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Schweinefleisch

Schweinefanatiker aller Länder, vereinigt euch!

Weltberühmte Chefköche wie Thomas Keller vom French Laundry in New York preisen das Mangalica-Schweinefleisch als das „Kobe-Rind unter den Schweinen“, ein halbes Kilo Filet wird mittlerweile für 45 Euro gehandelt. Ich habe ein Wochenende mit dem Retter...

Das erste Mal traf ich Peter Toth, den Retter des ungarischen Nationalschweins, in einem Thai-Restaurant, und keiner von uns beiden ass Schwein. Aber während unseres zweistündigen Treffens hat er mich der Mann mit den leuchtenden Augen mit einer solchen Flut von Informationen und Anekdoten über das berühmte Mangalica-Schwein bombardiert, dass ich keinen Zweifel mehr hatte—er ist ein echter Schweinefanatiker.

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Von der Existenz des Mangalica-Schweins erfuhr ich, als ich seinen Namen auf einer Speisekarte in Budapest sah. Ungarn lieben Schweinefleisch, doch das Mangalica taucht nur auf ausgewählten Speisekarten auf. Das liegt daran, dass diese Schweinerasse vor nicht allzu langer Zeit fast ausgestorben wäre. Seit Kurzem erlebt das Mangalica jedoch eine beispiellose Renaissance: Weltberühmte Küchenchefs wie Thomas Keller vom French Laundry in New York preisen sein Fleisch als das „Kobe-Rind unter den Schweinen", ein halbes Kilo Filet wird mittlerweile für 45 Euro gehandelt, und von Österreich bis in die USA schießen neue Mangalica-Schweinezuchten aus dem Boden.

Das Besondere an den wolligen, schafartigen Mangalica-Schweinen ist ihr hoher Anteil Fett, das im Mund schmilzt und voller Omega-6-Fettsäuren ist. Deswegen gilt das Mangalica-Schwein als überragend reichhaltig im Geschmack.

Ohne Peter wäre diese Erfolgsgeschichte nie passiert. Ein paar Tage nach unserem ersten Treffen lud er mich zur Besichtigung einer Mangalica-Schweinefarm im Rahmen der „Fatty Pig"-Konferenz ein, bei der Liebhaber fetter Schweine aus der ganzen Welt zusammenkommen. Gemeinsam mit einem Freund schloss ich mich der Gruppe an, in der auch Leute aus Vietnam, Südafrika, Rumänien, Thailand, Griechenland und Japan waren.

Der Bus, der uns zu den Schweinen bringen sollte, fuhr an einem strahlenden Samstagmorgen los. Auf der Fahrt hörten wir, dass in Ungarn jedes Jahr 70.000 Mangalica-Schweine geboren werden und dass die Schweine in drei Farbtönen zur Welt kommen (blond, rot oder schwalbenbäuchig bzw. schwarzweiß). Die Schweine verbringen ihr ganzes Leben frei laufend auf kleinen Farmen wie der, zu der wir gerade unterwegs waren, und werden dort auch geschlachtet. „In Ungarn werden mehr als eine Million Schweine auf dem Hof getötet und gegessen", erklärte Peter. „Auf den Dörfern ist das eine typische Beschäftigung. Sogar Chefköche mieten kleine Farmen an, um vor Ort zu schlachten und einen Tag lang aus der Nase bis hin zum Schwanz ausgezeichnete Gerichte zuzubereiten. Es ist eine interessante Kombination der alten Schweinerasse mit der modernen gehobenen Küche."

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Peters persönliche Mangalica-Geschichte begann im Jahr 1991, als er in Spanien studierte. „Ich kam auf die Idee, als ich mich mit einem spanischen Freund [Juan Vicente Olmos Llorente] über die Nachfrage nach fettigerem Schinken wie dem spanischen Serrano-Schinken unterhielt." Die beiden hatten den Plan, „nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Staates und dem Beginn der freien Marktwirtschaft etwas zu starten." Als Peter sah, dass es nur noch wenige Mangalica-Schweine gab und ihm „klar wurde, dass man bald die letzten Tiere töten und essen würde", rief er seinen Freund Juan an und traf eine „historische Entscheidung": Er beschloss, 35 ungarische Mangalica-Schweinen zu kaufen. Und so befanden sich zwischen 1991 und 1998 fast alle der lebenden Mangalica-Schweine weltweit in seinem Besitz. 1994 gründeten sie das Unternehmen Toth and Olmos und züchteten weiter.

