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Popkultur

Die Diagonale für Verplante

Das Grazer Filmfestival war lustig, sehr familiär, für Nichtraucher und hatte ein scheiß Ende.

Am Wochenende fand die 17. Ausgabe der Diagonale nach 192 Filmen, davon 44 Uraufführungen und 28 Österreich-Premieren—darunter 104 Popos aus Regiesesseln persönlich vor Ort—ein Ende.

Im Rahmen der Preisverleihungen wurden 165.000 Euro an Ehrungen ausgehändigt und 21.000 Euro bekam Der letzte Tanz von Houchang Allahyari als bester österreichischer Spielfilm. Wir haben nichts von dem Geld gesehen, aber dafür getanzt, Biere geleert und überhaupt eine ganz andere Perspektive des Festivals zu sehen bekommen.

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 Die Schnitzelbeat-Party fand am Freitag im Grazer Nichtraucher-Kunsthaus statt—was die Leute anfangs in Trauben vor dem Eingang anstehen ließ, da sich die Steirer Ökos nicht ihre Rauchware nehmen lassen.

Es war verdammt lustig und familiärer als Weihnachten. Es war sicher halb Wien vertreten, alle kannten einander über wenige Ecken und mit jedem Dub-Schritt traf man ein bekanntes Gesicht.

Der Vorzeige-Schauspieler für proletoide und gewaltgeschwängerte Rollen, Georg Friedrich, hat am 18. März den Großen Diagonale-Schauspielpreis 2014 bekommen und hoffentlich bis zur Nachtschiene-Party durchgefeiert—oder ist der auf dem Foto unten vielleicht doch nur ein Look-alike?

Jedenfalls ein verdienter Gewinn und auch eine Bar-hoppende Erni Mangold mit Entourage habe ich während meiner ersten Gin-Verkostung getroffen. Die 87-Jährige hat für die Darstellung einer Alzheimerpatientin in Der letzte Tanz auch den Diagonale-Schauspielpreis abgestaubt.

Die gesamte Austrian Pulp-Schiene war sehr fein, wobei mich die Visuals auf der Party auch sehr interessiert haben. Die 70er-Nackten samt rapey Biker in Ich, ein Groupie (1969)von Schweizer Regisseur Erwin C. Dietrich und Tarantino-Vorbild Jack Hill, lenkten leicht vom Tanzen ab.

Die Schlangengrube und das Pendel (1967) am Freitag zeigte mir auch neue Welten von Ö-Trash. Besonders cool war Vladimir Medar, der Ron Swanson seiner Zeit, als geistlicher Gauner. Danke an den Mitkurator und DJ Paul Poet!

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Trotz entgegengehender Meinungen sind „The Robot" und der „Jacko Stance"-Schrei absolut legitime Tänze und wir würden gerne mehr davon sehen.

Nach gefühlten 1000 Seiterln wurde mir dann doch auch die Kamera zu schwer und statt mir fotografierte eine liebe Kollegin ganz in unserem Sinne nette Damen beim „Serious Dance".

Im Hotel fühlt man sich dann wie ein Zar und mit der Gewissheit, dass man das inkludierte Frühstück verschlafen wird, schläft man dann bei Jahrhunderte alter Literatur über Zukunftsentwicklung ein.

Graz ist nicht anders—bestenfalls sind die Grazer anders. Sie sind Kulturschlampen und sehr attraktiv. Ein besonders hochgewachsener Typ sah sogar aus wie Jeff Goldblum. Die von Feinstaub geplagte Stadt und Diagonale-Host ist der perfekte Besucherort, besonders wenn man seine existentielle Infrastruktur aus Wien direkt mit dabei hat, wie Rad, Internet und einen großen Freundeshalbkreis. Graz hat mich verzaubert, auch wenn (oder gerade weil) es aus der Billard-Bar „Immervoll!" neben meinem Fenster die Nacht durch betrunken dröhnte und die Stuckfassade vom Swarovski-Hauses mit nichts anderem als „Hämorrhoidenwand" betiteln kann.

Kurz gesagt, die meisten von uns Nicht-Steirern müssen nicht weit fahren, um sich infantil über Lederhosenwerbung und lustige Politikernachnamen zu amüsieren. Negativ ist dann nur noch aufgefallen, dass der Prozentsatz an Leuten, die den dämonisch nervigen Pfeif-SMS-Ton „Ray" von Samsung nutzen, um ihre Mitmenschen zu peinigen, hier doch sehr hoch ist.

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In diesem türkisen Traum eines VW-Golfs machten eine Flasche süßer Weißwein und Schreie, um die Euphorie des Roadtrips ins schöne Steirerland zu unterstreichen, die Runde. Wir sind ein spaßiges Diagonale-Tag-Team gewesen, obwohl der Vergleich, dass es wie bei Spring Breakers zugehen würde, eher hinkte. Ohne Drogen im Neonbikini und ohne Riff Raff-Franco glich unsere Intensität doch eher der von Eis am Stiel 3.

Herzlichen Dank an alle Kuratoren, Lenkerinnen und Freunde des Festivals. Die Diagonale ist echt symphatisch und sollte Cannes in Zukunft mehr Konkurrenz machen.

Postskriptum möchte ich doch noch was Ernstes erwähnen, und das ist jetzt echt kein blöder Schnappschuss-Witz. Eine unschöne Wendung und ziemliche Tragödie haben für manche von uns die Diagonale-Feierlichkeiten getrübt, da am Samstagnachmittag zwei Steirer in ihrem Privatflugzeug tödlich verunglückt sind. Die Nichte einer der beiden Männer ist eine gute Freundin von mir und war zufällig mit uns am Festival. Die Grazer Familie des Opfers war vor dem Unglück sogar so nett, Freunden wie auch mir einen Schlafplatz anzubieten. Es ist echt absurd und sehr traurig. Es tut mir sehr leid, Julia (Zitat: „Fick dich, Welt").

Fotos von VICE Media

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