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Too binz to fail?

Die Temperaturen waren eisig, die Stimmung angespannt und die Route ein Mittelfinger in die Blaulichtvisage der Zwinglistadt.

Text: Phillippe Zürcher und Philippe Stalder Fotos: Evan Ruetsch Wer eingeweiht war, wusste, dass das diesjährige Binzfest kein gewöhnliches werden sollte. Das besetzte Gebäude, in dem seit 2006 etwa 50 Leute leben und dessen Kulturangebot mehreren hundert Menschen Platz für ihr Entfalten bietet, soll Ende Mai nun definitiv geräumt werden. Also feierte die versammelte Rabaukenschaft der Binz in der Nacht auf Sonntag den Höhepunkt ihres anstehenden Abgangs mit einer ausgiebigen Krachparade durch die Strassen Zürichs. Die Temperaturen waren eisig, die Stimmung angespannt und die Route ein Mittelfinger in die Blaulichtvisage der Zwinglistadt.

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Die Lausbuben des Aktionskomitees haben das Ganze schlau ausgeheckt. Per SMS wurde – so wie beinahe jedes Mal – »zum letzten Binzfest« aufgerufen. Als sich die ungeheizten Hallen der Binz ab 19.00 Uhr mit etwa 2500 Partygästen zu füllen begannen, ahnte noch niemand, dass es bald Tränengas und Gummischrot regnen würde. Am aller wenigsten die Polizei selbst. Die meisten Leute, die dem SMS Aufruf gefolgt waren, bemerkten die zahlreichen, sorgfältig dekorierten Binz-Mobile wohl kaum, auf denen die Soundanlagen installiert waren. So zeigten sich viele Besucher dann auch überrascht, als sich die Binz-Mobile um 23.00 Uhr vor dem Gebäude zu einem Party-Konvoi formierten. Nichts desto trotz folgten praktisch alle der knapp 3000 Besucher dem Umzug und so verlagerte sich das Fest von den Hallen auf die Strasse.

Unter dem Motto "Too Binz To Fail" zog die Partymeute friedlich und ausgelassen feiernd über den Manesseplatz Richtung Wiedikon. Die Binz-Mobile durften sich durchaus sehen lassen: Ein Wagen mit einem grossen Tanzschuh spielte laute Electronica-Musik. Auf einem anderen Wagen stimmte eine HC Band die Meute auf das Anstehende ein. Ein weiterer Wagen, der von vorne aussah wie ein gepanzertes Raubtier, überraschte von hinten mit einem integrierten Maiskolbengrill und ein Raketendüsenmobil verteilte alkoholische Erfrischungsgetränke. Bis auf ein paar mit Parolen versprühte Wände, hielt sich der Schaden zumindest zu Beginn des Umzugs, in überschaubaren Grenzen. Dies änderte sich, als der Umzug den Bahnhof Wiedikon erreichte, wo eine Polizeitruppe in Robocop-Montur Tränengas und Gummischrot in die Menschenmenge schoss. Als Reaktion darauf bewarfen maskierte Aktivisten die Polizei mit Steinen und Flaschen, errichteten Strassenbarrikaden aus herumstehenden Abfallcontainern und setzten diese in Brand. Im Sichtschutz der Flammen zog der Binz-Mobil Konvoi weiter Richtung Helvetiaplatz, wo er nicht wie geplant in die Langstrasse einziehen konnte, da die Polizei die dicken Eier auspackte und ihren Wasserwerfer vorfuhr.

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Während einige Aktivisten den Umzug mit weiteren Barrikaden aus brennenden Abfallcontainern von den überforderten und überreagierenden Polizeitruppen abschirmten, plünderten andere Alkohol und Zigaretten aus einer Coop Filiale, schmissen Schoko-Hasen auf die Strasse (Scheiss Ostern-Verkommerzialisierung!), zerschlugen Scheiben von Bank- und Versicherungsfilialen und demolierten die Fahrzeuge der Einsatzkräfte. Als das Katz und Maus Spiel zwischen den Demonstranten und der Polizei voranschritt, gelang es der Polizei die Partymeute in kleinere Gruppen aufzuspalten. Diese traten darauf den geordneten Rückzug in die Binz an. Um 2:00 Uhr trafen die Binz-Mobile wieder in ihrem Mutterschiff ein, wo um die 2.000 Leute bis in die frühen Morgenstunden weiter feierten. Die Stimmung schien nach der Konfrontation mit der Polizei noch etwas angeschlagen, doch schon bald machte sich eine allgemeine Heiterkeit breit. Obwohl die Afterparty in der Binz nicht geplant war, konnten die in Improvisation sattelfesten Binzler die Bedürfnisse des Publikums erfolgreich befriedigen.

Das Binz Fest hinterliess leider seine Spuren in der Stadt.

Die Binz ist einer der wenigen Orte in Zürich, der die Möglichkeit bietet, innovative Projekte unabhängig von kommerziellen Anreizen und abseits von rechtlichen Auflagen zu verwirklichen. Leider wurde die Problematik dieses fehlenden kulturellen Freiraums in den Medien bisher kaum thematisiert und findet scheinbar nur Aufmerksamkeit, wenn die Polizei mit ihren riesigen Wasserpistolen aufkreuzt. Die Geschehnisse sind beispielhaft für diese Wechselwirkung. Der Umzug -ein letzter Aufschrei vor dem geplanten Abriss, die finale Hoffnung auf Aufmerksamkeit und vor allem - ein saftiger Arschtritt an die Stadtverwaltung.