Die ersten Mangalica-Schweine wurden vom österreichisch-ungarischen Kaiser Franz Joseph persönlich gezüchtet. 1833 kreuzte er ungarische und serbische Schweine und brachte diese fetthaltigen Mangalica-Geschöpfe hervor. Sie wurden zur verbreitetsten Schweinerasse in Ungarn, und das reichlich vorhandene Schweineschmalz versorgte die Menschen während der industriellen Revolution. Mangalica-Schweine waren bis in die 1950er und 1960er Jahre sehr beliebt, doch dann änderte sich der Geschmack und die Leute verlangten nach mehr Fleisch und weniger Fett. Während der Zeit des Kommunismus, erzählte mir Peter, „wurde der Verzehr von Mangalica-Fleisch als Unart betrachtet." Aber die Geschmäcker haben sich erneut gewandelt—Peter ist heute der Präsident der ungarischen Mangalica-Gesellschaft, die 170 Mitgliedsfarmen hat.

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Als wir in Cserépváralja, einem Dorf etwa 150 Kilometer von Budapest entfernt, ankamen, fanden wir 25 schwalbenbäuchige (bzw. dunkle) Mangalica-Schweine vor, die sich von uns streicheln ließen und an den Schuhen der Japaner knabbern wollten. In der Zwischenzeit wurde ein 150 Kilo schweres Schwein, das vom Farmbesitzer Kristof totgeschossen worden war, vor dem Haus neben bellenden Hunden gereinigt. Während wir Pflaumen-Pálinka tranken, erklärte uns Kristof, dass man die Schweine traditionellerweise mit einem Messer schlachtet, nach Europarecht aber nur der Kopfschuss erlaubt ist.

Peter ergänzte: „Traditionellerweise stehst du um vier oder fünf Uhr morgens auf, trinkst einen starken Pálinka, nimmst ein Schwein und kämpfst vier oder fünf Stunden mit ihm, bis das Schwein schreit und heult." Nach dem dreistündigen Säuberungsprozess wurde das Mangalica-Schwein für eine Gruppe gut gelaunter Amerikaner aus Chicago gebraten. Auf die Frage, wie ihnen alles gefällt, sagten sie: „Es ist wie Thanksgiving."

Dann ziehen wir weiter zu einer anderen Farm, und Peter erklärt, dass es sehr wichtig ist, das lebende Schwein und den Schlachtvorgang zu zeigen. Selbst viele Chefköche wissen nicht, wo sich der Nacken und die Lenden befinden.

Mittlerweile sind wir bei der Mangalica-Farm von Benedek Vass in Bükkzsérc angekommen. Benedek, der sich sichtlich freute, Peter zu sehen, erwartete uns am Gatter und Peters Fahrer verteilte Plastik-Schuhüberzieher. Als wir sie angezogen hatten, erzählte Peter, dass er sich mit seiner kleinen Farm, auf der er 20 blonde Säue hielt, auf handgefertigte Produkte spezialisiert hat.

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Seine blonden, schafähnlichen Schweine waren nicht so freundlich wie die von Kristof, was vielleicht daran lag, dass wir sie beim Eichelessen störten. Peter erklärte, dass der Geschmack des Schweinefleisches auf das Futter zurückzuführen ist. „Diese Schweine mögen Eicheln und Pflaumen. Normalerweise wird in Ungarn eine traditionellere Mischung aus Mais, Gerste, Weizen und Luzerne verfüttert."

