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Nur eine stillgelegte Abhörstation ist eine gute Abhörstation

Während aktive Abhöranlagen mitten in Berlin entlarvt werden, haben wir uns aufgemacht zu einer Tour auf den Teufelsberg, zur NSA-Anlage aus dem Kalten Krieg..
Der Teufelsberg im Jahr 1985. Bild: John Evans; Alle andere Bilder stammen von Nadja Sayej.

Am westlichen Rand Berlins, mitten im dicht bewachsenen Grunewald, liegt der Teufelsberg – ein künstlicher Hügel, der nach dem zweiten Weltkrieg aus Trümmern aufgeschüttet wurde. Auf dem Gipfel, der mit 120 Meter höchsten Erhebung Berlins, befindet sich eine ehemalige NSA Abhörstation, die bis zum Fall der Berliner Mauer von britischen und amerikanischen Geheimdiensten betrieben wurde.

Gerade erst wurde bekannt, dass die USA und auch Großbritannien auf den Dächern ihrer Botschaften mitten in Berlin nach wie vor aktive Abhöranlage betreiben. Während diese gut versteckten Anlagen in der Nachbarschaft des Regierungsviertels inzwischen enthüllt wurden, habe ich mich am Wochenende aufgemacht, um das Gelände auf dem Teufelsberg zu erkunden.

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Angeführt wurde unsere Besuchergruppe von Christopher McLarren einem freundlichen und scharfsinnigen ehemaligen Geheimdienstoffizier der 'US Arm Security Agency', der an Sonntagen öffentliche Teufelsbergtouren anbietet. Nach den weiteren Enthüllungen, der vergangenen Wochen, sind die Besucherzahlen um 40 Prozent angestiegen.

Alle Bilder: Nadja Sayej

Im Oktober 2013 ist es außerdem genau 50 Jahre her, dass die NSA mit dem Bau der Spionagetürme begann. Ein Jubiläum, dass sogar mit einer Erinnerungsbriefmarke gefeiert wurde, die der Autor T.H.E. Hill entwarf, welcher einst auf der Abhörstation für das Militär diente.

Die Geschichte des Teufelsbergs ist alles andere als langweilig. Der Hügel wurde vor allem mit den Überresten der nie vollendeten Nazi-Ruine der Wehrtechnischen Fakultät aufgeschüttet. Das Gebäude war eines der am weitesten fortgeschrittenen Bauten der bombastisch-bescheuerten Pläne zum Ausbau Berlins als ,Welthauptstadt Germania'.

In dem Areal um den heutigen Teufelsberg planten Adolf Hitler und Albert Speer eine ganze sogenannte Hochschulstadt, allerdings kamen der Krieg und ihr Untergang dazwischen. Das ganze sollte mit monumentalen Elementen wie Triumphbögen, Säulen, Kolonnaden und Türmen, als sogenanntes „Tor der Reichshauptstadt" weithin erkennbar sein, und den westlichen Rand der geplanten Ost-West Achse markieren. Hoffen wir mal, dass die faschistoiden Pläne mindestens für die nächsten 1000 Jahre irgendwo im Erdreich unter dem Teufelsberg begraben bleiben.

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Der Entwurf für die von den Nazis geplante Hochschulstadt am nordwestlichen Rand des heutigen heutigen Teufelsbergs Areals.

Der Bau der britisch-amerikanischen Abhöranlage begann im Oktober 1963. Die Bemühungen jegliche Kommunikation zwischen dem Warschauer Pakt und Ost-Berlin mitzuschneiden dauerten den gesamten Kalten Krieg über an.

Nach dem Fall der Mauer übernahmen die deutschen Behörden die Verwaltung des Teufelsberg und nachdem das Gelände einige Male den Besitzer wechselte – inklusive David Lynch, der eine meditative 'Friedensuniversität' plante – befindet es sich heute in privater Hand. Zurückgeblieben von der demolierten, abgenutzten und mit Graffiti überdeckten Abhörstation, ist ein Gelände mit der Atmosphäre einer deplatzierten Künstlerkolonie.

Wir haben das Areal schon 2010 für eine Videotour besucht.

McLarren arbeitete in der Anlage von 1973-75 als Analyst des Datenverkehrs. Heute führt der in Berlin lebende Amerikaner Besucher über das Gelände und peppt seine Touren mit persönlichen Anekdoten und Insiderdetails auf, die jeden Spionageenthusiasten begeistern.

Trotz seiner faszinierenden Geschichte, ist die Zukunft des Teufelsbergs alles andere als gesichert. In zehn Jahren könnte ein Besuch zu gefährlich sein, auch wenn es andererseits Hoffnung gibt, dass hier eines Tages ein Museum zu errichten.

