Für ein seit 45 Jahren bestehendes Familienunternehmen ist die Website des LPT geradezu lächerlich spartanisch: Keine Fotos, keine Projekte, nur ein Login-Bildschirm. Der Internetauftritt des wohl größten deutschen Auftragslabors für Tierversuche mit Sitz in Hamburg ähnelt einem dezenten Mittelfinger im überbordenden Online-Informationsmeer. Fragen an das Unternehmen werden konsequent abgewimmelt—pardon, „weitergeleitet."
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Seit über einem Jahr protestieren Tierrechtsaktivisten und Anwohner in einer Bürgerinitiative vor Ort gegen das Labor, in dem jährlich tausende Tiere für die Entwicklung von Chemikalien, Kosmetik- oder Pharmaprodukten „verbraucht" werden. Dreimal pro Woche versammeln sie sich vor dem Labor zu einer Mahnwache, für dieses Wochenende ruft das Bündnis LPT schließen nun zu einer weiteren überregionalen Demonstration auf.Das Unternehmen, dessen Kapazitäten unter den deutschen Auftragslaboren mit Abstand am größten zu sein scheinen, weigert sich dennoch beharrlich, Informationen über die Laborbedingungen preiszugeben. Die Zustände auf dem am Rande einer Rotklinker-Reihenhaussiedlung gelegenen Gelände kennt nicht einmal der Bürgermeister der Gemeinde. Trotz mehrfacher Nachfrage wurde ihm der Zutritt zu LPT bis heute verwehrt. Als Unternehmen der freien Wirtschaft ist das toxikologische Labor scheinbar nur seinen Kunden Rechenschaft schuldig.
Eine kurze Abfrage bei der Way Back Machine fördert eine umfangreiche und mittlerweile aus dem Netz genommene Homepage zu Tage und gibt Einblicke in eine gar nicht lange zurückliegende Zeit, in denen LPT mit seinen Angeboten etwas offenherziger umging. Noch 2013 hieß es auf der Webseite beispielsweise:„200 Angestellte testen für Sie Mittel für den tierärztlichen und menschlichen Gebrauch, industrielle Chemikalien, Pestizide und Nahrungszusätze".In betriebsamen Zeiten leben mehr Labortiere als Menschen in Mienenbüttel
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Auch dieser Angabe fehlt es allerdings an der letzten detailreichen Präzision. Es sind nämlich genau genommen nicht die Angestellten des LPT, die „für Sie" Chemikalien auf ihre Giftigkeit testen, sondern ein schier unerschöpflicher Vorrat an zehntausenden Mäusen, Ratten, Meerschweinchen, Hamstern, Katzen, Schweinen, Fischen, Affen, Vögeln und Hunden.
Im Gegensatz zu den Tierversuchen am Max-Planck-Institut werden die Versuche nicht zur medizinischen Grundlagenforschung durchgeführt, sondern für jeden Kunden aus der Pharma-, Kosmetik- und Chemieindustrie, der dafür bezahlt.In seiner Außenstelle im Hamburger Hinterland konnte LPT laut eigenen Angaben im Jahr 2013 rund 1500 Hunde halten. Dazu kommen große Kapazitäten für die oben genannten Tiere. Die Hunde selbst—robuste und duldsame Beagle—werden extra für die Versuche gezüchtet und im Labor gehalten, wo sie schließlich sterben.Das ist nicht schön, Einem Hund, der Ihnen vertraut, eine Spritze zu geben, so dass er zwei Minuten später verkrampft in Seitenlage daliegt und stirbt
Im Jahr 2012 hat das Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co. KG einen Umsatz von 2,8 Millionen Euro erwirtschaftet. Laut Geschäftsbericht hat LPT weltweit Kunden in mehr als 25 Ländern, darunter Indien und besonders Südkorea—dies sei eine Reaktion auf die gesunkene Akzeptanz für Arzneimittelforschung in Deutschland. Mit dieser leicht pikierten Aussage erschöpft sich dann auch das Mitteilungsbedürfnis des Tierlabors.
