FYI.

This story is over 5 years old.

Interviews

Milli ist die legendärste Klofrau Wiens

Wir haben uns mit der guten Seele der Grellen Forelle unterhalten und versucht, Milli ein paar gute Klogeschichten zu entlocken.

Wer sich Mühe gibt, schafft es im Zuge einer rauschenden Nacht zwischen Sodom und Gomorrah tatsächlich alle 10 den Christen auferlegten Gebote zu brechen—zumindest, wenn man es mit Mord etwas lockerer nimmt und auch die regelrechte Hinrichtung von Million Gehirnzellen, die ordentliches Feiern mit sich bringt, dazuzählt. Grund genug also, sich am nächsten Tag zwischen Fastfood und Trash-TV-Marathon von Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen zerfressen zu lassen. Dementsprechend soll es auch Menschen geben, die hin und wieder ihre Taten beichten und sich für ihre Sünden schämen wollen, während ihr am Sonntagvormittag eher bei der Afterparty Billard auf den Bäuchen nackter Boytoys spielt.

Anzeige

Manchmal schießen die grausigen Gefühle jedoch schon während des Feierns durch die Synapsen. Für diese Geständnisse gibt es in der Grellen Forelle einen ganz besonders stillen Ort—und er hat nicht mit dem Beicht-, sondern einer etwas anderen Art von Stuhl zu tun. Personal (und auch hier gibts genug Anlässe Buße zu tun) wie Besucher des Clubs haben nämlich den Luxus, alle ihre Sünden zwischen Auspacken und Abschütteln loswerden zu können. Milli, die Herrin über die Herrentoilette, erteilt dort seit ziemlich genau zwei Jahren die Absolution—oder gelegentliche Watschen—aus. Letzteres zum Glück nur in Ausnahmefällen.

VICE: Liebe Milli, seit zwei Jahren bist du der gute Geist der Forelle.
Milli: Ja, aber dafür muss man einen eigenen Zugang finden. Aber die Arbeit macht mich auch glücklich, weil es interessant ist, mit Menschen zu arbeiten. Man braucht ein Gespür dafür, wie man mit den Leuten umgeht. Viele sind ja betrunken. Und von ganz jungen bis zu 50- oder 60-Jährigen ist alles dabei.

Hat dir schon einmal jemand Avancen gemacht?
Ja schon, aber ich achte nicht auf so etwas. Normalerweise akzeptiere ich auch keine Getränke, außer wenn es ein Gast ist, den ich schon lange kenne.

Bist du eigentlich verheiratet?
Ja, ich bin seit 37 Jahren verheiratet. Ich war 17, als ich meinen Mann getroffen hab.

Jetzt muss ich kurz rechnen 17 plus 37, das heißt du bist …
Ich bin 54.

Wow, ich hätte dich viel jünger geschätzt.
Die Arbeit hält mich jung. Die Arbeit und die Musik. Manchmal komme ich total gestresst in den Club, aber nach einer halben Stunde oder Stunde bin ich ein ganz anderer Mensch. Die Musik ist für's Herz und baut dich immer auf.

Anzeige

Hast du eine Lieblingsparty oder einen Lieblingsclub?
Meine Lieblingsveranstaltung war Heaven. Ich habe die ganze Zeit getanzt und die Leute waren ein Wahnsinn. Als meine Mama gestorben ist, hatte im am Abend Dienst und hab die ganze Nacht geweint. Aber mein Tisch war innerhalb kürzester Zeit voller Getränke und ich habe an diesem Abend keine Sekunde geputzt. Das haben alles die Gäste und Veranstalter erledigt. Ein Mann hat mich getröstet und gebusselt. Ich war wirklich fertig und es ist selten, dass ein Publikum so etwas wahrnimmt. Aber sie haben gespürt, dass ich Liebe gebraucht habe.

Und in der Forelle?
Die Meuterei mag ich am liebsten, aber die anderen Veranstaltungen sich auch voll ok. Die Leute sind alle sehr nett. Die Forelle ist voll gut besucht und hat auch ein sehr gutes Publikum, das mich akzeptiert. Genau so wie ich das Publikum mag. Die Stammgäste sind wirklich ganz nette Leute.

Haha, das hört sich jetzt so an, als wär der Matthias auch da. Apropos Matthias: Hat der in den letzten Monaten so zugenommen, weil du ihn immer mit Gummibärli fütterst?
Ja, der Matthias hat bissi zugenommen, aber der wird schon wieder abnehmen. Und ich habe immer Deos mit und Zuckerl für die Gäste, damit sie sich bedienen können. Ich würde auch Parfüms hinstellen, aber die Leute stehlen so etwas. Ich kann es mir nicht leisten, Parfüms zu kaufen, weil ich das von meinem Geld finanziere. Ich stelle am Abend zum Beispiel Deos hin, dann putze ich und wenn ich wieder zurückkomme, sind sie weg.

Anzeige

Es ist absurd, was alles gefladert wird. Gerade auch die Geschichte mit dem Stuhl …
Eines Abends, es war eine Veranstaltung von Radio Orange, da war freier Eintritt. Ich hatte viele Gummibärli dabei—eine ganze Schüssel voll. Aber als ich vom Kontrollgang zum Frauen-WC zurückgekommen bin, waren alle Gummibärli weg. Ratzeputz. Ich habe mich den ganzen Abend lang gefragt, wo die hin sind, haha.