Mit kaum versteckter Nostalgie jedenfalls erinnert sich McLarren an seine guten alten Tage auf dem Teufelsberg zurück. Die Zeiten haben sich wahrhaftig geändert, seit die amerikanische Regierung den Soldaten den Transport ihrer Autos ans andere Ende der Welt bezahlte und freilaufende Wildschweine die größere Gefahr als Sowjetsoldaten darstellten. Hier sind einige Highlights meines Rundgangs auf dem Teufelsberg inklusive McLarrens Anekdoten und begleitenden Erzählungen:

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Christopher McLarren steht am Eingang des Teufelsberg Areals. Er erzählt, dass er, trotz seiner Aufgabe, in die aufgefangenen Signale hinein zu hören, wenig über die technischen Details seiner Operation wusste: „Bei geheimdienstlicher Arbeit lautet die Grundregel, dass du nur die für deine Tätigkeiten nötigen Informationen bekommst – und nicht mehr. Das war damals der Fall, und das gilt auch heute noch."

Dies ist einer der kleineren Radarkuppeln des Teufelsbergs, die zum abfangen von Signalen genutzt wurde. „Was haben wir abgehört? Jegliche Radiowellen, die durch die Luft schwirrten – egal ob es sich dabei um Morse Kode oder Kurzwellen handelte, wir hörten soviel ab wie wir konnten. Vieles wurde tatsächlich in Klartext übertragen. In den 1960er und 1970er Jahren, hatten sie nicht die Fähigkeit in kurzer Zeit zu verschlüsseln, zu senden, zu entschlüsseln, wieder zu verschlüsseln und zurückzusenden."

Britische und amerikanische Mitarbeiter gingen jeden Tag durch das Gebäude. McLarren erinnert sich an ein extrem hohes Sicherheitsniveau durch die US Militärpolizei. „Wir gehörten nicht direkt zur NSA. Dies war eine Sicherheitsbehörde des Militärs. Wir sandten unsere Informationen zur Armee, zur Informationsbehörde der Verteidigungsstreitkräfte, zur CIA. Natürlich waren alle Behörden vernetzt, aber dies war nicht direkt die NSA hier. Es war das Militär."

In dem Gebäude der Militärpolizei gibt es noch ein verbleibendes Wandbild, mit dem Schriftzug 'Assist, Protect, Defend'. Heute ist es umgeben von anderem Graffiti. „Es ist nicht direkt schön, aber es ist alles was wir haben." sagt McLarren.

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Der überall auf dem Teufelsberg verteilte Müll, könnte schon einen eigenen Hügel für sich bilden, und wird immer wieder von Freiwilligen beseitigt. „Als ich vor zweieinhalb Jahren begann hier Führungen zu geben, war der ganze Berg bedeckt und sah so aus."

McLarren steht in seinem ehemaligen Büro. Er hat eine Büroansicht dabei aus dem Jahre 1988. Heute erkennt er den durch Graffiti und Verfall transformierten Ort kaum wieder, in dem er in den 1970er Jahren gearbeitet hat. „Es war stets ziemlich kühl im Gebäude, da die Maschinen auf niedriger Temperatur gehalten werden mussten. Außerdem saßen wir stets in Elektrosmog ohne zu wissen was das war,” erinnert er sich.

McLarren erzählt, dass es einen Parkplatz für 125 Autos auf dem Teufelsberg gab, und dass die Soldaten sich ihre Wagen umsonst aus Amerika schicken lassen konnten. Andere Mitarbeiter durchquerten den umliegenden Wald mit seinen wilden Ebern mit ihrem Fahrrad. „Sie haben schnell gelernt, dass man sich niemals zwischen ein Wildschwein und seine Kinder stellen sollte. Durch all die Verletzungen hatten wir den Eindruck, die Wildschweine seien gefährlicher für unsere Soldaten als die Sowjets."

Die Antennen versteckten sich in den Radarkuppeln auf einem der höheren Gebäude. „Warum verdeckt? Erstens wegen dem Wetter – wir sind hier in Berlin und nicht in Florida. Und zweitens, wenn Techniker der Sowjets die Antennen zu Gesicht bekommen hätten, dann könnten sie herausfinden, welche Frequenzen wir abhören konnten."

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Die Radarkuppeln in Richtung Nordosten fotografiert.

In einer der Kuppeln steht eine Badewanne mit roter Farbe.

Stimmen verursachen einen langen Nachhall, in dem größten Kuppel auf dem Teufelsberg, was auch gleichzeitig der höchsten Punkt Berlins ist. „Die Akustik ist sehr interessant. Manchmal kommen Musiker die für unsere Gäste spielen. Es ist fast wie in einer Philharmonie", sagt McLarren.

Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 verließen die diensthabenden Soldaten die Anlage kurze Zeit später. Trotz wechselnder Versuche, bleibt die Zukunft des Geländes seit dem unsicher.

Der höchste Turm auf dem Teufelsberg.

Damit endet unsere Tour. Die Gäste dürfen sich ihren eigenen Weg vom Teufelsberg runter bahnen. „Momentan wird sich hier so schnell nichts tun. Denn das Areal ist ein geschütztes Waldgebiet, und es ist nicht erlaubt hier zu bauen," erklärt McLarren. „Wir wissen nicht was hier in den nächsten zehn Jahren passieren wird. Wir würden gerne ein kleines Museum und vielleicht ein Café haben, aber wir haben noch keine Ahnung, ob das funktionieren wird. Manche Leute sehen hier auch eine Künstlerkolonnie entstehen – etwas in diese Richtung. Aber im Moment gibt es sowieso kein Geld und alles ist in der Schwebe."