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Reza Dinally begleitete uns zur Tattoo-Entjungferung

Wenn wir Schmerzen haben, soll jemand zuschauen, der von Schmerzen Ahnung hat.

Um zu verhindern, dass unser erstes Tattoo zum schmerzvollen Horrortrip wird, liessen wir uns von Reza Dinally zur Tattoo-Entjungferung begleiten und gaben unsere oberen Hautschichten in die Hände von „World's End“-Tätowiererin Myni. Die gelernte Steinmetzin sticht so, dass auch bei der feingliedrigsten Schrift keine Serifen verloren gehen.

Bei der Motivwahl war für Till ein Bezug zur Illuminatus-Trilogie wichtig, aber bis zum ersten Stich schwankte er zwischen der „Hand of Eris“ und einem Apfel.

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Für mich kam erst die Zahl „42“ (Die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest laut Hitchhiker's Guide to the Galaxy) in Frage, dann fiel meine Wahl aber auf „Henrik Ibsen/Ein Volksfeind“ im Reclam-Font.

Unser Gespräch mit Reza entsprach nicht grade Peer Teuwsens Vorstellung vom „guten Interview“, denn hinter einer Trennwand wurde einer Frau der gesamte Rücken tätowiert, inklusive Rück- und Zwischenfragen, dauernd wollte jemand von uns„die wirklich letzte Zigi davor“ rauchen und die letzten Untätowierten—unsere Fotografin und Christoph von Rezas Management—störten mit Lachsalve um Lachsalve.

Auch Reza mischte mit Sprüchen mit wie „Wir brauchen ein Bild von dir, wenn hier, hier und hier die Schweissperlen kommen.“

Benj: Was würdest du dir nie tätowieren lassen?
Reza: Ein pinkes Unicorn.
Benj: My little pony?
Reza: Ich würde mir nie betrunken eine Bierdose auf die linke Arschbacke und auf die rechte ein Päckli Camel tätowieren.

Till: Was bedeutet das Tattoo auf deiner Hand?
Reza: Das ist der Name meines Sohnes. Eyra. Man schreibt ihn anders als IRA, aber man spricht es gleich aus. Und Ira als Namen ist deshalb irgendwie nicht mehr so en vogue.

—Gelächter, Zigaretten oder Schweissperlen—

Till: Also stehen deine Tattoos für Lebensereignisse?
Reza: Mich bewegt ziemlich viel. Nicht jedes hat einen konkreten Anlass. Hier auf dem Oberarm ist die blaue Sonne mit Schweif. Ich hatte einen Bluterguss beim Stechen—ich hab nicht gesagt: Mach da bitte noch etwas Schattierung. Die blaue Sonne ist eine Meditationsform. Ich drücke drauf und bin ruhig. Es fehlt nur die Beschriftung: „Push here“.
Till: Meditationsform gehört eigentlich in den Titel dieses Artikels.
Benj: Damit er nicht gelesen wird.

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Reza: Das rote auf dem Unterarm ist in Farsi und heisst „furchtlos“. Das war erst wirklich entzündet. Dann hat sich eine Kruste gebildet und erst nach Monaten sah es so aus wie jetzt.
Myni: Keine Angst, ihr tätowiert euch nicht farbig. Niemand ist auf schwarze Tattoofarbe allergisch.

—Gelächter, Zigaretten oder Schweissperlen—

Benj: Du tätowierst dir „furchtlos“, aber dein eigener Name bedeutet nichts so Hochtrabendes? Ein Unikollege von mir heisst aus Farsi ins Deutsche übersetzt „König der Könige“.
Reza: Nein, aber Reza nimmt schon Bezug auf den Schah.
Benj: Dinally ist Englisch?
Reza: „Din“ ist persischer Herkunft und „Ally“ ist keltischer Herkunft. Mein Vater ist aus Mauritius und von der britischen Kolonialmacht her kommt auch der Name. Ich bin auch Brite … Und mittlerweile Mauritianer.
Benj: Und wie ist Mauritius?
Reza: Mauritius ist kleiner als der Kanton Zürich und hat etwa gleich viele Einwohner.
Benj: Du bewegst dich also auf zwei isolierten Inseln, die keinen Kontakt zur Aussenwelt haben?

—Gelächter, Zigaretten oder Schweissperlen—

Reza: Bei Roger Waters hinter der Bühne sahen wir einen Lastwagenfahrer. Ein echter „Fetzen“, ein baldy man. Erst sahen wir nur, dass eine Sonne auf seinen Bauchnabel tätowiert war.

Als er näher kam, bemerkten wir, dass er so dick ist, dass sein Bauchnabel unter die Falten gefallen war. Und dann hat er sich einfach einen Bauchnabel tätowiert. Die Sonne dann drumrum.

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Benj: Das Sphärische, Mehrschichtige. War das immer schon deine Musik?
Reza: Das ganze Sphärische hat mit Musik zu tun, die ich früher gehört habe, aber nach wie vor höre: Queen. Mit Queen bin ich aufgewachsen.
Till: Und was sind deine schönsten Erfahrungen, die du als Musiker selbst machen konntest?
Reza: Als Supportact für Leute wie Emiliana Torrini und Tim Robbins zu spielen.
Benj: Tim Robbins, der Schauspieler?
Reza: Ja, der gehört in die gleiche Kategorie wie Bruce Willis oder Steven Seagal. Die machen eigentlich alle Musik.
Benj: Steven Seagal macht bestimmt Thrashmetal.
Reza: Nein, Bluesrock.

—Gelächter, Zigaretten oder Schweissperlen—

Benj: Jetzt tut es am meistens weh.
Till: Das ist die richtige Einstellung „Jetzt tut's am meisten weh.“
Reza: Es ist hinterher wie, wenn man über Turnhallenböden schlittert.
Benj: Ich war mal Handball-Goalie. Wie lange tut es weh?
Reza: Mir hat es nicht lange wehgetan.
Benj: Warst du auch Handballgoalie?
Reza: Das wäre ein beschissener Sport als Gitarrist. Ich war Kunstturner an der Sportschule Magglingen. Als 13-Jähriger hatte ich einen Unfall. Und das aufgegeben.
Till: Als 13-Jähriger? Ein krasser Lebensschritt.

Reza: Es war an der Vorausscheidung für die Schweizer Meisterschaft. Hatte mir am Reck die Schienbeine zerschmettert. War wie ein Blatt runtergeflogen und hab mir dabei noch die Zehen umgedreht.
Till: Der gleiche Sturz, den Homer Simpson in der Schlucht macht.
Reza: Ja, genau. Es war speziell 13 zu sein und mit all den erwachsenen Trainern zu telefonieren, die mich zusammenschissen, weil ich meine Sportkarriere abbrechen wollte.
Benj: Dann hast du ja weitaus mehr Erfahrungen mit Schmerz als wir.
Reza: Es war generell ein hartes Leben. Mit sieben hatte ich schon fünf Mal Training pro Woche, später sogar sechs Mal. Und ich war ja trotzdem in der Schule und hab Musik gemacht.

Wir haben den richtigen Begleiter zur Verarbeitung von Schmerz mitgenommen. Reza Dinally schöpft nicht nur aus einem „Rucksäckli“ an körperlichem Schmerz, sondern weiss auch, was es heisst, nach totaler Vorausgabung wieder bei null anzufangen. Darum kann er diese ruhig-mächtige Musik machen. Wir sind noch nicht soweit. Die Soundaufnahme bricht ab mit:
Reza: Du schwitzt!

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