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Cop Watch

Die österreichische Polizei hat immer noch ein Rassismus-Problem

Der ZARA-Rassismusreport und zahlreiche Leserberichte machen klar, dass sich auf dem Gebiet so gut wie nichts getan hat.
Foto: Kurt Prinz

In den letzten Wochen und Monaten hat die österreichische und speziell auch die Wiener Polizei es einem verstärkt schwer gemacht, sich nicht über ihr Verhalten aufzuregen. Da wurde von Beamten berichtet, die eine Frau so massiv misshandeln, dass sie mit Brüchen im Krankenhaus landet, von Polizisten, die vor Gericht lügen und einem ganzen Haufen anderer Fehltritte. Aber neben einem grundsätzlichen Problem im Umgang mit ihrer Macht, scheinen viele Beamte auch ein tiefgreifendes Problem mit rassistischen Tendenzen zu haben.

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Ein Paradebeispiel, bei dem uns jemand von außerordentlich miesem Polizeiverhalten erzählte, haben wir in einem Gastbeitrag dokumentiert, der hier vor einigen Wochen veröffentlich wurde. In dem Artikel erzählt ein junger Mann davon, wie er bei einem Planquadrat von Polizisten an der U-Bahn-Station Josefstädter Straße aufgrund seiner Hautfarbe kontrolliert und schlussendlich ohne konkreten Verdacht festgenommen wurde, nur um danach eine Anzeige wegen Dingen zu erhalten, die laut ihm so nie passiert sind.

Als ich die Leser in einer Anmerkung am Ende des Artikels dazu aufgefordert habe, uns zu kontaktieren, falls sie in ähnlich unangenehme Situationen mit der Polizei kommen sollten oder bereits gekommen sind, war ich mir zunächst gar nicht sicher, was mir da so berichtet werden würde, und ob sich überhaupt Leute melden würden. Tatsächlich sind dann aber doch so viele teilweise ziemlich scheußliche Erlebnisberichte von Lesern, die laut ihren Aussagen aufgrund ihrer Erscheinung oder Herkunft von der Polizei diskriminiert wurden, in meinen Mails gelandet, dass in diesem Artikel nicht mal alle Platz finden könnten.

Ein Leser beispielsweise erzählt von einem Erlebnis bei einer Großveranstaltung im Prater, bei dem er beobachte, wie ein schwarzer Mann eine rauchende Frau um eine Zigarette bat und daraufhin zwei Polizisten, die in der Nähe waren, auf ihn zukamen. Der ältere der Polizisten meinte zu dem schwarzen Mann, dass er aufhören solle, hier zu betteln.

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Der Mann wäre von der Anschuldigung, dass er betteln würde, so überrascht gewesen, dass er es gar nicht schaffte, etwas zu seiner Verteidigung zu sagen. Dann habe der Polizist gesagt: „Heast schleich dich, du Neger. Du bist ja nicht mal ein Neger, du bist ein Drecksneger." Der vermeintlich „bettelnde" Mann wäre daraufhin tatsächlich gegangen, ohne dem Polizisten überhaupt etwas zu entgegnen. Später an dem Tag habe der Leser ihn noch einmal getroffen und ihn auf die Situation angesprochen. Der Mann habe nur gemeint, dass er so ein Verhalten von Seiten der Wiener Polizei einfach schon gewohnt sei.

Eine andere Leserin, die selber dunkelhäutig ist, berichtet, dass sie alleine in den letzten beiden Jahren fünf Mal von der Polizei aufgehalten und kontrolliert wurde—jedes Mal an der U6-Station Gumpendorfer Straße (eine Station, die wie die Josefstädter Straße ebenfalls den Ruf hat, ein Drogenumschlagplatz zu sein). Bei jeder einzelnen der Polizeikontrollen sei man ihr gegenüber respektlos gewesen und die Frau habe den Polizisten bei jedem Mal auch ganz klar gesagt, dass sie ihr Verhalten für Racial Profiling halte. Mittlerweile hat sie, um irgendwie zu vermeiden, permanent weiter in ähnliche Situationen zu kommen, begonnen, den Polizisten direkt und eindringlich in die Augen zu starren, um ihnen zu signalisieren, dass sie nichts zu verbergen hat.

Wenn man von solchen Erlebnissen liest, kommt einem als allererstes einmal die Galle hoch. Und die Tatsache, dass als Reaktion auf einen Artikel zu dem Thema gleich eine weitere Welle an ähnlichen Leser-Berichten daherkommt, legt irgendwie nahe, dass so etwas sehr regelmäßig passiert. Schlussendlich tut man sich aber auch schwer, tatsächlich einzuschätzen, wie häufig sich Polizeibeamte wirklich solche rassistischen Entgleisungen leisten oder Leuten nur aufgrund ihres Aussehens das Leben schwer machen.

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Eine ziemlich gute Stütze, um die Häufigkeit solcher Vorfälle halbwegs in einen Kontext zu stellen, stellt da der jährliche Rassismus-Report von ZARA dar. ZARA hat in diesem Fall natürlich nichts mit Kleidung zu tun, sondern ist die Abkürzung für den Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. Der Verein hat am vergangenen Freitag den neuen jährlichen Report für das Jahr 2014 vorgestellt, der versucht, die gemeldeten rassistischen Vorfälle in Österreich zu dokumentieren. Neben einem klaren Anstieg rassistischer Vorfalle im Allgemeinen (von 731 im Vorjahr auf 794), besonders auch jenen anti-islamischer Art—fällt laut ZARA auch auf, dass rassistischen Probleme der Polizei konstant zu bleiben scheinen.

Demnach hat sich, auch wenn der prozentuale Anteil der rassistischen Vorfälle im Zusammenhang mit der Polizei im letzten Jahr minimal gesunken wäre (von 8 Prozent auf 7 Prozent), auf diesem Gebiet so gut wie nichts verändert. Wie schon im Vorjahr basiert der größte Teil der rassistischen Polizeivorfälle auf sogenanntem ethnischen Profiling, das vor allem im öffentlichen Raum, etwa U-Bahn-Stationen, immer noch regelmäßig passiert. Ein wesentliches Problem sei laut ZARA außerdem, dass es den Betroffenen viel zu schwer gemacht werde, gegen solche Polizei-Aktionen Beschwerde einzulegen oder sich rechtlich wirksam zu wehren.

Manche der Polizei-Zwischenfälle im ZARA-Rassismus-Report ähneln dem Gastbeitrag, der bei uns veröffentlich wurde, stellenweise so stark, dass ich beim Lesen mancher Passagen teilweise das Gefühl hatte, ich würde überhaupt dieselbe Geschichte lesen. Ein offensichtlich immer wiederkehrendes Element sind etwa Personenkontrollen aufgrund des Aussehens, die im Nachhinein als „Routinekontrollen" abgetan werden.

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Foto: Kurt Prinz

Die Tatsache, dass die Leserberichte, die uns zugeschickt wurden, gar nicht an ZARA gemeldet wurden und in deren Bericht daher auch nicht aufscheinen (der Verein stellt auch gar keinen Anspruch auf Vollständigkeit), macht anschaulich, dass es im alltäglichen Leben mit ziemlicher Sicherheit noch weitaus öfter zu solchen Zwischenfälle kommt.

Beim Innenministerium werde ich auf die Frage, ob rassistisches Vorgehen von Polizei-Beamten ein besonders verbreitetes und ernstzunehmendes Problem ist, vom Pressesprecher Karl-Heinz Grundböck wiederholt darauf hingewiesen, dass Rassismus ja kein reines Polizeiproblem, sondern ein „gesamtgesellschaftliches Problem" sei, und der prozentuale Anteil von rassistischen Vorfällen im Zusammenhang mit Medien laut ZARA-Report im Übrigen ja ähnlich hoch ist, wie jener der Polizei. Trotzdem ergäbe sich für die Polizei durch die Macht, mit der sie ausgestattet ist, auch eine besondere Verantwortung im Umgang mit dem „Phänomen Rassismus". Wichtig sei laut Grundböck, sich dem Thema zu stellen—und das tue die österreichische Polizei auch.

Besonders in der Grundausbildung und in Fortbildungen werde das Thema stark forciert. Etwa mit einem Trainingsprogramm in Zusammenarbeit mit der Anti Defamation League, in dem die Beamten unter anderem lernen sollen, mit eigenen Vorurteilen umzugehen. Dieses Programm sei seit gut zehn Jahren verpflichtender Bestandteil in der Grundausbildung eines jeden Polizisten, und fände auch im Fortbildungsbereich Anwendung. Ein weiteres Projekt, das auf Anti-Rassismus-Arbeit abzielt, sei das Pilotprojekt Communicating Police (COP), das in Wien gerade am Anlaufen wäre.

Grundböck versichert mir aber auch, dass Methoden wie Racial Profiling offiziell auf keinen Fall angewendet werden. Personen können demnach auch bei Planquadraten —zumindest offiziell—nur wegen ihrem Verhalten aufgehalten werden und definitiv nicht wegen irgendwelcher äußerlichen Merkmale. (Wir erinnern uns: Der Mann in unserem Gastbeitrag war wegen „mangelnder Körperhygiene und schmutziger Kleidung" aufgehalten worden, wie von der Polizei im Nachhinein angegeben wurde.) Das Gefühl, dass aber auch Grundböck bewusst ist, dass die Praxis trotz dieser Bemühungen oft immer noch ganz anders aussieht und Rassismus von Polizei und Justiz gerne einmal unter den Teppich gekehrt und ignoriert werden, bin ich während des gesamten Gespräches trotzdem nie ganz losgeworden.

Dass die Bemühungen von Seiten des Innenministeriums da sind, die Probleme zumindest in den Griff zu bekommen, kann man glauben. Dass diese Bemühungen tatsächlich ausreichend sind, um all diese Vorfällen im Alltag irgendwann tatsächlich zu vermeiden, bezweifle ich nach der Arbeit an diesem Artikel aber eigentlich noch stärker als davor. Und solange die Beamten im Hinterkopf haben, dass sie ohne gröbere Konsequenzen aussteigen können, wenn sie Leute beschimpfen, vorverurteilen oder vielleicht gar misshandeln, und die Betroffenen so gut wie keine Chance haben, sich wirksam zu wehren (2014 gab es in Österreich keine einzige Verurteilung wegen polizeilichem Fehlverhalten), kann man sich auch nicht darüber wundern, dass solche Aktionen weiterhin passieren.

Folgt Tori auf Twitter: @TorisNest