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Bis vor wenigen Monaten waren die Beagles in den Außenzwingeranlagen noch für alle Passanten zu sehen, die sich an den Rand des niedersächsischen Neu Wulmstorf-Mienenbüttel verirrten. Seit das Unternehmen Büsche vor den Nato-Draht gesetzt hat, sind die Tiere nur noch zu hören. Wenn der Wind ungünstig steht, allerdings nicht nur am Zaun des Unternehmens, sondern weit in die suburbane Hölle akkurat geschnittener Hecken hinein.Für Deutschlandradio Kultur schilderten mehrere Anwohner des beschaulichen Neu Wulmstorfs vor den Toren Hamburgs, was sie von dem Labor mitbekommen. Die Reaktionen reichen von Gleichgültigkeit bis zu großer bürgerlicher Besorgtheit. Ansonsten bemerken die Dorfbewohner nur periphär, dass das Labor existiert. Ab und zu verlassen große Müllautos das Gelände. Im Übrigen dürften in betriebsamen Zeiten mehr Versuchstiere als Menschen in Mienenbüttel leben.Im Labor bekommen die Tiere Giftstoffe injiziert, per Schlundtrichter eingeflößt oder auf die Schleimhäute gerieben, um beispielsweise zu beobachten, wann sich Lähmungen oder Tumore zeigen. Für wen die Versuche durchgeführt werden, ist nicht gesichert bekannt.Bekannt ist nur Dr. Jost Leuschner, der Geschäftsführer des Instituts—und zwar dafür, auch mal Demonstranten in seinem BMW fast anzufahren, um ihnen ein bisschen Angst einzujagen. Die von vier Organisationen aus der Tierbefreiungsszene getragene Kampagne „LPT schließen" rechnet für den kommenden Samstag mit rund 300 Demonstranten vor der Hauptstelle des LPT bei Hamburg. Dabei klotzen auch die Tierrechtsaktivisten in ihrer Eigendarstellung mit ambitionierten Zielen:
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Und auch die Aktivisten haben kein Problem damit, Tiere für ihren hehren Zweck zu instrumentalisieren: Auf die Frage eines Teilnehmers, ob er seinen Hund auf die Demo mitbringen könne, lautet die Antwort auf Facebook (Schreibweise leicht korrigiert):„[Wir streben] im Gegensatz zum Tierschutz keine Verbesserung der Haltungs- und Tötungsbedingungen von Tieren an, sondern setzen uns für die Abschaffung der Tierausbeutung ein. Der Fokus der Kampagne LPT-Schließen auf den Bereich Tierversuche ist hier aus strategischen Gründen gewählt".
Auch auf unsere mehrfachen Nachfragen demonstrierte LPT seinen Unwillen, jegliche Auskunft über die Arbeit zu erteilen; nicht für uns, nicht für anfragende Parteien und nicht für andere Medien. Unsere Telefonanrufe und höflichen E-Mail-Anfragen befinden sich bis heute in Weiterleitung, sollten wir eine Reaktion erhalten, werden wir diese selbstverständlich hier aktualisieren.„Ein Beagle ist natürlich super. Dem würde ich ein Halstuch oder eine Decke umhängen mit etwas drauf wie "Wir werden für Botox vergast" oder so".
Der Biologe Manfred Liebsch hat acht Jahre im LPT gearbeitet. Er musste laut Deutschlandradio Kultur die Hunde vergiften und dann ganz genau dokumentieren, wie sie leiden: „Das war schon nicht besonders schön zu sehen, dass ein Hund Ihnen vielleicht sogar so viel Vertrauen entgegen bringt, dass er Ihnen eine Pfote reicht, und Sie geben ihm eine Spritze und zwei Minuten später liegt der Hund in Krämpfen in Seitenlage da und verstirbt."
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Liebsch hörte irgendwann seinen Kindern zuliebe auf und forschte an Alternativmethoden zu Tierversuchen. Denn die gibt es: Computersimulationen oder Tests an Zellkulturen können Tierversuche für viele Stoffe bereits ersetzen. Obwohl die US-Arzneimittelbehörde herausfand, dass 92 Prozent aller Medikamente, die an Tieren als sicher getestet werden, beim Menschen unwirksam oder schädlich sind, verlassen sich jedoch fast alle Produzenten bis heute hauptsächlich auf Tierversuche.Es bleibt also die Frage nach der Notwendigkeit, die sich nicht pauschal beantworten lässt. Die Tierärztin Dr. Corinna Gericke von der Organisation Ärzte gegen Tierversuche betreibt eine Datenbank, die Laien helfen soll, die intransparenten Versuchsprojekte und deren Zweck zumindest nachzuvollziehen. Am Telefon erzählt sie mir von Berichten ehemaliger LPT-Mitarbeiter: „Allein für den Kunden Merz wurden am LPT innerhalb eines Jahres 34.000 Mäuse verbraucht.'" Was hat der Kunde dort getestet? „Ein Botox-ähnliches Produkt."Trotz einer bereits seit drei Jahren verfügbaren Alternative durch Versuche an Zellkulturen testet die Frankfurter Pharmafirma ihr kosmetisches Botulinumtoxin „Bocouture" seit sieben Jahren doch lieber am LPT an lebenden Tieren. Diese Versuche sind nicht genehmigungs-, sondern nur anzeigepflichtig. Das bedeutet: Weniger Verwaltungsaufwand für das Testlabor. Kontrollen durch das Veterinäramt sind von langer Hand angekündigt, „da sieht dann natürlich alles top aus", so Gericke.Die wenigen Tiere, die nicht in direkter Folge der LPT-Versuche sterben, würden zum Sezieren getötet, erzählt die Tierärztin Gericke: „Kein Tier verlässt das Labor lebend".Wer jetzt zufällig darüber nachdenkt, ob eine Botoxspritze vielleicht doch ein bisschen dekadent ist, den beruhigt der Pharmakonzern auf einer allglatten Webseite mit ein paar Sparvorschlägen bei Lebensmitteln oder Reisen für die Finanzierung der nächsten Botoxladung.Mach dir keine Gedanken, sagt Merz, sowas ist doch kein Luxus: It's normal.