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The Issue That Cares

Pili Power

Geobacter sulfurrenducens sind Bakterien, die in Kolonien unter der Erde leben—dort, wo es keinen Sauerstoff gibt.

Eine Nahaufnahme der mikrobischen Nanodrähte, die eines Tages synthetische Stromleiter ersetzen könnten. Jede Ähnlichkeit mit einem Penis ist rein zufällig. Abbildung mit freundlicher Genehmigung von UMass Amherst, Anna Klimes und Ernie Carbone Mark Tuominen ist Professor für Physik an der Universität von Massachusetts in Amherst. Kürzlich arbeitete er mit einem Team aus Physikern und Mikrobiologen zusammen, die entdeckt haben, dass das Bakterium Geobacter sulfurreducens Strom leitet und eines Tages langweilige alte Metalldrähte und Batterien ersetzen könnte. Geobacter sulfurrenducens sind Bakterien, die in Kolonien unter der Erde leben—dort, wo es keinen Sauerstoff gibt. Sie atmen nicht, indem sie Luft holen, sondern stoßen Elektronen ab und geben sie an die im Boden enthaltenen Eisen- oder Magnesiumatome weiter, die die Elektronen aufnehmen. Bereits im Jahr 2005 entdeckten wir kleine Nanofilamente, die aussehen wie Haare, aus den Seiten der Bakterienkörper wachsen und elektrisch leitend sind. Das allein war natürlich schon interessant, aber jetzt haben wir in unseren jüngsten Experimenten herausgefunden, dass die Nanofilamente in den Kolonien durch ein metallähnliches Netzwerk miteinander verbunden sind und deshalb auch über sehr lange Distanzen Strom leiten können. Eine einzelne Bakterie ist etwa einen Mikrometer groß, also ein Millionstel von einem Meter (zum Vergleich: Ein rotes Blutkörperchen ist ungefähr sechs Mikrometer groß). Aber ihre Filamente—Biologen nennen sie Pili—können 20 Mikrometer und größer werden. Das allein bestimmt aber noch nicht die maximale Reichweite, denn in der Kolonie berühren die Pili der einen Bakterie die der benachbarten und so weiter. Die Eigenschaften dieses Netzwerks aus Nanodrähten sind vergleichbar mit den in Laboren hergestellten synthetisch-organischen Leitern, wie etwa Leuchtdioden. Offensichtlich weiß die Natur, wie man aus Proteinen organische Leiter macht, und das finden wir absolut erstaunlich. Das ist eine unglaubliche Entdeckung! Es wird sicher Anwendungsbereiche für diese Nanodrähte geben, manche liegen in der nahen Zukunft, andere sind eher spekulativ. Unser Wissen über das bakterielle Netzwerk könnte uns schon heute dabei helfen, bessere mikrobische Brennstoffzellen zu entwickeln, die eine organische Quelle elektrischer Energie wären. Später werden wir das Material vielleicht genauer untersuchen und herausfinden, wie die Natur es nutzt. Es ist ein sehr verworrenes Netzwerk, das ein wenig an Spaghetti erinnert, und eine große Oberfläche hat, die auf kleinstem Raum viel Energie speichern kann. Wir beginnen gerade erst herauszufinden, wie wir so etwas schaffen können, aber wir sind noch recht weit von unserem Ziel entfernt. Im Moment haben wir nur diese eine grundlegende Entdeckung gemacht. Wir haben noch zu wenig mit dem Material herumgebastelt, um sagen zu können, ob noch mehr Kapazitäten in ihm stecken oder ob das Maximum bereits erreicht ist. Im Moment verstehen wir das System noch nicht ganz. Zwar konnten wir viele Eigenschaften der Nanofilamente messen und feststellen, dass sie sich wie organische Leiter verhalten, aber wir haben noch keine Details über die atomare und molekulare Struktur der Pili. Wir werden also viel Biologie und Physik betreiben müssen, um ihre Struktur zu entschlüsseln, und werden dann vielleicht auch herausfinden, wie man sie replizieren kann. Werden in Zukunft im Bereich der Elektronik anorganische durch organische Materialien vollständig ersetzt? Ich würde sagen wahrscheinlich nicht. In die hochleistungsfähige Siliziumelektronik ist eine Menge Arbeit investiert worden und wenn es um Computer oder Handys geht, dann ist Silizium unschlagbar. In anderen Fällen geht es allerdings vor allem um die Kostenfrage, etwa bei Solarzellen. Ich glaube, wir werden eine Vielzahl organischer Materialien einsetzen, denn Siliziumsolarzellen sind einfach zu teuer und darum findet man sie auch nicht überall auf den Dächern. Diese Bakterien aber können uns einen Weg weisen, elektrische Leiter aus ganz gewöhnlichem, natürlichem Material herzustellen, und sie sind offensichtlich sehr effizient, weil sie sehr wenig Energie benötigen, um aus den Rohstoffen sich selbst und Elektrizität zu produzieren. Es ist ganz sicher ein effizienter Weg, um Materialien herzustellen. Die Frage ist nur, wie wir ihn nutzen können.