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Die Wutbürger gegen die Republik Irak

Die irakische Botschaft im Berliner Nobelviertel Grunewald feiert wohl wilde Partys und ist ein Hort des Terrorismus. So sehen es zumindest die Nachbarn und gestern gab es das juristische Nachspiel.

„Guten Morgen. Legen Sie bitte alle Gegenstände, die Sie sonst noch bei sich tragen da rein!" Alles klar. Lippenstift und Personalausweis. Die Polizistin durchwühlte meine Tasche, ihr Kollege kümmerte sich um den Nacktscanner und dann durfte ich rein: Herzlich Willkommen im Verwaltungsgericht Berlin. Ich kam natürlich zu spät, weshalb ich nur mit bösen Blicken begrüßt wurde und mich gleich mit einem kleinlauten „Entschuldigung" in die hinterste Reihe verdrückte. Ich war wegen einer Gerichtsverhandlung in der Sache eines Nachbarschaftstreits hier. Aber es ging nicht um geklaute Gartenzwerge oder notgeile Säcke, die mit Ferngläsern das Sexualleben ihrer Nachbarn ausspionieren. Es war ernst. Die Kläger sind ein paar Nachbarn aus dem Berliner Stadtteil Grunewald: Claudia und Matthias S., sowie das Ehepaar K. Der Beklagte ist die Republik Irak. Genau genommen geht es um einen Streit zwischen den Bewohnern rund um die Pacelliallee und der irakischen Botschaft, die ihren Sitz in eine schicke Grunewalder Villa verlegt hat. Anlass für die Anklage ist zum einen, dass sich die Kläger übergangen fühlen, denn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wollte die Nachbarn zwar an der Entscheidung beteiligen, ob der Botschaft eine Befreiung erteilt werden sollte oder nicht. Am Ende wurde ihre Ablehnung aber ignoriert und der Botschaft trotzdem eine Genehmigung erteilt. Außerdem ist nicht geklärt, wieso überhaupt die Erlaubnis erteilt wurde, in dem „reinen Wohngebiet“ eine Botschaft einzurichten. Die Kläger bangen auch um ihre Sicherheit, denn sie könnten ihrer Meinung nach bei möglichen Anschlägen unmittelbar betroffen sein.

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Richter Schubert―ein sympathischer Mann, der im Laufe der Verhandlung immer wieder versuchte, die Anwesenden daran zu erinnern, dass sie keine Zwölfjährigen mehr sind―leitete die Verhandlung. Die Kläger wurden von vier Anwälten vertreten, die sich als die Art Menschen erwiesen, die einem richtig auf den Sack gehen können. Die Beklagten waren eine Vertreterin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und ein Vertreter der irakischen Botschaft. Es gab eine große Projektion, mit der wir, dank Google StreetView, das betroffene Wohngebiet visuell präsentiert bekamen. Das Ehepaar K. beschwerte sich unter anderem, dass auf dem Grundstück Partys gefeiert würde und sie sich gestört fühlen. Wichtig: Das Grundstück ist „ungefähr fünf Fußballfelder" groß. Soweit ist das Ehepaar K. von der Botschaft entfernt, abgeschirmt durch eine Parkanlage und einen Zaun. Das Ehepaar K. kann man sich als das typische Snob-Ehepaar vorstellen, das auch ein Problem damit hat, wenn behinderte Eichhörnchen in ihrem Garten spielen.

Frau K. hatte übrigens auch ein Problem mit mir. Sie fragte also auch gleich ihren Anwalt, ob er mich nicht rausschicken könnte. Nein, konnte man nicht.

Einer der Anwälte zählte tausend Paragraphen auf, nach denen die baurechtliche Genehmigung nicht zugelassen wäre und behauptete außerdem, dass das Wohngebiet durch diesen „Dammbruch des reinen Wohnens“ ins Rutschen geraten würde. Man hatte auch eine alte Karte aufgehängt, der Baunutzungsplan von 1958, und ich bekam kurz Angst, dass Richter Schubert mich gleich zum Topographietest aufrufen könnte.
Den Vorwürfen hatte die Vertreterin der Senatsverwaltung einiges entgegenzubringen. Sie war überzeugt, dass die Genehmigung der Botschaft rechtmäßig wäre, denn auch bei „reinem Wohngebiet“ gäbe es Ausnahmen, die eine Zulassung einer anderen Gebäudenutzung als die des Wohnens erlauben und dass sie auch mit dem öffentlichen Interesse zu tun hätte. Sie wies auf ein Schreiben des Bundesaußenministers Steinmeier hin, in dem er auf die „ungünstigen Sicherheitsbedingungen" der deutschen Botschaft in Baghdad einging und sich ein Entgegenkommen erhoffte, würde man der Botschaft in Berlin ein repräsentatives Gebäude genehmigen. Die Kläger behaupteten, sich aufgrund dieses Schreibens erpresst zu fühlen. Aber die Vertreterin der Senatsverwaltung wies auch diesen Vorwurf zurück und sagte außerdem, was die Partys angehen würde, sollten die Nachbarn doch froh sein. Wäre Madonna dort eingezogen, würde es noch lauter sein. Touchée! Aber der spannendste Teil dieser Farce kam noch mit der Zeugenvernehmung von Frau W. vom Landeskriminalamt Berlin. Die Ärmste wurde regelrecht geschlachtet. Die Kläger haben natürlich auch Bedenken, da die Republik Irak ein in vielfältige Konflikte verwickeltes Land ist und die Gefahr „potentieller, abstrakter Gewalt“ bestehe.

Bei einer eventuellen Eskalation wären sie unmittelbar betroffen. Frau W. erklärte daraufhin, es gäbe keine konkreten Hinweise auf irgendwelche Gefährdungen. Ob sie irgendwelche zukünftigen Gefährdungen ausschließen könnte? „Ich kann nur Prognosen stellen, prophezeien kann ich nichts." Das Ehepaar K. warf ab und zu ein paar patzige Kommentare ein. Man könnte glauben, die beiden würden direkt neben dem World Trade Center wohnen und die Terroristen warten nur drauf sie kaltzumachen. Am Ende beschimpften die Kläger die Verwaltung für Stadtentwicklung als „Bananenpolitik" und forderten, dass die Baugenehmigung aufgehoben und die vermeintlich illegale Nutzung untersagt werden soll. Danach wurde die Verhandlung bis auf weiteres geschlossen, die Tussi glotzte nochmal blöd zu mir rüber und ich steckte lächelnd mein Notizbuch ein. Heute entschied die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin schließlich, dass alle Klagepunkte der Nachbarn abgewiesen werden und die irakische Botschaft in dem „reinen Wohngebiet“ bestehen bleiben darf. Natürlich haben die beleidigten Nachbarn und ihre Anwälte einen Antrag auf Berufung eingereicht. Bei der Missgunst werden sie wahrscheinlich nie zu den „ständigen Partys“ in der Botschaft eingeladen werden … selbst schuld.