FYI.

This story is over 5 years old.

Popkultur

Wir haben mit Joel Basman über Crystal Meth und Heroin gesprochen

Joel Basman spielte im 'Tatort' einen Meth-Junkie und jetzt in 'Als wir träumten' einen Heroin-Süchtigen. Wir haben mit ihm über die Drogen und die Rollen gesprochen.
Titelbild zur Verfügung gestellt von filmcoopi

Der ehemalige Lüthi & Blanc-Bub Joel Basman hat sich in der Filmwelt in internationale Produktionen gearbeitet. Er war in George Clooneys The Monuments Men und wurde Anfang des Jahres als Meth-Junkie im Kieler Tatort gefeiert. Anlässlich seiner neusten Rolle als Heroin-Opfer in Als wir träumten haben wir mit ihm über Sucht und die Rolle als Süchtigen gesprochen.

VICE: So kurz nach dem Crystal Meth-Tatort spielst du in Als wir träumten wieder einen Süchtigen. Hast du dich in der Rolle wohlgefühlt?
Joel Basman: Wenn Andreas Dresen mich in der Rolle der Stripperin gesehen hätte, hätte ich auch das gemacht.

Anzeige

Sogar die Stripperin! Die ist aber recht dumm geschrieben.
Ja, sie hat etwas naives, aber das macht sie eigentlich umso schlimmer, umso gefährlicher. Am Ende landet sie dann ja am schlimmsten Ort, also hat sie sich wohl wirklich mit den Falschen eingelassen. Sie scheint also nur ein kleines, dummes Mädchen zu sein, das auf eine Modelkarriere gehofft hat, als er ihr gesagt hat „Du musst halt zuerst mal mit deinem Kumpel …" oder ja, wie auch immer. Auch das hätte ich gespielt.

Joel Basmans alte Autogrammkarte; Foto von Nora Osagiobare

Du wärst gleich an die Rolle herangegangen?
Ja, das wär egal gewesen. Natürlich gibt es auch andere Projekte, in Deutschland läuft jetzt im Moment Wir sind jung! Wir sind stark! über Asylheimbrände in Rostock-Lichtenhagen. Da hat mich der Regisseur direkt kontaktiert und mir gesagt, dass er mich in dieser bestimmten Rolle sieht.

Du bist gerade in dieser Nachwende-Wilder-Osten-Welt unterwegs. Glaubst du, dass es im Leipzig der frühen 90er wirklich so abgegangen ist, wie es in Als wir träumten dargestellt wird?
Ich denke schon. In dem Alter haben wir zwar keine Autos geschrottet, aber wir hatten auch grausam viel Spass. Dafür, dass wir eine Jugend ohne Sorgen hatten, bauten wir viel Scheisse.

Und parallel hast du Lüthi & Blanc gedreht?
Selbstverständlich. Sonst hätte ich das ja nicht finanzieren können.

Kannst du mir eine halbschlimme Jugendanekdote erzählen, die dein öffentliches Bild schmückt?
Naja, wir sassen halt immer zu fünfzehnt in irgendwelchen Parks. Es ging um ein Kräftemessen, ein Ausprobieren, ein „Wo-kann-ich-überall-dreinschlagen"—und wo besser nicht. Von Polizisten abhauen, die uns aus dem Park vertreiben wollten.

Anzeige

Jetzt kannst du das jugendliche Ausprobieren in Filmen weiter ausleben.
Im Leipzig von damals waren die Umstände natürlich anders, denn natürlich hätten wir keine Disco in der Langstrasse gründen und alle Bewilligungen ignorieren können. Für das waren wir in der falschen Generation. Wenn wir hier in den 90er aufgewachsen wären, hätten wir wahrscheinlich unsere eigene Zukki aufgemacht, aber da ist uns jemand zuvorgekommen.
Jeder in dem Alter sagt dir „Hey, wir ficken alle und sind die Grössten …" Letztens haben wir uns alte Fotos angeschaut und wir konnten uns nicht mehr halten. Wie wir damals ausgesehen hatten! Kein Wunder, machten alle einen Bogen um uns. Es geht solchen Jungsgruppen ums Provozieren und das war schon immer und überall gleich. Die einen haben viel Geld, die anderen nicht, aber es ist immer die gleiche Energie, wenn zehn Jungs auf einem Haufen sind.

