Der Cast von Girls
Foto: HBO | Bearbeitung: Cathryn Virginia
Menschen

Die Serie 'Girls' aus der Sicht der Gen Z

Die elf Jahre alte Serie von Lena Dunham erlebt gerade ein Revival. Wir haben Menschen in ihren Zwanzigern gefragt, was sie heute davon halten.
Cathryn Virginia
illustriert von Cathryn Virginia

In den 2010ern wurde sie geliebt und gehasst: Die Serie Girls von Lena Dunham erlebt gerade ihre Renaissance. Die Streamingzahlen haben sich zwischen November 2022 und Januar 2023 verdoppelt, überall tauchen Rewatch-Podcasts auf und #girlshbo hat 111 Millionen Aufrufe auf TikTok.

Millennials, die die Serie wieder ausgraben, sind mittlerweile größtenteils in ihren Dreißigern. Mit etwas Abstand von der Flut an Kritik, die die Show von Anfang bis Ende ausgelöst hat, berichten viele, dass sie sich nun nur noch besser mit ihr identifizieren können. Während der fünf Jahre, in denen Girls im Fernsehen lief, hat das Internet jeden Aspekt davon akribisch auseinandergenommen – sei es der Mangel an ethnischer Diversität, der freizügige Umgang mit Nacktheit oder die Darstellung unsympathischer weiblicher Charaktere.

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Die Hassliebe, die viele Millennials für die Serie empfunden haben, in der Lena Dunham die Kultur ihrer Generation beleuchtet, scheint sich mit der Zeit hin zu einem tieferen Verständnis und Nostalgie gewandelt zu haben.


Die neue Gabber – Hardcore never dies


Wenn du 2013, als Girls das erste Mal im deutschen Fernsehen lief, wie die Charaktere selbst in deinen Zwanzigern warst, wurdest wahrscheinlich auch du in die Du-wirst-nie-ein-Haus-kaufen-weil-du-Avocado-Toast-isst-und-faul-bist-Millennial-Schublade gesteckt. Du bist vermutlich mit jemandem mit einem Manbun ausgegangen, dein Lieblingsort waren Frozen-Yoghurt-Läden und du hast permanent Dinge als "problematisch" bezeichnet.

In den elf Jahren seit dem Debüt der Serie in den USA ist eine neue Generation herangewachsen, die jetzt teilweise in ihren Zwanzigern ist und anfängt, der Welt ihren Stempel aufzudrücken: Gen Z. Diese Generation ist nun in derselben Lebensphase, in der Hannah Horvath war, als ihre Eltern sie zum Abendessen ausgeführt haben, um ihr mitzuteilen, dass sie kein Geld mehr von ihnen bekommen würde.

Die Gen Z hat Craftbeer und Hipster vielleicht gegen Vapes und Softbois eingetauscht, aber erkennen auch sie ihre eigenen Selbstfindungserfahrungen in den Irrungen und Wirrungen der 2010er-Girls wieder?

Wir haben ein paar Gen-Zer gefragt, was sie von Girls und dem Revival halten. Was hat sich verändert? Was ist gleich geblieben? Und ist die Serie wirklich die Stimme einer Generation?

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Wie fühlt es sich an, Girls zu schauen, wenn man jetzt im selben Alter ist wie die Charaktere?

"Ich habe Girls das erste Mal mit 19 gesehen. Damals dachte ich mir: 'Diese Mädchen sind verrückt, worüber reden die?' Jetzt schaue ich es und denke mir: 'Diese Unterhaltung hatte ich heute auch', oder: 'Diesen Fehler habe ich mir gestern geleistet.' Es ist schon erniedrigend, das ich genau wie die geworden bin." - Amelia, 25

"Als ich das erste Mal Girls gesehen habe, war ich buchstäblich ein Kind. Ich fand das Chaos unterhaltsam, aber ich dachte, es wäre maßlos übertrieben, dass das Leben von 22-Jährigen so durcheinander sein könnte. Leider habe ich mich da sehr getäuscht!" - Saskya, 22

"Ich habe das Gefühl, mein Leben ist im Vergleich viel langweiliger. Ich kann nicht sagen, ob ich etwas falsch mache oder ob das eine idealisierte Version davon ist, wie das Chaos in den Zwanzigern aussehen sollte. Es ist auf jeden Fall interessant zu sehen, wie sehr sich zwei Leben unterscheiden können." - Issy, 25

Hannah wurde zum Aushängeschild für nervige Millennials. Was hältst du von ihr? 

