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Gesundheit

Wie du jemandem sagst, dass du ihm eine Krankheit angehängt hast

Ein professioneller Verhandlungsführer, der hauptberuflich mit Terroristen und Geiselnehmerin verhandelt, erklärt, wie man beim Thema Geschlechtskrankheit taktisch klug vorgeht.
Photo by Lumina via Stocksy

Um ehrlich zu sein, kann man meine persönliche sexuelle Karriere bestenfalls als "unspannend" bezeichnen. Wenn ich aber auf eins stolz sein kann, dann dass ich noch nie jemandem eine Geschlechtskrankheit weitergegeben habe. Das bedeutet aber auch, dass ich überhaupt keine – und damit meine ich überhaupt gar keine – Ahnung habe, wie man jemandem so etwas am Besten beichtet. Gleichzeitig berichtet die Initiative Gib Aids keine Chance, dass die Zahl der STI-Infektionen (Syphilis, Gonorrhö und Chlamydien) weltweit wieder zunehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand von uns im Lauf seines Lebens diese Art von Gespräch führen muss, ist also nicht gerade unwahrscheinlich.

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Aus diesem Grund habe ich mich an Ben Lopez gewandt, einen professionellen Verhandlungsführer und Autor des Buchs The Negotiator. Lopez fliegt seit mehreren Jahrzehnten um die ganze Welt und verhandelt im Falle einer Geiselnahme mit Terroristen und Verbrechern. Deswegen dachte ich mir, wenn jemand weiß, wie man in brisanten Situationen einen kühlen Kopf bewahrt, dann Lopez.

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Zunächst musst du dir klar machen, wessen Schuld das Ganze ist: deine. Es ist einzig und allein deine Schuld, erinnert mich Lopez mehrmals während unseres Telefonats. Halte dir dein volles Schuldeingeständnis immer direkt vor Augen. Nur wenn es dir wirklich ehrlich leid tut, kommst du vielleicht unversehrt aus der Sache raus.

"Das liegt aber dann an ihnen, nicht an dir. Es geht nicht darum, dass du dich besser fühlst oder kein so schlechtes Gewissen mehr hast", sagt Lopez nüchtern. "Außerdem musst du genau darüber nachdenken, wie du es ihnen sagst." Es macht also durchaus Sinn, im Vorfeld verschiedene Möglichkeiten im Kopf durchzuspielen.

Doch was ist, wenn du dich noch nicht einmal genau daran erinnern kannst, wie dein One-Night-Stand aussah – mal ganz abgesehen davon, dass du Schwierigkeiten hast einzuschätzen, wie emotional dein Gegenüber reagieren wird? Lopez ist unerbittlich. "Wenn du sie gut genug kennst, um ihnen eine Geschlechtskrankheit anhängen zu können, wirst du dieses Risiko wohl eingehen müssen."

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Lopez empfiehlt, derartige Nachrichten immer persönlich zu überbringen ("Das ist eine Sache von Respekt"). Wenn ihr euch aufgrund der räumlichen Distanz nicht persönlich treffen könnt, dann ruf an – schreib auf keinen Fall nur eine Nachricht. Als Treffpunkt für das an sich in jedem Fall unangenehme Gespräch sollte man einen Ort aussuchen, an dem man in so einer Situation selbst gerne wäre. Lopez empfiehlt im Zweifel aber immer, sich bei dem anderen zu Hause zu treffen. "Auf diese Weise kannst du gehen, wann du willst. Wenn du es ihnen bei dir zu Hause sagst, müsstest du sie im Zweifel am Ende noch rauswerfen. Das ist viel schwieriger. Wenn du dir allerdings Sorgen machst, dass sie negativ reagieren oder sogar aggressiv werden könnten, dann triff sie besser an einem öffentlichen Ort, zum Beispiel in einem Café."

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Wider Erwarten schlägt Lopez vor, dass man sich vorab nicht allzu große Gedanken darüber machen sollte, was man sagt. Wie in so vielen zwischenmenschlichen Situationen bietet sich auch hier an, auf sein Bauchgefühl zu hören.

"Beginn das Gespräch mit: 'Ich habe schlechte Neuigkeiten', und sag dann einfach, was los ist", sagt Lopez. "Lass dir nicht zu viel Zeit zwischen 'Ich habe schlechte Neuigkeiten' und dem Überbringen der schlechten Neuigkeiten. Das steigert die Nervosität des anderen nur unnötig."

Vermeide ausweichende oder unklare Formulierungen – das ist schließlich kein Pressetermin im Weißen Haus. "Drück dich so klar und deutlich wie möglich aus und verzichte auf Euphemismen. Meiner Erfahrung nach können Menschen die Wahrheit durchaus vertragen. Es ist viel schlimmer, etwas vertuschen zu wollen." Der Experte hält es allerdings nicht für nötig, schon beim Ausmachen des Treffens anzukündigen, dass man schlechte Nachrichten zu überbringen hat. "Kannst du dich noch daran erinnern, wie es war, wenn du als Kind wusstest, dass du eine Spritze bekommen wirst? Das war schrecklich", erzählt er. "Das Beste ist, Kindern vorher nichts von der Spritze zu sagen, um sie nicht unnötig auf die Folter zu spannen."

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Ich beknie Lopez, mir ein paar grundsätzliche Formulierungen zu verraten, die man sich ausdrucken und an den Kühlschrank heften kann. "Sag einfach: 'Es tut mir leid, ich habe dir eine Geschlechtskrankheit weitergegeben'", antwortet er. "'Das wollte ich nicht. Ich wusste damals aber nicht, dass ich eine hatte. Wenn du willst, dass ich dir helfe, tue ich das gerne.'"

Doch was ist, wenn man alle Ratschläge befolgt und das Gespräch trotzdem schrecklich schiefläuft – zum Beispiel, weil die andere Person in Tränen ausbricht und nicht mehr zu beruhigen ist, während man selbst unruhig von einer juckenden Arschbacke auf die andere rutscht?

"Im Endeffekt haben sie jedes Recht, sauer zu sein", sagt Lopez. "Du hast ihnen immerhin eine Geschlechtskrankheit verpasst. Du hast es also wahrscheinlich auch verdient."


Foto: freestocks.org | Pexels | CC0