Während des Mittagessens, das aus Kohleintopf mit Hackfleisch und Mangalica-Würstchen bestand, legte Peter seine Sicht der Zukunft der Fisch- und Fleischindustrie dar. „Wir rotten die Sardinen-Bevölkerung im Atlantik aus, um in der Nordsee Lachs zu züchten. Es ist eine Katastrophe, die den Leuten als politisch korrekt verkauft wird, indem gesagt wird, dass der Fisch aus dem freien Meer kommt, aber das ist nicht wahr." Er wies darauf hin, dass Fische—anders als pelzige Tiere—nicht schreien oder heulen können. „Kein Schweigen der Lämmer, sondern Schweigen der Fische", scherzte er.

Er sieht auch die Zukunft des normalen weißen Schweins düster. „In den USA", erklärte er, „hat die Lebensmittelüberwachungsbehörde Schweinefleisch als weißes Fleisch deklariert, was unsinnig ist, denn das Schwein kann der Konkurrenz zum billigeren, sichereren und gesunderen Hühnerfleisch nicht standhalten." „Wenn sich die Dinge nicht ändern", verkündete er, „wird das weiße Schwein untergehen." Die Zukunft des Mangalica-Schweins ist jedoch „aussichtsvoller, die Nachfrage steigt sehr stark."

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Mittlerweile war ich bei meinem vierten Glas von Benedeks hausgemachtem Wein angelangt, auf den er sehr stolz ist. Auch bei den anderen machten sich die Auswirkungen des Alkohols bemerkbar. Peter lenkte die Aufmerksamkeit jedoch wieder zurück auf die Schweine und schlug der Tischgesellschaft vor, eine internationale Organisation für Fettschwein-Wissenschaftler zu gründen. „Ich empfehle, dass ihr euch zusammenschließt und euch mit den fetten Schweinen erhebt."

Als sich seine Worte bei den Teilnehmern gesetzt hatten, ergriff unser kräftiger Gastgeber Benedek das Wort und führte uns für weitere Weinproben in seinen Weinkeller. Inzwischen hatten alle ein paar Gläser zu viel, und als wir um den Steintisch im runden kappadokisch-höhlenartigen Raum saßen, fingen einige an zu singen. Benedek und sein Freund fingen mit ungarischen Liedern an, die von Luckys und Ayandas südafrikanischem Duett nicht übertroffen werden konnten, nur die Japaner beeindruckten uns noch mit ihrem eigenen Lied. Die Stimmung stieg sogar noch, als wir über den Hof zum eigentlichen Weinkeller gingen.

In einem Keller, dessen Wände komplett mit einem von Benedek liebevoll „Zigeunerfotze" genannten Pilz bewachsen waren, lagen Dutzende Fässer Wein gelagert. Als uns Benedek mit seinem penisförmigen Trichter einschenkte, lachte sich Lucky beinahe tot, Valentin probierte bedächtig alle Jahrgänge durch und die Japaner erwiesen sich als standfeste Trinker, die lässig ein Glas nach dem anderen entgegennahmen.

Unsere Schweinetour geriet etwas aus den Bahnen. Auch Peter war das eher peinlich, aber er betonte, dass die Gastfreundschaft, die wir hier erlebten, typisch für Ungarn sei.

Als wir alle Weine der letzten zehn Jahre durchprobiert hatten, stolperten wir wieder nach draußen. Dort lud uns ein Mann von einem benachbarten Weinkeller ein, auch seinen Wein zu probieren. Nachdem ein paar wenige standfeste Gruppenmitglieder auch diese Weinprobe mitgemacht hatten, ging die Sonne bereits unter. Wir mussten zum Bus eilen und schliefen dort rasch ein.

Zurück in Budapest gingen wir am KNRDY vorbei, einem der besten und teuersten Steakhäuser der Stadt, das uns von Peter empfohlen worden war. Wenn man kein Problem damit hat, 40 Euro für 600 Gramm zu bezahlen, könne man hier das beste Mangalica-Kotelett essen. Da Peter sich für einen stärkeren Bezug zum Schwein und für die Verbindung von Farmen und noblen Stadtrestaurants eingesetzt hatte, schloss sich gewissermaßen ein Kreis für mich.