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Obwohl in Kolumbien weniger Coca angebaut wird, geht der Kokain-Konsum nicht zurück

Der Coca-Anbau in Kolumbien ist um 25 Prozent gesunken Die Anbauflächen wurden verkleinert. Weniger Koks gibt es deshalb dennoch nicht. Die Gründe dafür sind kompliziert und von verschiedenen Faktoren abhängig.

Ein Cocablatt. Bild via.

Gemäß eines UN-Berichts, der Anfang des Monats veröffentlicht wurde, ist der Coca-Anbau in Kolumbien um 25 Prozent gesunken. Auf den ersten Blick erscheint diese Nachricht entweder erfreulich—zumindest für diejenigen, die sich dem Anti-Drogen-Kampf verpflichtet haben—, oder sie löst Panik bei Leuten aus, die regelmässig gerne koksten. In diesem Fall lösen allerdings ziemlich viele Dinge Panik aus.

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Zu den Einzelheiten: Zwischen 2011 und Ende 2012 wurde das Gebiet, auf dem Coca-Pflanzen angebaut wurden, um von 64.000 Hektar auf 48.000 Hektar, d.h. um etwa ein Viertel verkleinert. Der Gesamtwert der Coca-Blätter und der entsprechenden Derivate in Kolumbien fiel ebenfalls von 422 Millionen auf 370 Millionen Dollar.

Der BBC zufolge sind die einzigen Gebiete des Landes, die einen Zuwachs im Coca-Anbau verzeichneten, diejenigen, in denen die Polizei durch FARC-Rebellen und Drogengangs in ihrer Arbeit gehindert wird: Norte de Santander, Caquetá, and Chocó.

Du könntest nun denken, dass weniger Coca in Kolumbien zu weniger Kokain auf den Straßen in Europa führt. Nun, das ist nicht unbedingt so. Nach Aussagen von Leuten, die sich mit diesen Dingen auskennen, ist es komplizierter. Ricardo Vargas Meza, ein Soziologe, der sich auf die Coca-Produktion in Kolumbien spezialisiert hat, sagt, dass es schon jahrelang Probleme mit der Verlässlichkeit von Coca anbauenden Staaten gibt. Denn niemand ist sich einig, wie viel Kokain man aus einem einzelnen Coca-Blatt herstellen kann.

Coletta Youngers, vom Washington Office on Latin America, meint, dass bei den Berechnungen auch die Qualität der Coca-Produktionstechniken berücksichtigt werden muss. In den vergangenen Jahren haben Verbesserungen in diesem Bereich dazu geführt, dass aus weniger Blättern mehr Coca gewonnen werden konnte. Während einige—darunter die kolumbianische Regierung, die Vereinigten Staaten und die UN—die Meldung über den Rückgang des Coca-Anbaus als Fortschritt im Anti-Drogenkampf betrachten, gibt Youngers zu bedenken, dass „diese Statistiken uns nicht sehr viel sagen.“ Sie sagt, dass „mehr als genug Kokain in der Region produziert wird, um die weltweite Nachfrage zu bedienen.“ Der regionale Aspekt ist dabei offensichtlich ein wichtiger Faktor: Nachdem die Dealer aus Kolumbien weggezogen sind, arbeiten Vargas Meza zufolge nun viele von ihnen in Bolivien und Peru.

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Eine Coca-Pflanze in Kolumbien. Bild via.

Während 2012 noch 309 Tonnen Kokain in Kolumbien produziert wurden und den Handel zu einer acht Milliarden Dollar schweren Industrie machten, sehen Vargas Meza und Youngers andere Gründe für den im UN-Bericht suggerierten Rückgang. Ein wichtiger Faktor sei der Boom des illegalen Bergbaus im Land. Einige der Guerillagruppen und Kartelle, die die Region kontrollieren und die seit jeher Coca-Pflanzen angebaut haben, profitieren mittlerweile lieber vom Mineralienhandel—zumal sich Minen nicht durch Gift vernichten lassen.

Ein weiterer Grund ist, dass Kolumbien mittlerweile seinen Ruf als weltgrößter Lieferant von Coca, das zur Herstellung von Koks verwendet wird, an Peru abgetreten hat. Betroffene Länder, trotz allen Geredes über koordinierte regionale Ansätze gegen die Drogenproduktion, sind meist froh, wenn sie das Problem an ein Nachbarland weitergeben und selbst einen vermeintlichen Erfolg verbuchen können.

Außerdem ist die Mentalität heutiger Kartelle zu beachten, die nicht mehr so dreist und ungestüm auftreten wie Pablo Escobars berüchtigte Medellin-Truppe. Die heutigen Akteure haben aus den 1980er-Jahren gelernt, dass man mit einem übermäßig aggressiven und prahlerischen Auftreten kein internationales Kokainimperium führen kann.

„Die Wahrheit ist, dass der Drogenhandel in Kolumbien lebendig und wohlauf ist. Zwar gibt es keine Pablo Escobars mehr, die das Geschäft dominieren; aber dafür gibt es nun kleinere Gangs, die um einiges schwerer zu bekämpfen sind,“ erzählt mir Vanda Felbab-Brown, die sich bei einem Thinktank The Brookings Institution in Washington D.C. auf Außenpolitik spezialisiert

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Wenn die kolumbianischen Behörden nach Möglichkeiten suchen, dies zu tun, sollten sie sich die Taktik Boliviens ansehen. Das Land hat sich—zum größten Teil—dafür entschieden, keine Vernichtung von Coca-Blättern zu erzwingen. Stattdessen wurde der Anbau durch Initiativen reduziert, die es den Bauern ermöglichen, andere Einkommensquellen zu erschließen und zu einer entsprechende wirtschaftlichen Entwicklung führen. Youngers erklärte mir, eines der Probleme bei der Vernichtung von Coca-Pflanzen sei, dass arme Bauern so um ihre Haupteinkommensquelle gebracht werden und rasch wieder neues Coca anpflanzen. Ein Schritt vorwärts führt also leicht zwei Schritte zurück.

Die Coca-Bauern sind Menschen, die sich gerade so durchkämpfen. Der Flächenanteil, der derzeit zum Coca-Anbau genutzt wird, ist seit Beginn der Aufzeichnungen so niedrig wie nie zuvor in Kolumbien. Gemäß dem UN-Bericht macht ein durchschnittlicher kolumbianischer Bauer einen Jahresumsatz von nur 1.220 Dollar (924 Euro). Während der Markt mehr oder weniger überflutet wird, bilden diejenigen, die in diesem Bereich arbeiten, alles andere als lukrative Monopolstellungen aus. Wenn die Kolumbianer mehr tun wollen, um den Coca-Anbau in ihrem Land zu verringern, müssen sie den Bauern, für die der Coca-Handel die einzige Verdienstquelle ist, andere Einkommensmöglichkeiten zur Verfügungen stellen.

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