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Fürs Leben gezeichnet

2003 hat Klaus Pichler noch in der Nähe eines Obdachlosenheims gewohnt. Die Bushaltestelle vor seinem Haus war der Treffpunkt der Bewohner, und man kam nicht umhin, diese primitiven und doch magischen Hautverzierungen auf den Gliedmaßen mancher älterer Herren, die sich dort versammelten, zu bemerken. Irgendwann nahm Klaus seinen Mut zusammen und sprach einen der Herren auf seine Tätowierungen an-
“Burli, komm, setz dich her, ich erzähl’ dir was” war der Auftakt für sein vorliegendes Buch, “Fürs Leben gezeichnet - Gefängnistätowierungen und ihre Träger”.

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In den Siebzigern war es laut SVG §27 den Strafgefangenen verboten, sich selbst oder andere zu tätowieren. Dies wurde mit Schädigung der Gesundheit, Körperverletzung oder sogar dem bewussten Untauglichmachen zur Erfüllung der Pflicht gleichgesetzt. Zudem brachte man damit die Bekenntnis zu einer Subkultur zum Ausdruck, die den herrschenden Wertvorstellung gleichgültig gegenübersteht.

Diesbezüglich hat das Gefängnistattoo gleich mehrere emotionale Bedeutungen für seinen Träger: Es war Unterhaltung, Kunst und Kultur, vertrieb Langweile und stillte Neugierde. Allen voran aber war es der Reiz des Verbotenen, der es vermochte, einen kleinen Freiraum in dieser tristen Isolation zu schaffen, der den Insassen nachträglich nicht mehr genommen werden konnte.
Mit der Zeit wurde das gemeine Gefängnistattoo immer professioneller und wies ein stetig wachsendes Repertoire an Motiven auf, das sich ob seiner Popularität Anfang der 80er mit denen der etablierten Studios vermischte.

Nach einer kurzen Einleitung zur Entstehung des Buches, einem Essay über das “System Gefängnis” und die Entstehung der Gefängnis-Tätowierung präsentiert uns Klaus auf über 180 Seiten intime Einblicke in die privaten Leben zahlreicher Ex-Knackies. Dafür sind lediglich kurze Zitate und großformatige Abbildungen von Nöten- in dieser Hinsicht sagt ein Bild tatsächlich mehr als tausend Worte. Zusammengefasst zeichnet er damit ein differenziertes und vor allem authentisches Bild der drastischen Eigenheit dieser Gefängniskultur.

Falls ihr ohnehin plant, euch die Hände schmutzig zu machen um sie euch im Gefängnis mit Kugelschreibertinte reinwaschen zu lassen, sollte es schon was Schwerwiegenderes sein, da ihr so ziemlich sicher ins Heavy-Weight-Vollzugshaus kommt wo dann die wahren Tattoo-Profis sitzen. Bevor wir euch aber dazu ermutigen oder euch das Ganze gar mit detaillierten Anleitungen für die Hautverzierung Marke EigenBAU schmackhaft machen, empfehlen wir dann doch lieber, euch so bald wie möglich das neue Buch von Klaus zu besorgen. Das ist nämlich weder etwas das man im Nachhinein bereut, noch etwas das einen Eingang aus eurem Ausgang macht.

Ps.: Und passt bloß auf mit diesen drei Punkten zwischen Daumen und Zeigefinger. Mein Anwalt hat mir verraten, dass diese sowohl für “Tod den Bullen” als auch für “faul, schwul und arbeitslos” stehen.