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Essen

Ein Abendessen in Pjöngjangs kambodschanischer Außenstelle

Pjöngjang ist nicht nur eine Stadt in Nordkorea—es ist auch der Name einer Restaurantkette in Südostasien, die vom nordkoreanischen Regime betrieben wird. Die Restaurants sind für traditionelles, nordkoreanisches Essen genauso bekannt wie für...
Photo via Wiki Commons

Der Monivong Boulevard ist eine geschäftige Verkehrsstraße im Herzen von Phnom Penh, Kambodscha. Es wäre also ziemlich leicht, an dem unauffälligen Restaurant vorbeizugehen, das auf den ersten Blick wie jeder andere Essensschuppen der Khmer aussieht. Aber da ist dieses große Plakat, das besagt, dass es zwischen dem Restaurant und der unterdrückerischsten Regierung der Welt eine Verbindung gibt. Willkommen im „Pyongyang", ein kleines Stück Nordkorea in Kambodscha.

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Foto: Todd Brown

Tatsächlich ist es eines von einem Dutzend oder noch mehr Pyongyang-Restaurants in Südostasien—alle im Besitz und betrieben von der nordkoreanischen Regierun. Die Belegschaft der Restaurants besteht aus echten Nordkoreanern und es herrscht der weit verbreitete Glaube, dass die Einrichtungen zur Geldwäsche genutzt werden und geheime Informationen zurück an Kim Jong-un liefern. Bei TripAdvisor hat das Restaurant in Phnom Penh 3,5 Sterne.

Ich habe eine Reservierung um 19:00 Uhr und schaue, dass ich pünktlich bin—ich glaube, dass Zuspätkommen von Totalitaristen nicht gerne gesehen wird. Ob nun trotz oder wegen der Tatsache, dass das Restaurant von einer Diktatur betrieben wird, sind die Räumlichkeiten dank einer mit kleinen Glühbirnen übersäten Decke strapaziös hell beleuchtet. Vielleicht soll das dazu dienen, dass selbst hinterlistige Leute aus dem Westen das Fotografierverbot nicht missachten.

Ein Dutzend bezaubernde Frauen, die die gleichen grünen Nadelstreifenröcke und fest geknoteten Pferdeschwänze tragen (sie sehen eher wie Flugbegleiterinnen als Kellnerinnen aus), gleiten alle vom einen Glastisch zum nächsten und unterhalten sich dabei lebhaft mit den chinesischen, japanischen und südkoreanischen Gästen. An meinem Tisch sitzen die einzigen hellhäutigen Leute und wir werden die meiste Zeit ignoriert. Die Wände zieren Gemälde von Wasserfällen, Bergen und Tigern. Im vorderen Teil des Raumes gibt es ein Schlagzeug, einen Synthesizer und ein Mischpult. Es wird kein koreanisches Bier serviert, dafür jedoch Hund.

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Ein Freund von mir empfiehlt die „feinsten Beef-Rippchen" trotz des überteuerten Preises von umgerechnet 18 Euro (ein gutes Abendessen in Phnom Penh kostet normalerweise zwischen zwei und sechs Euro). Also bestelle ich die Rippchen, zusammen mit Pyongyang-Nudeln und einem Bier der Marke „Tiger". Die Kellnerin bringt uns Essstäbchen aus Plastik, ein schlechtes Zeichen laut einer Frau an unserem Tisch, die in Seoul Englisch lehrt. Sie erklärt uns, dass in Südkorea jeder Metallstäbchen benutzt, weil diese die Farbe ändern, wenn das Essen vergiftet ist. Ich denke mir: „So geht es also zu Ende."

