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The Moral Compass Issue

Die Ethik eines Supermenschen

Der in einem kugelsicheren Anzug durch die Straßen Seattles patrouillierende „echte" Superheld Phoenix erklärt uns seinen moralischen Kodex.

Philosophische Fragen über Gut und Böse tauchen nicht unbedingt im Leben des Durchschnittsbürgers auf, im Leben von Phoenix Jones ist das anders. Seit mehr als zwei Jahren patrouilliert Phoenix bereits durch die nächtlichen Straßen Seattles, trägt dabei einen maßgeschneiderten, kugelsicheren schwarz-gelben Anzug, schlichtet Streitereien und hilft ahnungslosen Fremden. Er ist der bekannteste der „echten“ Superhelden und ist seit Kurzem ziemlich häufig in den Medien zu sehen gewesen. Dieser Typ hat jedenfalls einen ziemlich ausgeprägten moralischen Kodex, den er uns erklärt hat. VICE: Glaubst du, es gibt das Böse?
Phoenix Jones: Ja und nein. Ich habe früher immer geglaubt, dass manche Menschen einfach böse sind und es nicht verstehen. Ich arbeite mit autistischen Kindern. Und sie machen Sachen, die ich ziemlich krass finde. Zum Beispiel?
Einer von ihnen hat mich gebissen und mir ein Stück Fleisch aus dem Arm gerissen. Ich dachte: „Warum tust du mir das an?“ Aber wenn man sich in ihre Lage versetzt, merkt man, dass ihre Unfähigkeit zu kommunizieren sie dazu zwingt, auf andere Art auf sich aufmerksam zu machen—sodass du darauf reagieren musst. Sie machen Sachen, die andere Leute vielleicht für unverschämt halten. Als ich das verstanden habe, fing ich damit an, es auf andere Dinge anzuwenden, die mir in der Welt draußen auffielen. Zum Beispiel Hitler: Wenn man seine Autobiografie liest [sic], realisierst man, dass er eine ziemlich miese Kindheit hatte, mit einem Vater, der nie da war, und wegen dieser Abwesenheit wurde sein Vater zu einer Art Ideal. Er hat diese Angst und den Hass auf seinen Vater so stark verinnerlicht, dass er die Chance ergreifen wollte, die Welt besser zu machen, indem er verhindert, dass Leute so werden wie er. Obwohl das alles falsch war und ich vollkommen anderer Meinung bin, ist das zumindest eine andere Sichtweise auf das ganze Szenario. Ich glaube, die meisten Menschen wollen sich selbst verbessern, aber wissen nicht genau, wie sie das anstellen sollen. Wenn du also was „Gutes“ tust, dann schützt du damit auch Menschen vor sich selbst—es hat was von Erziehung?
Genauso würde ich es beschreiben. Ich bin durch mein Haus gegangen und habe alle Steckdosen mit Kindersicherungen ausgestattet, sodass keines meiner Kinder einen elektrischen Schlag bekommt, und das ist ein bisschen so wie das, was ich mit der Stadt mache. Wenn dir fünf Minuten lang die Welt zuhören würde, was würdest du sagen?
Wenn mir die ganze Welt zuhören könnte, würde ich gar nichts sagen, weil das schon 90 Prozent des Problems ausmacht: Wir reden, aber wir hören nicht zu. Wenn man zuhören würde, würde man die Leute viel besser verstehen, wir würden besser kommunizieren und wir könnten lernen, 90 Prozent unserer Probleme ohne Gewalt zu lösen.

Foto von Peter Tangen