Marc in Als wir träumten verreckt am Heroin. Gab es in deinem Umfeld auch jemanden, der auf der Strecke blieb?
Klar kenn ich das. Keiner meiner Kumpels ist gestorben, aber es gibt solche, denen es schlecht geht. Also gibt es schon Reales, das ich in solche Rollen reinnehmen kann. Aber natürlich nahm ich nie Heroin, denn das wäre wohl die falsche Art sich darauf vorzubereiten.

Gibt es Regisseure, die von Schauspielern erwarten, dass sie sich mit echten Drogen, Medikamenten oder Steroiden auf eine Rolle vorbereiten?
Es gibt solche Filmprojekte, aber da würde für mich der Spass aufhören. Da würde ich antworten: Viel Spass in deinem Leben, wir werden uns nicht finden. Viel Spass mit deinem Film. Ich bin ja Schau-Spieler, ich stelle etwas dar. Sucht steckt in uns allen drin. Mit dem Wissen über Sucht kann man arbeiten, das ist ja klar. Für mich ist Fingernägelkauen das Schlimmste und seit Jahrzehnten mach ich das. Mit diesem Zwang kann ich mich dann auf die Rolle eines Süchtigen vorbereiten.

Anzeige

Bist du also schon jemand der Süchte als Teil des Menschseins akzeptiert?
Wir leben in Dauer-Süchten. Das beginnt beim Zucker und hört beim Alkohol auf.

Im besten Fall hört es beim Alkohol auf.
Im gesellschaftlich akzeptablen Fall, genau.

Gerade in einer Stadt wie Zürich sind Süchte präsent.
Jedes Mal wenn sie die Flusswerte der Limmat testen, ist der Anteil von Kokain-Rückständen drastisch hoch. Ich bin hier im Kreis 4 aufgewachsen und habe genug Dinge gesehen. Aber Marc in Als wir träumten ist halt aus Blödheit auf Heroin gekommen. Auch in den 90ern gab es schon Aids und Drogentote, aber das drang nicht zu Marc nach Leipzig. Das ist das gleiche Problem mit Crystal heute. Crystal Meth ist das Heroin des 21. Jahrhunderts.

Foto von Nora Osagiobare

Vor allem in Deutschland.
Deutschland ist heavy. Was dort über Tschechien reinkommt, das ist nicht normal! Opium kannst du nicht auf dem Balkon anbauen, aber für Crystal Meth brauchst du nur einen Internetanschluss. Das ist die Gefahr vom Crystal Meth. Man muss es nicht mal schmuggeln.

Die Droge hat ja auch ihre eigene internationale Erfolgsserie.
Eben. Erst kürzlich bekam ich die einfachste Methode mit, um Crystal zu machen: Du nimmst eine PET-Flasche, dosierst die Zutaten genau—sonst explodiert dir alles in der Hand—und dann schüttelst du die Flasche lang, machst den Deckel immer wieder etwas auf, damit die Abgase entweichen und nach etwa 30 Minuten kannst du stoppen. Dann löst sich der Kristall vom Flüssigen ab. Dann noch absieben und schon hast du eine Eigenbedarfmenge. Das ist der Junkie-Style, um an den Scheiss zu kommen.

Diese Art Drogenkonsum ist auch nicht mehr gleich sichtbar wie das Heroinproblem in den 90ern.
Genau, wenn gewisse Leute wüssten, wie es hier um die Ecke vor 15 Jahren ausgesehen hat. Dreimal so viele Junkies wie Kinder waren damals in der Bäckeranlage. Und ich hab als Kind ja nur noch das Ende der Zürcher Heroinszene mitbekommen.

Als wir träumten läuft ab Donnerstag, 2. April, in den Schweizer Kinos. Und zwar in diesen.

Benj auf Twitter: @biofrontsau

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland