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You Need to Hear This

Das neue Album von Disclosure ist deine perfekte Kater-Medizin

Hirnforscher und Musikwissenschaftler streiten sich seit Jahren darüber, was Musik in deinem Gehirn auslösen kann. Mit dem Disclosure-Album und meinem Alkoholtrauma habe ich das Rätsel gelöst.

Generell gilt ja: Nur weil der Track gestern im Club so geil war, musst du ihn nicht Sonntagsnachmittags wieder ausgraben. Das klappt in der Regel nicht besonders gut und sorgt fast ausschließlich für Enttäuschung, bis du dir dann doch wieder die Decke über den Kopf ziehst und auf Bon Iver zurückgreifst. Bei Disclosure ist das anders, das neue Album „Settle" hilft dir sogar dabei, deinen Kater statt wie sonst am Dienstag schon halbwegs pünktlich zum Wochenbeginn abzulegen.

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Um das zu gewährleisten, solltest du kurzfristig das Albumkonzept über den Haufen werfen, die Trackliste des Albums umkehren und mit dem letzten Track „Help Me Lose My Mind" beginnen. Das seichte melodische Wabern und die angenehm unschrille Stimme von London Grammar schunkeln dein Gehirn liebevoll wach und der Bass bereitet dich ganz rücksichtsvoll auf all das vor, was jetzt noch kommt.

Nächster Song: „Confess To Me". Achtung, an dieser Stelle solltest du deine Neuronen auf jeden Fall schon eingestimmt haben, denn auch wenn sowohl Track als auch Jessie Wares Stimme anfangs noch harmlos klingen, gehen die schnell einsetzenden Synthies deinem schlafenden Hirn ganz enorm gegen den Strich. Bei korrekter Anwendung bist du allerdings jetzt so wach, dass du schon wieder Refrain und Strophe voneinander unterscheiden kannst und überstehst dann auch den ruhigen Mittelpart ohne erneut einzupennen, dafür sorgt übrigens vor allem Jessie Wares Stimme, die deine Nervenbahnen ja schon kennen und für die dein Gehirn nur neue Verknüpfungen aufbauen muss, weil du dir die bestehenden in der letzten Nacht weggesoffen hast.

Ähnlich ist es beim nächsten Song: Der Typ, den du nach dem gleichbleibend klatschenden Beat und dem sanften Bass in „January" hörst, ist tatsächlich Jamie Woon. Kennst du, magst du. Die im Normalfall schon fast unerträgliche Eintönigkeit des Songs weckt dich endgültig auf und spült noch mal mit voller Wucht den letzten groben Schmutz aus deinem Gehörgang. Wenn du schon fit genug bist, ist dieser Song der ideale Zeitpunkt, um dir einen Kaffee zu kochen, denn ab sofort bist du gefordert!

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„You & Me", Track Nummer vier von hinten, läutet den nächsten Schritt ein: Raus aus den minimalistischen Pop-House-Tracks, hinein in die dubsteppige Schiene. Aber selbst das schaffst du ohne Brechreiz! Der Track ist so gleichmäßig und die Lyrics von Eliza Dolittle so sanft, dass dir davon eigentlich gar nicht übel werden kann. Während der Song langsam zum Ende kommt, solltest du aber dennoch ganz tief durchatmen, denn der nächste Song ist eine Herausforderung an dein weichgespültes Immunsystem:

„Grab Her" ist der experimentelle Song auf dem Album und besteht aus Synthies, die eine nicht vorhandene Tonleiter hoch und runter rutschen und einer verzerrten Alienstimme, die hin und wieder „Grab Her" sagt. Wenn du hart bist, kommst du da jetzt durch, ansonsten kannst du den Song auch einfach löschen. Gerne auch für immer von der Festplatte.

Für diese Entscheidung belohnt dich das Album dann auch direkt mit „Second Chance", dem langsamsten und kürzesten Track des Albums, der so leise ist, dass du am Volumepegel nicht drehen musst, um dir genau JETZT eine Pizza zu bestellen und anschließend mal die stinkenden Klamotten von gestern Abend gegen was bequemes einzutauschen. Schuhe ausziehen wäre vielleicht auch mal eine Maßnahme.

Im Bestfall siehst du jetzt aus wie ein Breakdancetänzer und stehst in den Startlöchern, unkontrolliert auf deinem Bett herumzuhüpfen, wenn der nächste Track „Voices" beginnt. Im schlechtesten Fall hängst du schon seit dem ersten Track über der Kloschüssel und hörst das Album nur noch durch die dünne Altbauwand.

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Anyway, danach fühlst du dich wie das blühende Leben. Wenn die düsteren Erinnerungen an gestern nur nicht wären: Hast du wirklich zwischendurch noch mal 200 Euro am Automaten gezogen? Wieso hast du um fünf Uhr sieben Mal deinen Ex-Freund und danach zwei Mal erfolglos deine Mutter angerufen? - Huch, da ist ja schon wieder ein neuer Track. Also zurück in den hirnlosen Tanzmodus, dafür eignet sich der Mittelpart des Albums (bestehend aus „Voices", „Stimulation" und „Defeated No More") mit seinem naiv-dumpfem Club-Gestampfe wirklich ausgesprochen gut und länger als die knapp fünfzehn Minuten dieser drei Songs hältst du mit deiner zerstörten Kondition sowieso nicht durch.

Damit hast du dich jetzt auch genug bewegt für einen Sonntag: Du bist umgefallen und liegst jammernd irgendwo in deiner Wohnung. Genau diese Position wirst du jetzt erst mal nicht verlassen, also mach es dir möglichst bequem, wenn du kannst, öffne das Fenster und lass „White Noise" durch dich hindurchströmen, pass deinen überanstrengten Atem an den regelmäßigen Beat an und mach jetzt einfach die Augen zu. Lass AlunaGeorges Stimme all deinen Schmerz und all die bösen Gedanken aus deinem Kreislauf spülen.

Das was jetzt passiert kennst du schon: Stumpfer Tanzbass. Aber bleib einfach liegen und warte ein paar Augenblicke bis der Solobass sich mit einer Lyrikschleife und einer Melodie verbindet. Dann schwebst du nur noch auf einer dicken rosa Wolke durch eine Welt aus Zuckerwatte, Regenbögen und Einhörnern. Wenn du jetzt nicht wirklich schon wieder eingeschlafen bist, erwartet dich der beste Popsong des Albums: Ich weiß, dafür hast du in der letzten halben Stunde echt hart gearbeitet und jetzt ist es so weit: „Latch". Wie du den Song verbringst, ist ganz dir überlassen, also, ob du im liegen, sitzen, stehen, springen ausrastest oder wieder vorm Klo kniest und dir die letzte Nacht nochmal durch den Kopf gehen lässt…

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Kommen wir zum Ende: Nichts eignet sich dazu besser als „When A Fire Starts To Burn", der zugleich beste und schlechteste Song dieses Albums. Es wird Tage geben, an denen du ihn verfluchst und von deinem iPod löschst und andere, an denen du ihn an all deine Freunde schickst. Aus dem Dilemma der Frage wie du den Track heute findest holt dich die penetrante Klingeln des Pizzalieferanten und der Song endet während du im Treppenhaus auf den Jüngling mit der wertvollen Ladung wartest.

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