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Interview mit einem weißen, falschen CEO in China

Jeder Investor kann dir ein Lied davon singen. Bereit richtig loszulegen - Milliarden stehen zur Verfügung - fliegt man nach Shanghai, fährt zum Hauptsitz der Firma, geht entschlossen in die Aufsichtsratversammlung, nur um dann mit Schrecken und Graus zu realisieren, dass hier alles voller Chinesen ist. Dieses Problem hat anscheinend den chinesischen Firmen schon so viel gekostet, dass sie sich entschlossen haben etwas dagegen zu unternehmen.Und was ist die Lösung? Hohl dir einen weißen Schauspieler, gib ihm einen $ 3,000 Anzug und lass ihn den Chef der Firma spielen. Die Schauspieler bekommen ein paar hundert Dollar für tolles Auftreten und große Reden, was gleichzeitig den ausländischen Investoren das Gefühl von Sicherheit gibt, dass eben nur ein Weißer geben kann, was wiederum der chinesischen Firma einige Millionen einbringt. Unterm Strich: Alle gewinnen.

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Ich zog also los um solch einen Schauspieler zu finden und ließ eine Anzeige in einer Pekinger Zeitung, schalten, damit alle verstanden was ich suchte. Ich bekam auch einige Emails von eben solchen Schauspielern, viele mit Photo, die Arbeit suchten (unter ihnen auch einer, der wegen des besteigens des Eiffelturms immer noch den Weltrekord aus 1989 hält). Ich bekam auch eine Nachricht von einem Mann, der genug Informationen über die verschiedensten Korruptionswege in China besaß um „mich vollkommen umzuhauen“, Informationen, die er nur für einen ziemlich hohen Betrag hergeben würde. Endlich fand ich einen im Ausland lebenden Schauspieler namens Don.

Vice: Kannst du mir bitte deinen Namen, Alter, und Herkunft sagen?

Don: ich bin 79 Jahre alt und komm aus den USA

Wie hast du zum ersten Mal davon gehört, dass chinesische Firmen Schauspieler anheuern?

Das meiste kam eigentlich von „That’sBJ“ oder „The Beijinger“

Was für Rollen hast du schon gespielt?

Wenn du mich so fragst, dann war ich schon der Besitzer von großen Firmen, war eben auch für alles zuständig und durfte als Berater arbeiten. Die chinesischen Firmen hohlen sich solche Leute damit sie diese Firma nach außen hin repräsentieren. Ich glaube, sie machen es, so um die unnötigen Reisekosten zu minimieren, die jedes mal nötig waren um einen künftigen Partner oder Kunden zu durchleuchten. Ich war früher in vielen Fernsehwerbungen, wo ich an einem Tag einen Nobelpreis gewonnen hatte, und am nächsten einen lebensrettenden Arzt spielen musste.

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War dir je unwohl dabei, diese Firmenchefs von Firmen, die du selbst nicht kanntest, zu spielen?

Nicht wirklich, da ich die eigentliche Firma immer übers Internet finden konnte. Alle Berichte die ich schreib gingen ja in die Hauptfirma. Du kannst ja nicht so tun als gehöre dir eine Firma – man kann sie nur repräsentieren. Und wenn der Deal gut aussah dann kamen auch die richtigen Leute und übernahmen.

Warum glaubst du, dass ein Weißer einen so viel sicheren Eindruck auf ausländische Investoren macht als ein Chinese?

Bei mir war es so, dass ein Ausländer in eine chinesische Firma investieren wollte. Wenn so eine Firma von anderen Ausländern geführt wird, dann zeigt es den Investoren, dass hier alles so läuft wie zu Hause. Natürlich hat das auch viel mit der Art des Unternehmens zu tun und was für eine Erfahrung nötig ist um alles in die Wege zu leiten.

Hast du irgendwelche komischen Erfahrungen gemacht? Oder wurdest du jemals von den jeweiligen Investoren erwischt jemand zu sein der du nicht bist?

Meistens waren es alles eher kleine Dinge, doch einmal war es eine Firma die komplett unecht war. Diese Geschichte hat eigentlich Buchformat, also wenn du willst kann ich sie dir erzählen.

Bitte, dass hört sich doch interessant an. Los geht’s.

Vielleicht ist unecht das falsche Wort um diese Firma zu beschreiben. Sie war einfach nur skrupellos. Es gab da ein chinesisches Unternehmen, dass ein großes Büro hatte und nur für ihre jeweiligen Operationen Leute anheuerten. Man wurde knapp eine Stunde vor solchen „meetings“ angerufen und dann würde dir noch einen Übersetzer an die Seite gestellt, damit du dann Fragen über das heutige Geschäft beantwortest. Es ist mir schon immer aufgefallen, dass es einem nicht erlaubt war, die anderen Schauspieler zu treffen – und es gab da auch Frauen - aber so war es eben. Sie würden dir am Ende jedes Monats ein Gehalt überweisen, was davon abhing wie viele Stunden du gearbeitet hast.

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Die meisten Klienten waren chinesische Firmen, die Kapital für ihre eigene Firma suchten oder eben Investoren in gewissen Teilen der Großindustrie wie zum Beispiel Elektronik, Zement, etc. Ich habe später erfahren, dass meine Firma von den anderen einen gewissen Betrag bekommt, nur um so ein Treffen zu arrangieren um so die Chance zu bekommen ihre Idee mir, einem Vertreter der Hauptfirma, vorzustellen.

Eines Tages sollte ich für eine Woche nach Chongqing gehen, um zwei verschiedene Firmen, eine Immobilienfirma und eine Gruppe von Doktoren, die eine Krebsklinik bauen wollten, zu treffen. Beide Firmen zahlten unsere ganze Reise, inklusive dem Boss, seinem Assistenten, meiner Übersetzerin, und mir und buchten zwei verschieden Hotels im Voraus – für was die zweite Zahlung war weiß ich nicht. Meine Übersetzerin war ein junges Mädchen dass gerade erst ihre Universität abgeschlossen hatte.

Bei beiden Deals ging es um einige Millionen Yuan und in meinen Augen hatten beide Projekte ziemliches Potential. Alles lief so wie immer, bis in der zweiten Besprechung, der Chef der anderen Firma sagte, dass wenn ich nicht jetzt sofort unterzeichne, ich nie mehr nach Peking kommen würde. Was sollte ich tun? Meine Firma hatte mir einen falschen Namen verpasst und somit kritzelte ich irgendetwas runter. Ich wusste genau, dass ich keinen legal bindenden Vertrag in China unterzeichnen durfte, aber wie wäre ich sonst jemals wieder nach Hause gekommen.

Die Hauptsekretärin meiner Firma rief mich also einige Tage später ins Büro und sagte, dass sie alle sehr zufrieden damit wären, wie ich alles gemeistert hätte, und dass ich ein guter Businessmann wäre. Aber als ich am Ende des Monats mein Geld abholen wollte wurde ich abgewiesen – der Grund war dass sie den Deal in Chongqing nicht bekommen hatten. Sie zahlten meiner Übersetzerin auch nichts und als ich mich beschweren wollte sagten sie mir knapp, dass ich abhauen sollte oder sie würden den Behörden erzählen, dass ich illegal Verträge unterzeichnen würde. Ich packte meinen Hut und stürmte „so long, it was good to know you, but i’ve got to be moving around“ singend aus der Tür.

Und die Moral meiner Geschichte ist: Es gibt einige Chinesen auf der Welt denen du nicht trauen kannst.

Das war jetzt mehr als seltsam, aber danke für die einleuchtende Moral.