängel, um die Sicherheit der Gäste zu gewährleisten. Die Betreiber entschlossen sich daraufhin aus eigenen Stücken, die Formbar zu Grabe zu tragen. Sie haben jedoch bereits im Winter 2011 ein neues Kapitel aufgeschlagen. Und was für ein schönes!

Dezember 2011: Sous Soul - 5 Jahre
Hier wird die Sache schon etwas komplexer. Die explosive Mischung aus Beschwerden von Anwohnern wegen Nachtruhestörung kombiniert mit dem Verlust des Fumoirs aufgrund privater Nutzung des Hausbesitzers, haben den Verein Sous Soul Ende 2011 in die Knie gezwungen. Eine subjektive Beurteilung der Lärmemission durch die Fachstelle Lärmakustik der Kantonspolizei Bern, die aufgrund von Anwohner-Beschwerden fällig geworden war, auferlegte dem Sous Soul zuvor eine maximale Laustärke von 90 Dezibel. Für ein Lokal, das unter anderem für seinen exzellenten Konzert-Betrieb bekannt ist, ein Schlag in's Gesicht. Ein späteres, unabhängiges Gutachten ergab ein anderes Resultat. Das „Gstürm“ nahm seinen Lauf und wer durfte den Sieg davon tragen? Die 90-Dezibel-Grenze. Der angemeldete Privatgebrauch des Fumoirs von Pfarrer Urwyler (Hausbesitzer), liess die Sous Soul-Betreiber verständlicherweise endgültig schwarz sehen. Wo die Gäste geraucht hätten, wissen wir wohl alle: Vor den Haustüren der sowieso schon Bass-geplagten Anwohner.

Unbekannter Todestag: Wasserwerk Club - bis dato 18 Jahre
Die von den Betreibern angekündigte Schliessung des „Wasi“ per Ende Jahr 2011 ist nicht eingetreten. Der Überlebenskampf geht weiter – bis mindestens Februar 2012, wenn auch nur noch samstags bis spätestens 3 Uhr morgens. Die Ausgangslage ist in diesem  Fall besonders delikat, da der Wasserwerk Club erst im 2009 Neueröffnung feierte, nachdem das Fumoir bewilligt wurde und eine Überzeitbewilligung angeblich gute Chancen hatte. Wirklich gute Chancen sehen allerdings anders aus: Die Betreiber hatten vom Regierungsstatthalteramt Bescheid erhalten, dass der Antrag für die Überzeitbewilligung wahrscheinlich nicht stattgegeben würde und zogen daraufhin ihr Gesuch zurück. Denn relativ zahlreiche Privatpersonen fühl(t)en sich in der Matte von der Musikbeschallung sowie dem sekundären Lärm (durch die Partygänger) gestört und hatten Einsprache erhoben. Die Folge der amtlichen Lärmmessung im Wasserwerk: eine 80-Dezibel-Grenze.

Januar 2012: ammonit-Parties im Kornhausforum - 12 Jahre
Die Geschichte rund um die ammonit-Veranstaltungen im Kornhausforum ist schnell erzählt: Die Berner Behörden forderten von den Veranstaltern vor zwei Jahren den Einbau eines Fumoirs, um nächtliche Lärmemissionen durch Partybesucher zu vermeiden. ammonit kam den Folgerungen auf eigene Kosten nach. Diverse Fehlalarme der Brandmeldeanlage führten jedoch zum Verbot des Fumoirs, obwohl die Ursache der Alarme nicht eindeutig geklärt werden konnte. Ohne ein Fumoir hätte ammonit keine Überzeitbewilligung mehr erhalten, das heisst, es hätte sich ab 02:45 Uhr ausgetanzt. Hinsichtlich des Ausgehverhaltens bedeutet eine solche Zeitlimite den Todesstoss. Die Veranstalter ziehen die Konsequenzen und sagen: Ade, Kornhausforum. Auch die Bekanntgabe der Gewerbepolizei von vergangener Woche, dass die Fumoir-Pflicht im Kornhausforum abgeschafft werde, ändert (vorläufig) nichts am Entscheid von ammonit. Die Events werden in die grosse Halle der Reitschule verlegt. Es formiert sich Widerstand und der zieht immer weitere Kreise: Es kämpft der Verein Pro Nachtleben Bern mit einer (bereits eingereichten und auf der Wartebank weilenden) Petition. Eine angekündigte „Aktion“ zum öffentlichen Kundtun des Unmuts wurde kurzerhand abgesagt, da die Gewerbepolizei mit der Abschaffung der Fumoir-Pflicht im Kornhausforum einen Schritt auf das Partyvolk zugemacht hat. Des Weiteren ermöglichen Social Media wie Facebook dank diverser Gruppen (wie etwa „Figg di Frou Müller“) mit den Widerstandskämpfern zu sympathisieren. Wir fordern derweil solidarisch: Laute Kultur und Gratis-Ohrenstöpsel für alle!