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Musik

VICE Reviews

Die neue Swans entzückt uns, manch anderes entsetzt uns. Die neuen Reviews sind da!

SWANS
The Seer
Young God Records
9
Vielleicht das einzige wirklich sinnvolle Doppelalbum der Musikgeschichte. Die erste Stunde brauchst du, um dich von deinen gängigen Rezeptionsgewohnheiten zu verabschieden und solche Begriffe wie Doppelalbum, Tonträger, Plattenfirma und Musikindustrie hinter dir zu lassen. Wenn du schon dabei bist, streiche auch gleich noch das Wort Schemel aus deinem Wortschatz — es ist irgendwie hässlich. Mit Beginn der zweiten Stunde dürftest du dann langsam realisieren, dass hier nicht weniger als die retrograde Verdichtung des Universums vor sich geht. Nun wäre es vermutlich ganz schön viel verlangt, wenn ein Prozess, der mehrere Milliarden Jahre dauerte, in zwei Stunden umgekehrt wird, aber wenn einer Band irgendwann einmal die Provokation eines zweiten Urknalls zuzutrauen ist, dann den Swans.
HILDEGARD HOCKER

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MICACHU AND THE SHAPES
Never
Rough Trade/Indigo
1
In einem Online-Interview erklären sich Micachu and the Shapes als „100 Percent Vice-Free“, was nichts anderes zu bedeuten hat, als dass die Band „clean as a whistle“ ist. Vermutlich aus freudianischen Gründen weckt das den Wunsch, sie genau hier mit Scheiße zu bewerfen. Und tatsächlich geht uns das betont „quirky“
wirken wollende Geschepper nach ein paar Songs/Minuten so auf die Nerven, dass es uns nur noch egal sein kann, aus welchem selbst gebastelten Instrument der „experimental Pop“ kommen mag. Fazit: Putziger als Tierexperimente, aber nicht so unterhaltsam!
FREIE WIR-GRUPPE

MR.DENT vs. BESTIE
Um das Fürchten zu lehren
Bestie unlmt
6
Während Satan die Erde unterwirft, hat er diesen Sound auf den Sennheisern. Wie schon auf den drei Alben zuvor erklimmt die Bestie auch mit dem aktuellen Release Um das Fürchten zu lehren neue Gipfel, wenn es um lyrische Gewaltdarstellung oder die Anbetung Baphomets geht. Mr. Dents/Twofaces Beats sind dazu schön komplex, solide, tiefdunkel und richtig satt. Dieses Konzeptalbum besticht durch comichafte, audiographische Darstellung von so ziemlich allem, vor dem Minderjährige geschützt werden sollten. Wenn man diese Platte rückwärts spielte, würde wohl „Stairway to heaven“ aus den Boxen knistern. Kauf dir das Ding, wenn du dich traust und du besitzt dein eigenes Fleckchen Vorhölle. Besser heute als morgen, denn sobald Ratzinger von der Scheibe erfährt, landet sie schneller auf dem Index als du „Necronomicon“ sagen kannst.
ZAPHOD BEEBLEBROX

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B.FLEISCHMANN
I’m not ready for the grave yet
Morr Music/Indigo
3
Ich verstehe nicht, wieso Menschen, die keine sogenannten native speakers sind, immer englisch singen müssen. Obwohl, es ist ja nicht mal singen, es ist nur ein murmeln, auch noch von der absichtlich-zaghaften Sorte! Die besten Songs hier sind jene, die keinen Gesang haben. “This Bar und Beat Us” zum Beispiel, das sind Songs, bei denen man alles stehen und liegen lässt und zuhören will, weil man etwas spürt. Aber dann wieder zwei Songs später - Langeweile ins Mikrofon gezögert, Melodien, die ihr Ablaufdatum um 20 Jahre überschritten haben, weinendes Füllmaterial. Tut uns doch einen Gefallen und macht mehr 7”es! Oder Soundtracks. Nein, diese Platte überlegt den Umzug nicht.
ALL I WANTED WAS A PEPSI

