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LGBTQ

Die SVP macht sich plötzlich für queere Flüchtlinge stark

Ob die Partei mit ihrem neusten Anliegen in den Olymp des Rechtspopulismus aufgenommen wird?
Foto: Gaspard | Guanaco (Bearbeitet)

Schon vergangenes Jahr machte die Zürich Pride unter dem Motto "No Fear to be you" auf den Stand von LGBTQ-Flüchtlingen aufmerksam. In über 70 Ländern müssen Homosexuelle, Bisexuelle und Transmenschen mit Prügelstrafe, Gefängnis oder dem Tod rechnen. Für viele queere Asylsuchende ist das mit ein Grund, in die Schweiz zu flüchten. Doch auch hier angekommen ist das Ganze meist nicht ausgestanden. Die LGBTQ-Flüchtlinge werden mit anderen Asylsuchenden in Sammelzentren untergebracht, wo sie sich vor Übergriffen fürchten oder Angst haben, ihre sexuelle Orientierung könnte bis ins Heimatland oder zur Familie durchdringen, wo sie kriminalisiert und bestraft werden. So kann auch hierzulande die eigene Sexualität kaum ausgelebt werden.

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Aus diesen Gründen stellten die beiden SP-Gemeinderäte Alan David Sangines und Marco Denoth im November 2017 im Zürcher Stadtparlament ein Postulat, das prüfen soll, ob LGBTQ-Flüchtlinge in separaten Unterkünften einen Platz finden können. "Es geht darum, dass etwa WGs eingerichtet werden sollen, damit bei Bedarf eine sichere Unterbringung für LGBTQ-Flüchtlinge gewährleistet werden kann", erklärt Alan David Sangines, der selbst Teil der LGBTQ-Community ist, auf Anfrage von VICE. Als das Postulat am 22. November im Stadtparlament vorgestellt wurde, regten sich als erstes kritische Stimmen von Seiten der SVP. So fürchtet SVP-Gemeinderat Johann Widmer etwa, dass sich jetzt die "meisten Afrikaner" als schwul outen werden: "Die werden blitzartig irgendetwas LGBTQ oder irgendetwas, weil es nämlich bessere Unterkünfte gibt, mehr Geld gibt, das man nach Hause schicken kann. So blöd sind die nämlich nicht, die sind sehr intelligent." Und der Zürcher doppelt nach: "Denkt bitte an die Würde von unseren Mitmenschen in Afrika, die man nicht mit solchen Dingen verführen sollte." Das Postulat wurde mit 67 gegen 20 Stimmen angenommen.

Doch wie es scheint, liegt der SVP und ihrem Politiker Johann Widmer das Wohlergehen der LGBTQ-Community viel mehr am Herzen, als wir es uns in unseren kühnsten Träumen hätten ausmalen können. Dieser stellte mit Parteikollege Stephan Iten jetzt eine schriftliche Anfrage an den Gemeinderat, in der sie fordern, dass die Zahlen an Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen, die in der Schweiz Asyl suchen, tabellarisch nach Ankunftsjahr und Herkunft aufzulisten seien. Die Begründung im Schreiben? "In unserer Kultur sind Schwule und Lesben akzeptiert und das gehört unbedingt aufgeklärt statt ausgegrenzt!"

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"Unserer Meinung nach handelt es sich bei der besonderen Unterbringung von LGBTQ-Flüchtlingen um eine Diskriminierung."

Auch auf Anfrage von VICE gibt sich Johann Widmer als äusserst besorgt um das Wohlergehen der LGBTQ-Schutzsuchenden: "Im Postulat, das im vergangenen Jahr von der linken Seite vorgestellt wurde, wird eine besondere Unterkunft, eine besondere Betreuung von LGBTQ-Flüchtlingen gefordert. Ich und mein Kollege Stephan Iten wehrten uns damals. Denn das ist eine Stigmatisierung der Leute." Und Widmer betont: "Unserer Meinung nach handelt es sich hier um eine Diskriminierung. Die sexuelle Orientierung ist Privatsache. Bevor man hier jetzt einen grossen Wirbel darum macht, wollen wir evaluieren, wie gross dieses Problem tatsächlich ist, und wie viele Menschen das betrifft. Dann kann man weitersehen, ob das eine Relevanz hat oder nicht." Ab wie vielen Menschen, diese Relevanz gegeben sei, konnte Widmer auf Anfrage nicht konkret beantworten.

So untypisch die neue ungewohnt weltoffene Sichtweise der SVP für uns ist, für den Postulatssteller Alan David Sangines, ist das Schreiben an den Stadtrat "typisch SVP". "Das ist billiger Populismus. Erst einmal behaupten und dann die Fakten erfragen." Zwar findet es auch Sangines wichtig, LGBTQ-Flüchtlinge zu erfassen: "Die Fluchtgründe 'sexuelle Orientierung' und 'Geschlechtsidentät' sollte erfasst werden. So würde man prüfen können, wie restriktiv die Schweiz mit LGBTQ-Asylsuchenden umgeht. Das Staatssekretariat für Migration weigert sich jedoch bisher standhaft." Daher sehe er auch keine guten Chancen darin, dass die Anfrage von Seiten der SVP beantwortet werden könne. "Aber ich lade die Herren gerne dazu ein, sich mit mir in Bern für eine statistische Erfassung des Fluchtgrundes stark zu machen." Die Formulierung, dass es nicht gelinge, Asylsuchenden unsere Kulturen, Werte und Pflichten zu vermitteln, mute besonders schräg an: "Vor allem wenn man bedenkt, dass die wohl schwulenfeindlichste Aussage, die in den letzten Jahren in der Schweizer Politik gefallen ist, von Seiten der SVP kam."

"Die SVP soll zuerst einmal vor ihrer eigenen Haustüre kehren."

Erst im Dezember 2017 machte das SVP- und Zürcher Gemeinderatsmitglied Christ Regli mit homophoben Aussagen Schlagzeilen, als er die Suizidalität bei Homosexuellen zwischen 30 und 40 laut Medienberichten damit begründete, dass "der Analmuskel nicht mehr hält, was er verspricht" Und ergänzte zum Thema: "Weil viele nicht mit Windeln rumlaufen wollen, gibt es Selbstmorde." Sangines findet: "Da frage ich mich, welche Werte ihnen die SVP vermitteln will, wenn sich schon Parlamentarier zu solchen Aussagen hinreissen lassen." Und er ergänzt: "Die SVP soll zuerst einmal vor ihrer eigenen Haustüre kehren."

René Schegg, Geschäftsführer des Schweizer Dachverbands der Schwulen findet zum Schreiben: "Das ist eine Verhinderungs-Taktik der SVP. Das ist der Versuch aufzuzeigen, dass dieses Thema keine Relevanz hat. Das kritisiere ich sehr. Organisationen wie Queer Amnesty etwa, haben gute Zahlen von queeren Flüchtlingen in der Schweiz. Uns sind auch Fälle von Übergriffen in Asylheimen bekannt. Diese Problematik ist also nicht aus der Luft gegriffen." Für die SVP hat er dann noch einen Tipp parat: "Wenn sich die SVP informieren möchte, kann sie die relevanten Organisationen kontaktieren, die klären sie gerne über die Brisanz und die Aktualität dieses Themas auf."

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