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VICE: Wie wird das Thema Haut in deiner Ausstellung angegangen?Motherboard: Waren Necropants die Skinny Jeans des 17. Jahrhunderts?
Anna Dhody: Wir setzen uns zum Beispiel damit auseinander, was Haut überhaupt ist. Dazu kommen dann noch einige interessante Tatsachen zum Thema Haut: Zum Beispiel verliert ein durchschnittlicher Mensch im Jahr ungefähr vier Kilogramm an abgestorbenen Hautzellen. Und innerhalb eines Monats erneuert sich die Haut komplett.
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Die Tätowierungen waren Teil einer größeren Spende einer medizinischen Einrichtung. Da haben wir natürlich nicht Nein gesagt. Leider wurden uns dazu keine weiteren Informationen überliefert und deshalb wissen wir selbst nur das, was man mit dem bloßen Auge erkennen kann. Einige Tattoo-Experten haben jedoch gemeint, dass diese Exemplare ziemlich alt sein müssen—vielleicht sogar über 100 Jahre. Anfang April soll ein Forscher herkommen, der das Ganze etwas genauer analysiert.Was hat es mit dem Gefäß voller Hautfetzen auf sich?
So etwas würde man bei einer normalen Hautausstellung wohl nicht finden. Eines Tages schickte uns eine nette junge Dame eine Mail, in der stand, dass ihre „Mitbewohnerin" beim Auszug alles mitgenommen hätte—bis auf ein Einmachglas voller Hautstücke. Sie fragte, ob wir dieses Einmachglas haben wollen würden. Zwar war mein Interesse geweckt, aber ich hegte dennoch gewisse Zweifel. Letztendlich habe ich dann allerdings zurückgeschrieben, dass wir die Haut nehmen würden. Etwas später kam dann ein Paket ins Haus geflattert—darin enthalten waren zwei Einmachgläser voller Hautfetzen sowie eine Nachricht: „Das mit der Mitbewohnerin war übrigens gelogen. Die Haut stammt von mir."
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Die Frau leidet an Dermatillomanie und ist sich dessen auch bewusst. Ihr zufolge zupft sie aber ausschließlich die Haut an ihren Füßen ab. Einige der Hautfetzen sind auch etwas dunkler—die wurden dann wohl im Winter abgekratzt, denn da trug sie immer nur schwarze Socken. Das steht alles in der Nachricht, die sie uns mitgeschickt hat.Spenden dieser Art—also tätowierte oder abgezupfte Hautstücke—sind doch etwas sehr Persönliches. Wie haben deine Kollegen da reagiert?
Ich musste mir von meinen Kollegen da schon einiges anhören, denn obwohl sie hier im Mütter Museum arbeiten, fanden sie das schon fast zu bizarr. Ich sehe darin jedoch eher eine Möglichkeit für mich als Kuratorin, über eine psychische Krankheit zu sprechen und dazu dann auch tatsächlich sichtbares Anschauungsmaterial zu haben. Ich meine, Depressionen oder Schizophrenie lassen sich nicht in Flaschen abfüllen. Wenn ich jedoch etwas über Dermatillomanie erzähle und dabei das Einmachglas voller Haut vorzeigen kann, dann hinterlässt das doch einen bleibenden Eindruck.
Unser Museumsdirektor Robert litt früher an Hautkrebs und Teile davon stellen wir zusammen mit seiner Erzählung über den Verlauf der Krankheit aus. Weil viele unserer Besucher selbst schon mal irgendwie mit einem Hautkrebs-Fall zu tun hatten, haben wir uns dieses Thema bewusst ausgesucht. Meiner Meinung nach sind die tatsächlich von Krebs betroffenen Hautstücke in Verbindung mit dem Text unglaublich interessant.
So etwas kommt sogar recht häufig vor. Einige wollen uns nach ihrem Tod sogar ihren ganzen Körper überlassen, aber das geht allein schon aus platztechnischen Gründen nicht. Bei einzelnen Körperteilen müssen wir den Leuten dann immer mitteilen, dass sie das logistisch und finanziell gesehen selbst stemmen müssten. Uns stünden ja nicht mal die passenden medizinischen und wissenschaftlichen Einrichtungen zur Verfügung, um eine solche Prozedur durchzuführen.Manchmal werden uns auch Sachen von verstorbenen Verwandten oder so angeboten. Da ist die ganze Sache dann schon leichter und das nehmen wir dann auch meistens an. In Bezug auf die Leute, die uns nach ihrem Tod irgendetwas von sich selbst überlassen wollen, müssen wir jedoch sagen: „Danke, aber wir passen."