"Ich fand es erfrischend, wie Hannah so wenig erreicht, aber trotzdem so viel Selbstvertrauen hat. In späteren Staffeln mag ich ihre negative Einstellung nicht, die Entscheidungen, die sie trifft und ihren Modestil. Ich glaube, sie hat versucht, sich an ihre Jugend zu klammern, obwohl sie 30 oder so war, das kommt verzweifelt rüber und ist sehr typisch für Millennials." - Saskya

"Ich glaube, dass Leute vor allem deshalb so hart auf Hannah rumgehackt haben, weil sie es nicht gewohnt waren, so jemandem im Fernsehen zu sehen. Deshalb haben sie Hannah übertrieben verurteilt. Von wegen: 'Sie ist nicht nur nicht konventionell attraktiv und trägt kein XS, sie ist auch noch ultra nervig – und das ist zu viel auf einmal!'" - Amelia

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"Sie ist definitiv die Stimme einer Generation – vielleicht nicht der Millennials, aber auf jeden Fall von Gen Z. Ich glaube, Girls ist jetzt erfolgreicher, weil die Leute nerviger werden. Tut mir leid, das zu sagen, aber als Generation sind wir nerviger als Millennials: Wir sind zwar reflektiert und kennen uns selbst, aber wir benehmen uns trotzdem weiterhin so, wie wir es tun." - Evan, 24

Und Marnie? Sie hat wahrscheinlich die peinlichsten Momente von allen – ist sie trotzdem sympathisch?

"Marnie ist eine fantastische Figur, so grundsätzlich verblendet. Sie ist das Paradebeispiel von Menschen, die denken, sie hätten alles im Griff, obwohl sie keine Ahnung haben. Ich finde, die Kostümdesignerin hat großartige Arbeit geleistet, sie in diese Business-Casual-Outfits zu stecken, in denen sie auf Partys in Brooklyn aufkreuzt. Man denkt einfach: 'Diese Frau hat keine Ahnung, was sie da tut!'" - Issy

"Sie hat gute Absichten, aber sie ist narzisstisch und hat einen riesigen Opferkomplex. Es war ziemlich fortschrittlich, dass Marnie die dünnste ist, denn ihre Charakterisierung macht das sehr unattraktiv, weil sie so nervig ist. Sie urteilt viel über andere, aber man denkt sich nur: 'Wer bist du, andere zu verurteilen? Schau dir mal dein eigenes Leben an.'" - Jessie, 20, London

Shoshanna ist die jüngste der Gruppe. Nach heutigen Maßstäben ist sie anfangs ein klassisches Girlie, das später zu einer selbstbewussten und knallharten Frau heranreift. Also, lieben wir Shoshanna?

"Ich finde viele ihrer Eigenheiten super und es ist schön, jemanden im Fernsehen zu sehen, der mir ähnlich ist – jemanden, der seltsam und schnell redet und die irrsinnigsten Meinungen hat. An einer Stelle fragt sie: 'Was ist dein Lieblingsbesteck?' Das habe ich auf jeden Fall auch schon mal gefragt, sie ist echt so Gen Z." - Evan

"Sie symbolisiert die Stimme des Publikums. Wenn man dabei zusieht, wie die Gruppe befreundet bleibt, obwohl sie sich irgendwie hassen und ständig streiten, ist Shoshanna die Einzige, die sagt: 'Ich versteh es nicht, warum bleibt ihr zusammen?' Letztendlich lernt sie am meisten, weil sie bereit ist, zuzuhören und sich zu verändern." - Eve, 26

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"Ich kenne viele Mädchen, die Shoshanna ähnlich sind, besonders in den ersten Staffeln. Wie sie die anderen Mädchen anhimmelt, einfach weil sie älter sind, und wie sie die Sucht ihrer Cousine verherrlicht, weil sie denkt, das wäre cool – das ist in meiner Generation ziemlich verbreitet. Als sie ihr eigenes Leben lebt, merkt sie, dass die anderen Mädchen nicht die Vorbilder sind, für die sie sie gehalten hat." - Saskya

Jessa ist schön, mysteriös und cool. Wärt ihr genauso gerne sie, so wie die Millennials in den 2010ern?

"Sie ist ein verdammter Albtraum. Als ich die Serie das erste Mal gesehen habe, war sie nervig, aber ich habe sie immer noch durch diese Teenagerbrille gesehen, von wegen: 'Oh, sie ist so cool und hübsch.' Jetzt finde ich ihren Charakter total tragisch und sie tut mir einfach nur leid. Obwohl ihre Storylines immer heftiger wurden, hat sie sich immer komödiantischer verhalten: All ihre Szenen im Entzug wirken komisch und amüsant, aber vielleicht ist das so, weil sie ihn nicht ernst nimmt." - Eve

"Jessa ist mein Lieblingscharakter, obwohl sie sehr unmoralisch ist. Ich mag sie auf jeden Fall lieber, weil sie schön und cool ist, wenn ich ehrlich bin. Ich finde, sie ist der traurigste Charakter und all ihre Entscheidungen entspringen diesem tiefen Wunsch, geliebt zu werden." - Jessie

"Als ich die Serie vor Jahren geschaut habe, habe ich sie so gesehen wie vielleicht ihre Freundinnen: als unbekümmerte Frau, der an jeder Ecke großartige Dinge passieren. Aber beim Rewatch werden ihre Ecken und Kanten deutlicher. Sie verkörpert das Geheimnisvolle, aber geheimnisvoll zu sein bedeutet einfach nur, dass man sich den Leuten nicht ganz zeigen will." - Evan

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Viele Millennials, die die Serie erneut schauen, können sich mittlerweile sehr mit Ray identifizieren. Was sagt ihr dazu und was haltet ihr von Ray?

