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Die längste Wahl der Welt

​Warum Norbert Hofer der perfekte blaue Kanzlerkandidat ist

Wer braucht schon die Hofburg, wenn der Ballhausplatz so nah ist?
Foto: Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles KG / Mike Ranz

Norbert Hofer hat mit dem heutigen Tag die wichtigste Niederlage seiner politischen Karriere eingefahren. Um ein paar wenige Stimmen ist er nicht Bundespräsident geworden—genau genommen um 31.026—, aber er hat immerhin mehr als 2,2 Millionen Menschen in einer Persönlichkeitswahl hinter sich gebracht. Das macht ihn ab sofort zum stärksten FPÖler seit Haider in den späten Neunzigern. Und wer braucht schon die Hofburg, wenn der Ballhausplatz so nah ist? Denn idealer als Hofer kann ein FPÖ-Kanzlerkandidat nicht sein. Das hat mehrere Gründe:

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Norbert Hofer ist erkennbar rechts, aber ohne radikale Paintball-Vergangenheit, wie ein Heinz-Christian Strache sie hat. Er war weder an Wehrsportübungen beteiligt, noch sind andere derartige Fakten über ihn bekannt. Seine Tonalität ist leiser, überlegter und staatstragender. Trotzdem kann Hofer auch sehr angriffig sein, wie wir beispielsweise im kontroversen ATV-Duell gesehen haben, bei dem Hofer und Van der Bellen ohne Moderator diskutiert und gestritten haben. Wenn Konfrontation gefragt ist, schreckt Hofer vor keiner Provokation zurück. Er wirkt dabei aber stets wie ein milder Onkel, der doch nur das Beste will.

Die Sympathiewerte Hofers sind quer durch alle Bevölkerungsgruppen beeindruckend. Seine passive Aggression wirkt aufgeräumt und bestimmt—ein echter Saubermann eben. Er kommt ganz ohne Disco-Touren und Ibiza-Bräune aus. Die holt er sich lieber in seinem Garten in Pinkafeld. Alkohol kann man sich bei ihm auch nur in Maßen vorstellen. Und alles andere sowieso nicht.

Er ist ein Jedermann: HTL, ein paar Kinder, einmal geschieden, was Ordentliches gearbeitet. Politisch völlig unverbraucht und nie in größere Schlachten verwickelt. In der FPÖ ist er stark verankert und bestens vernetzt. Zu all dem kommt noch, dass Hofer durch den Wahlkampf jetzt über enorme Bekanntheitswerte bis in die letzte Ritze des Landes verfügt. Könnte sich Herbert Kickl seinen Kanzlerkandidaten schnitzen, er würde vermutlich aus dem gleichen Holz sein wie Norbert Hofer.

Ist Hofer schlau, wird er das knappe Ergebnis akzeptieren und es nicht auf Anfechtungen, Nachzählereien oder ähnliche Spielereien anlegen. Er sollte den guten Verlierer geben. Und tut dies auch schon mit einem ersten Statement auf Facebook. Freundlich lächelnd und mit einem Plan in der Tasche (oder zumindest im Kopf). Der etablierte, aber ausgebrannte Strache hat als Frontmann—gemeinsam mit Kickl im Hintergrund—die Basis für den heutigen Status der FPÖ gelegt. Jetzt wird sich das Wolfsrudel vielleicht einen neuen Alpha wählen. Einen, der durch eine Niederlage stark geworden ist.

Aber es bleiben auch einige Fragen offen: Wird Hofer den Brutus machen und seinem Ziehvater aktiv untreu werden? Was würde diese Dynamik mit der FPÖ machen? Droht dann eine Spaltung oder stellen die Funktionäre ihre Treue zu Strache angesichts der größeren Chance auf einen FP-Bundeskanzler ruhend? Ist Kickl berechnend genug, den immer noch beliebten Strache einfach abzustoßen? Wäre Strache bereit, in Frieden die Spitze zu räumen und dafür Minister oder Wiener Bürgermeister zu werden (dann aber wirklich)?

In jedem Fall wird Norbert Hofer ab jetzt auf Straches Augenhöhe agieren. Zwei ähnlich starke Protagonisten auf der blauen Bühne gab es schon lange nicht mehr. Zuletzt war Strache 2005 in einer ähnlichen Situation der junge, hungrige Wolf. Der Rest ist Geschichte.

Christoph Angerer ist Texter, Konzeptionist und ehrenamtlich im Erweiterten Vorstand der NEOS. Hier geht's zu seiner Webseite.