Die Kellnerinnen bekommen Trinkgeld wie anderswo auch. Aber sie behalten nicht viel von dem, was sie verdienen. Dies behauptet Sheena Chestnut Greitens, eine auswärtige, leitende Angestellte am Brookings Institut, die seit Jahren Nordkorea und seine Restaurants im Ausland untersucht. „In Nordkorea wird von dir erwartet, dass du Geld zurückgibst", erzählte sie mir. „Wenn du im Ausland etwas verdienst, überlässt du der Regierung und der Kim-Familie eine ‚Spende der Loyalität'. Man macht vielleicht ein paar hundert Euro im Monat, aber davon bekommt die Regierung zwischen 50 und 80 Prozent—um ‚Kosten' zu decken."

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht einer südkoreanischen Forschungsgruppe schätzt, dass Nordkorea durch die exportierten Arbeitskräfte—das Land schickt auch Doktoren, Krankenschwestern und Arbeiter nach China, Russland und in den nahen Osten—zwischen 110 und 170 Millionen Euro pro Jahr einnimmt.

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„Seit der Mitte des letzten Jahrzehnts hat Nordkorea die Arbeitspräsenz im Ausland erhöht, und das schließt auch die Restaurants mit ein", sagte Greitens. „Die Elite der Stadt Pjöngjang braucht das Geld, um sich all die Dinge zu kaufen, damit sie weiter ein Leben im Luxus führen können."

Als die ersten Speisen an den Tisch kommen, wird es immer komischer. Drei der Kellnerinnen kommen aus einer Seitentür, bewaffnet mit Mikrofonen und Blumensträußen. Sie singen dann ein Lied und führen einen Tanz auf, was mich an südkoreanischen K-Pop erinnert. Anschließend verteilen sie unter tosendem Applaus die Blumen und verschwinden, nur um ein paar Minuten später wiederzukommen und mehr Essen zu servieren. Ich kann nicht anders als mich zu fragen, ob das nicht alles einfach eine Taktik ist, die Gäste davon abzulenken, dass unsere Essstäbchen kein giftiges Essen anzeigen können.

Entertainment gibt es während des gesamten Essens, inklusive Stepptanz, R&B-Crooning, Pirouetten, Tamburine mit explodierenden Schleifen und einem rockigen Geigenspieler. Das Essen ist nicht exzellent, aber hier ist auf jeden Fall der einzige Ort der Stadt, an dem man authentische nordkoreanische Fressalien bekommt. Die Spezialität des Hauses, „Pyongyang Cold Noodles", ist auf den Punkt gekocht und besitzt genau das richtige Maß an Würze. Das Kimchi schmeckt genau so wie das, das ich in den USA im Glas kaufe und die gefüllten Teigtaschen schmecken wie … gefüllte Teigtaschen. Der Pak Choi, gesimmert in Austernsoße, ist mein Favorit.

Die Show endet, als ein Mädchen in einem Mariachi-Outfit Minuten lang umher wirbelt. Als sie fertig ist, springt ein betrunkener Südkoreaner in einem G-Star Raw Shirt auf die Bühne und überreicht einen Strauß, der meines Erachtens mit einem großzügigen Trinkgeld für seine Lieblingskellnerin vollgestopft ist.

Nach dem Essen verteilen sich die nordkoreanischen Frauen im Publikum und albern mit allen Gästen außer uns herum. Also bitte ich eine von ihnen zu uns, ihr Name ist Kim Gyong Hwa. Sie sagt, dass sie auf eine Musikschule ging und zur Zeit über dem Restaurant wohnt, was laut ihr „schön" ist. Ich bin froh, das zu hören, denn die Angestellten des Restaurants dürfen das Grundstück nicht verlassen, bis sie wieder zurück nach Nordkorea gehen. Für Kim steht nächstes Jahr die Heimreise an.

Sie entschuldigt sich höflich und geht zurück an den Tisch mit den Südkoreanern. Immerhin hat sie noch einen Job zu erledigen, auch wenn das Abendessen und die Show vorbei sind: Zusätzlich zu ihren ausgezeichneten Fähigkeiten als Bedienungen und Musikerinnen haben die Kellnerinnen Berichten zufolge auch außerordentliches Geschick beim Rekrutieren von Südkoreanern, die dann Spione für die nordkoreanische Regierung werden.