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GOTT SEI DANK! Warum es gut ist, dass Angela Merkel der Friedensnobelpreis nicht verliehen wurde

Der Preis für Merkel wäre für alle Beteiligten unfassbar mühsam geworden—inklusive Merkel selber.
Foto: imago/Götz Schleser

Eben ist bekannt geworden, dass nicht Angela Merkel den Friedensnobelpreis gewonnen hat, sondern ein Dialogquartett aus Tunesien. Das ist nicht nur gut für das Dialogquartett (wir googeln das auch gleich), sondern auch für Angela Merkel. Denn wenn die deutsche Bundeskanzlerin den Nobelpreis wirklich bekommen hätte, wäre das für alle Beteiligten schlecht ausgegangen, aus den folgenden Gründen:

1. Was Merkel jetzt braucht, ist mehr Realismus, nicht mehr Konfetti

Die Kanzlerin reitet gerade sowieso schon auf einer eigenartigen Welle: Ihr Image als kalkulierende Strategin hat sie fast komplett fallengelassen, stattdessen wirkt sie in letzter Zeit wie eine trotzige Idealistin. Und obwohl es richtig war, dass sie bei Anne Will öffentlich ein klares Zeichen gegeben hat, dass sie ihren Kurs beibehalten wird—worin genau dieser Kurs genau besteht, hat sie immer noch nicht so wirklich verraten. Es wäre also besser, wenn jetzt ein paar konkrete Maßnahmen folgen, als dass die komplette CDU eine Woche lange eine riesige Champagnerparty abfeiert.

2. Es hätte die deutsche Diskussion noch viel anstrengender gemacht

Während die Kanzlerin immer wieder beteuert, dass wir das schaffen, wächst nicht nur der Widerstand in ihrer eigenen Partei immer weiter—auch viele Bürger sind sich nicht ganz so sicher, wie das Land den enormen Zustrom eigentlich bewältigen soll. Es gibt eben nicht nur die Leute, die ihre Meinung am liebsten nachts mit Molotows auf Flüchtlingsheime kundtun—es gibt auch eine ganze Menge, die verunsichert sind, weil es ihnen vorkommt, als seien das einfach zu viele Menschen. In der ziemlich komplizierten Diskussion, die jetzt auf uns zukommt, hätte ein Friedensnobelpreis eher geschadet als genutzt. Es würde das ganze nur noch mühsamer machen.

3. Das Komitee hätte noch unseriöser ausgesehen

Mit Obama dem Anführer der größten Armee der Welt den Friedensnobelpreis zu verleihen, war halt offensichtlich eine Schnapsidee, das hat man mittlerweile wohl auch in Stockholm gemerkt. Aber ganz allgemein ist es ziemlich schwierig, einem aktiven Politiker so einen Preis zu verleihen: Niemand weiß, wie sich die Flüchtlingssituation entwickeln und welche Maßnahmen Angela Merkel als nächstes ergreifen (oder ergreifen müssen) wird.

Die Kanzlerin hat selbst davon gesprochen, Deutschland müsse sich außenpolitisch mehr engagieren, um die Herkunftsländer der Flüchtlinge zu sichern. Wenn also irgendwann deutsche Bomber IS-Stellungen in Syrien bombardieren sollten, würde das mit dem Friedensnobelpreis ziemlich albern aussehen.

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4. Jede einzelne Kritik hätte mit dem Scheißpreis angefangen

Damit kommen wir zum eigentlich Hauptpunkt: Hätte die Kanzlerin das Ding bekommen, hätte bald jeder einzelne Mensch, der irgendwas an ihrer Politik auszusetzen hat, die Nobelpreis-Keule rausgeholt (das Wort „Nobelpreis-Keule" würde genau eine Woche später entstehen): „Und das von der Friedensnobelpreisträgerin!"—„Die ‚Friedensnobelpreisträgerin' zeigt sich im Kita-Streit von ihrer kämpferischen Seite!"—„Darf eine Friedensnobelpreisträgerin Königsberger Klopse essen? Mit Fleisch???"

Bei Obama hat das irgendwann aufgehört, weil es nach dem hundertsten Drohnenschlag einfach langweilig wurde, darauf herumzureiten. Weil die deutsche Bundeskanzlerin aber relativ selten derart martialische Entscheidungen trifft, hätte man befürchten müssen, dass sich das nie richtig abgenutzt hätte und noch in fünf Jahren alle drei Wochen ein „scharfzüngiger" Leitartikel erschienen wäre, der spöttisch darauf hingewiesen hätte, dass diese Bundeskanzlerin ja tatsächlich mal den Friedensnobelpreis bekommen hat.

Also ist es doch einfach großartig, dass sie ihn nicht bekommen hat. Und ein Hoch auf den Dialog in Tunesien. Auch wenn man sich fragen muss, wie eigentlich ein Dialogquartett funktionieren kann. Müsste das nicht automatisch ein Quadrolog sein?


Titelfoto: imago/Götz Schleser