"Das ist richtig lustig, weil Ray in der Show dieser abgestumpfte Typ in seinen Dreißigern ist. Und jetzt sind die Millennials in ihren Dreißigern und denken sich so: 'Vielleicht war er an was dran …'" - Amelia

"Ich glaube, dass wir uns einfach alle mit Ray identifizieren können: Er steckt fest, er ist desillusioniert, er hat diese politischen Wünsche, die nie erfüllt werden. Er ist der Realitätscheck für unsere Gegenwart: "Ich lebe in dieser lächerlichen Welt voller kurzlebiger Trends und dummer Leute, was soll irgendwas, was ich mache, bringen?'" - Issy

"Ich habe solche Angst, dass ich zu Ray werde." - Evan

Was ist eure Meinung zu der Kritik, die die Serie damals ausgelöst hat?

"Als Schwarze Frau habe ich mich schon ab und zu gefragt, warum ich in der Serie so wenige Schwarze Charaktere gesehen habe – wenn überhaupt welche vorkamen. Aber das ist leichter zu verstehen, wenn man weiß, dass sie von Lena Dunham geschrieben wurde und auf ihren eigenen Erfahrungen basiert. Manchmal glaube ich, dass es besser ist, keine Repräsentation zu haben als die falsche Repräsentation." - Saskya

"Diese ganze 'das ist nicht meine Erfahrung'-Geschichte ist Schwachsinn. Sie hat sehr vielschichtige Männerfiguren geschrieben, obwohl sie kein Mann ist, also ist das ein verkürzter Grund, um zu rechtfertigen, dass die Charaktere nicht divers sind." - Eve 

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"Girls ist keine repräsentative Serie, aber man kann sie als Linse benutzen, um diese bestimmte Zeit zu betrachten. Weißt du noch, als sie in der zweiten Staffel kurz Donald Glover engagiert haben, um mit Lena Dunham's Charakter auszugehen? Das war ein Desaster, es war peinlich und tat beim Zuschauen weh." - Issy

Was wäre anders, wenn die Serie 2023 gedreht worden wäre?

"In der Serie redet niemand über Therapie. Wenn sie heute gedreht worden wäre, wären sie alle in Therapie. All die Vokabeln zum Thema mentale Gesundheit, die wir heute benutzen, gab es damals noch nicht wirklich." - Amelia

"Ich war enttäuscht von der queeren Repräsentation in der Serie. Ich fand die Versuche, insbesondere weibliche queere Erfahrungen darzustellen, einfach nur bizarr. Manchmal unangenehm, manchmal unterschwellig homophob. Ich muss besonders an Jessa denken, als sie in der Entzugsklinik was mit dieser anderen Frau hat. Es hätte immer noch peinlich und unbeholfen sein können, ohne dass es sich so anfühlen muss, als wäre die Queerness die Pointe des Witzes." - Issy

"Der Sex und die Nacktheit sind natürlich mit der Geschichte verwoben und erfüllen einen Zweck. Aber heute gibt es viel mehr Diskurse um Nacktheit und Sicherheit an Serien- und Filmsets, also würde es wahrscheinlich nicht mehr so gedreht werden. Heutzutage sind die Leute eher dagegen: Sie wollen keine Brüste sehen und die Darstellenden müssen ihretwegen eigentlich keine Nacktszenen drehen." - Eve

Was nehmt ihr aus der Serie mit?

"Nichts hat mich je so sehr angesprochen wie Girls, besonders in diesem Alter. Es ist, als ob es endlich Figuren im Fernsehen gibt, mit denen ich mich identifizieren kann. Ich habe das Gefühl, mich und mein Umfeld in der Serie zu erkennen. Das finde ich so mitreißend und unterhaltsam." - Evan

"Wann immer ich im Leben vor einem Problem stehe, schaue ich zum Trost diese Serie. Keines der Mädchen hat ihr Leben auf die Reihe bekommen, während in den meisten Coming-of-Age-Serien am Ende alle perfekt sind." - Jessie

"Ich habe dabei gelernt, dass man immer nerviger ist, als man denkt. Leute sagen ihre ganze Jugend und ihr Erwachsenenleben über, sie wären 'nicht Hannah' oder 'nicht Marnie', aber das sind wir alle, und darum geht es in der Serie. Alle sind nervig, weil wir alle individuelle Menschen mit Fehlern sind, und das ist OK." - Eve 

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