OTTO VON SCHIRACH
Supermeng
Monkeytown/Rough Trade
8
Versteht man die Musikchecker im sog. Internetz richtig, hatte Otto von Schirach in der sich ernst nehmenden Breakcore-Szene wohl einen Namen, den er mit Supermeng gerade verspielt. Was den Musikcheckern im sog. Internetz aber fehlt, ist Lockerheit. Supermeng nämlich ist dermaßen überzogen auf die Spitze getrieben, wirft so arg Miami Bass und Sigue-Sigue- Sputnik-Zitate neben Jean Michel Jarre auf Speed, ist ab der ersten Sekunde so unernst, dass es sofort exakt den Punkt erreicht, an dem im Prinzip absolut alles völlig egal ist. Aphex Twin covert Love Missile F1-11— ernst nehmen können so was nur die Musikchecker aus dem sog. Internetz, alle anderen lachen sich ab sofort bitte schusslig über „Mengstep“, während sie ihre Booties shaken.
GRAVI TRON

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G.O.O.D. MUSIC
Cruel Summer
GOOD Music/ Def Jam
7
Dinge, die sehr großartig an Cruel Summer sind: Hudson Mohawke. Big Sean ist wirklich gut. Ma$e. Ma$e erklärt Loon, dass er kein Moslem ist, weil er "all about his Bacon" ist. Jay-Z redet nicht über Kelis, wenn er über seine Clique redet. Ghostface besitzt seine Jesus-Kette schon seit 94. Teyana Taylor. Gut 1 1/2 Minuten Robert Kelly, bevor Kanye auch nur ein Wort sagt. Nur 34 Sekunden Common auf 54 Minuten Album. Kein Lil Wayne Feauture. Dinge, die nicht so großartig sind an Cruel Summer: Kid Cudi. Zweimal Cyhi The Prince. Kanye rappt über seine neue Freundin. Kanye rappt nochmal über seine neue Freundin.
MITT ROMNEY

S3
Super Soul Sh*t
Melting Pot Music/ Groove Attack
8
Lieber Barrack Obama. Nimm dir doch ein Beispiel an Brenk Sinatra. Wenn er es schafft, zweimal hintereinander ein perfektes Album abzuliefern, warum solltest du dann nicht auch einfach noch einmal vier Jahre President der Vereinigten Staaten sein und die Welt vor Chaos und Verdammnis retten?
JOE BIDDEN

KING ELECTRIC
King Electric
Top10 Records/Hoanzl
7
Peter Hartwig und Chris Isepp sind Wiener Elektronik-Urgesteine und beschwören mit diesem Full-Length die Blütezeit von Volksgarten und Stadtpark Meierei. King Electric geht mit uns auf ein Gschpusi ins Kino, denn das Album ist voll mit Filmsamples, gesprochen und gespielt, also Streichquintett und Marx Brothers Dialoge. Das funktioniert auch. Musikalisch klingt’s in den langsamen Partien nach Tosca, bei den schnellen nach Depeche Mode und Superfly auf Testosteron. Die B-Seite ist übrigens die bessere Hälfte, ab hier wird die Platte zu dem, was wohl geplant war: gar nicht so schlechtes Kino.
SHIBBOLETH

DEADBEAT
Eight
BLKRTZ/ Tailored Communication
8
Eigentlich sind die acht Nummern auf der neuen Platte von Deadbeat sehr entspannend, ich war während des Anhörens aber trotzdem unruhig. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass meine Mitbewohnerin parallel lautstark zu Bravo Hits 17 mitgegröhlt hat. Dieses Samstag-Abend Ritual lässt sie sich nicht nehmen. ‚The Elephant In The Pool’ ist mit Abstand das beste Lied des Albums (und das nicht nur, weil es mich an meinen letzten Besuch im Freibad erinnert)
90sGIRL

BEAK>
>>
Invada/Cargo
7
Es ist schon ein Elend, wenn sich einer deiner frühsten künstlerischen Höhepunkte auf ewig mit einer Generation von larmoyanten Versagern, Schlaffsäcken und Harmoniesüchtigen verbindet. Der arme Geoff Barrow wollte doch mit Portishead nur „interessante Musik“ machen, „anständige Songs mit einer anständigen Lebensdauer“ komponieren. Das war wohl nix. Als Ausgleich muss er nun den Rest seines Lebens mit anderen Projekten für latentes Unbehagen sorgen. Während BEAK> ihr Debüt 2009 in zwölf Tagen ohne viel Overdubs aufnehmen konnten, brauchten sie für den Nachfolger >> erheblich länger—die Herausforderung lag darin, eine auf der Tour erlernte Routine wieder abzulegen und aufzuhören, wie eine elendige „pub prog-rock-band“ zu klingen. Mission erfolgreich ausgeführt.
KONRAD KOBRA