Du hast sicher schon viele lustige Geschichten am Klo erlebt. Viele sind betrunken, manche sind bisserl anders drauf …
Ich mache den Job schon seit fünfzehn Jahren und manchmal kommen dir Idioten unter, aber echte Probleme gibt's immer nur mit Frauen. Einmal wollte eine mit einem Mann aufs Klo. Ich sagte, bitte verlassen sie die Toilette, wir haben eine eigene Frauentoilette, da hat sie mir einfach ihr Getränk ins Gesicht geschüttet. Dann habe ich sie aber gepackt. Ihr Typ hat ganz wild reagiert, aber ich hab sie einfach beide so am Hals gepackt.

Nein.
Doch. Da war auch ein Stammgast, der zugeschaut hat und der hat so viel gelacht, als ich beide fertig gemacht habe, dass er sich überhaupt nicht mehr zamreißen konnte. Und dann gibt es natürlich viele lustige Geschichten von Leuten, die auf die Toilette gehen und die Türe nicht mehr aufsperren können.

Ist schon einmal jemand auf dem Klo eingeschlafen?
Das ist ganz normal. Oft muss ich zur Sperrstunde Leute aus dem Klo holen, die es nicht mehr schaffen, sich die Hose raufzuziehen. Da hängt dann alles unten, haha. Manchmal, wenn die Situation nicht zum Spaßen ist, nehme ich mich aber schon zurück. Dann pass ich auf, das kann gefährlich sein. Das habe ich schon gelernt, wann es besser ist sich zurückzuziehen.

Anzeige

Das hat sicher auch damit zu tun, dass du über die Jahre ein Gespür entwickelt hast. Wie bist du eigentlich zu dem Job gekommen?
Vor 15 Jahren habe ich beim Kurt im Maxim das erste Mal gearbeitet, weil ich meine Cousine vertreten musste. Ich bin den ganzen Abend drinnen gestanden und um fünf wollte ich nach Hause gehen. Den ganzen Abend war nix los, also hab ich mir gedacht, dass da nichts großartiges mehr passieren wird. Aber der Chef hat nur gefragt: Wo willst du hin? Du bleibst jetzt da, es kommen gleich 500 Menschen. Ich dachte na Hallo, ich gehe jetzt nach Hause. Der spinnt, was redet der.

Um halb sechs kamen dann aber wirklich im Sekundentakt die Leute bis es bumvoll war. Ich habe einen Schock gekriegt, ich bin nur auf dem Sessel gesessen und habe den ganzen Abend nicht mal gewischt. Die Leute haben nur Geld geschmissen, Geld geschmissen und ich habe nur links, rechts, links, rechts, geschaut und habe direkt Angst bekommen. Die Krönung des Abends war dann, als mein Chef zu mir sagte: „Da hat sich ein Typ geschnitten, ganz stark, wir müssen das Blut wegwischen." Es war ein Typ, der mit einem Mädchen Sex haben wollte. Ich konnte nicht mehr, ich habe es abgewischt und bin nach Hause gegangen, das war der Anfang von allem.

Und mittlerweile bist du eine Legende.
Ich hab überall gearbeitet. Beim Heaven, Rosenball, für Miss Candy, die ich ganz besonders gerne mag, im U4. Ich hab so viele Leute getroffen.

Anzeige

Vermutlich waren da auch einige Prominente dabei, die an dir vorbeimarschiert sind.
Musiker, Schauspieler, die Namen vergisst du, du erinnerst dich nur an das Gesicht. Für mich ist jeder Gast, auch wenn er der Präsident ist, gleich. Jeder muss aufs Klo. Aber darüber rede ich nicht. Ich akzeptiere die Leute. Das gehört zum Leben.

Was war eigentlich die größte Spende, die du jemals erhalten hast?
In der Grellen Forelle war die größte Spende 50 Euro, in anderen Clubs habe ich auch schon mehrere Male 100 Euro bekommen. Aber darf ich dir meine größte Spende verraten? Die größte Spende waren 2500 in rumänischer Währung, beim Heaven, von den schwulen Leuten. Ich wollte das Geld immer wegschmeißen, ich wusste ja nicht wieviel das war. Da war ich eine Vertrauensperson, wahrscheinlich deshalb.

Es klingt immer komisch, wenn Leute fragen, wieviel es kostet auf's Klo zu gehen. Dann sage ich „das kostet eine halbe Million." Einmal in der Passage, wo ich mal gearbeitet habe, kurz vor Weihnachten, habe ich gewischt und ein Mann schmiss mir 100 Euro hin. Ich habe große Augen gemacht, 100 Euro sind sehr viel Geld. Ich konnte nicht einmal danke sagen. Und dann ist der Mann wiedergekommen und ich habe mich erschreckt. Aber wahrscheinlich hatte er kein Kleingeld, denn er hat mir wieder 100 gegeben.

Wie lange willst du das noch machen? Man wird ja auch älter und für mich ist Ausgehen oft schon zu anstrengend.
Ich möchte das noch machen, solange ich fit bin.

Ausschauen tust du auf jeden Fall noch sehr fit.
Ich muss jetzt noch abnehmen. Ich geh jetzt ins Fitnessstudio. Dann nehme ich 15 Kilo ab.

Warum willst du abnehmen?
Zehn Kilo müssen einfach runter.

Du bist ja verrückt. Aber OK, letzte Frage: Was sagst du zu der Kunst am Klo?
Es ist etwas anderes, es ist nicht so fad. Manche Sachen sind schon ein bissi Brutal, aber es ist cool. Ich bin auch für etwas Neues und die Leute finden das auch sehr interessant.