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Reisen

Unabhängigkeitstag in Madagaskar

Wer braucht die Franzosen, wenn man Ninjas (und Jedis) in der Armee hat?

Ein Land, das sich in jeder Hinsicht völlig am Arsch der Welt befindet, kann in seiner Abgeschiedenheit wohl gar nicht anders, als nicht alle Tassen im Schrank zu haben. Oder womöglich war Madagaskar auch einfach auf schlechtem serbischen Speed, als es beschloss, seine Unabhängigkeit zu feiern. Du kennst das Sprichwort: „Weniger ist mehr“? Nun ja, nicht so in Madagaskar. Stattdessen verwandelte sich alles in ein Meer aus Flaggen und Knarren und zwar als Teil einer im Wesentlichen 48-stündigen Sause, mit der gefeiert wird, dass sie einst die Franzosen aus dem Land kickten. An dieser Stelle sei kurz angemerkt, dass die Insel seitdem von einem besonders mächtigen französischen Stamm, der aus lüsternen, alten Männern mit einer Vorliebe für junge madagassische Damen besteht, re-kolonialisiert wurde—aber hey, lasst uns jetzt nicht die Stimmung versauen. Hier ist der Unabhängigkeitstag eine große Sache. Wir haben in Madagaskars Hauptstadt, Antananarivo, gefeiert; einer Stadt, bei der es selbst dem verkommensten Immobilienhai schwer fallen dürfte, sie als „pulsierend“ oder „aufstrebend“ zu beschreiben. Wenn man jedoch die Augen ein wenig zukneift, sieht sie eigentlich doch ganz nett aus, wie eine Stadt in den italienischen Bergen, nur mit mehr Korruption.

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Hier quetschen sich alle in einen Toyota und verbringen den Abend damit, sich volllaufen zu lassen und unter dubiosen Bedingungen hergestelltes Feuerwerk zu zünden. Am nächsten Tag folgen dann ungefähr acht Stunden lang Konzerte und Paraden in glühender Hitze. Es ist wie eine Mischung aus dem 4. Juli und Ballermann 6.

Überall begegnete man einem beängstigenden Maß an Missachtung von Gesundheits- und Sicherheitsvorkehrungen—Kinder reiten auf Ponys herum, während neben ihnen Männer mit angezündeten Raketen wedeln, und einen solchen hochmütigen Umgang mit Pyrotechnik in den bloßen Hände trifft man nicht nur bei jungen Männern an … Das offizielle Feuerwerk ist hier ein Riesenereignis und wir liefen mit dem Pulk, der aus der ganzen Stadt bestanden haben dürfte, zum herzförmigen und ehemals idyllischen (jetzt von menschlichen Fäkalien umgebenen) Anosy-See.

Es gab gegen 18 Uhr einen Massenexodus aus dem Stadtzentrum, dann machen nämlich alle Läden dicht. In der Stadt gibt es keine Straßenbeleuchtung, also folgten wir einfach der Menge zu einem improvisierten Festplatz, um die Aussicht zu genießen.

Es war so cool, wie Festplätze eben sein können. Es gab Bier und ein selbstgebrautes Getränk, man konnte zocken und es gab ein Karussell, das so laut und hektisch war, dass es schien, als wäre es von schierer menschlicher Streitlust betrieben.

Am nächsten Morgen sind wir in aller Frische vorbei an madagassischen Soldaten im Einsatz wieder hinunter in das Zentrum der nächtlichen Festlichkeiten gepilgert. Nichts lässt einen sich so sicher fühlen wie ein Haufen Kerle, die lässig mit ihren AK-47-Gewehren herumsitzen. Die Parade selbst wurde zu Ehren Andry Rajoelinas abgehalten, Sohn eines Generals, ehemaliger, zum Kinderpräsidenten gewordener DJ und Medien-Tycoon.

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Andry Rajoelina

Rajoelina ist ein Arsch. Nein, im Ernst, er ist ein absolutes Arschloch. Im Jahr 2009 hat er einen Coup gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Ravalomanana gestartet, prompt das Parlament suspendiert und erklärt, dass ab jetzt ER entscheidet, wie die Dinge hier laufen.

Außerdem musste er die Verfassung etwas frisieren, um das Problem zu umgehen, dass er ungefähr 12 ist—bis dato musste man mindestens in der Pubertät sein, um für das Amt zu kandidieren—, und er fügte eine Klausel hinzu, die besagt, dass Voraussetzung, um anzutreten, ein Wohnsitz in Madagaskar ist. Was  ganz praktisch war, weil er die Opposition ins Exil beförderte. Der Mo-Ibrahim-Preis ist wohl bei der Post verloren gegangen, hm?

Aber gegen guten Stil kommt man nicht an. Und Rajoelina kam in einem silbernen Humvee mit offenem Verdeck an, eskortiert von nicht weniger als fünf Fahrzeugen. Was folgte, war eines der besten und auch langweiligsten Ereignisse, die wir jemals gesehen haben: Soldaten, die eine ganze Stunde lang sehr langsam über den VIP-Bereich liefen, gerade so weit entfernt, dass wir, und eigentlich jeder im Stadion, nicht wirklich etwas sehen konnten. Es war lang, heiß und stumpfsinnig, aber noch unangenehmer war es für die Generäle, die dort standen und jedes Mal salutieren mussten, wenn eine Einheit vorbeikam—was in Intervallen von zwei Minuten passierte. So bekamen sie auf jeden Fall ein intensives Beintraining.

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Die Ninjas (jup, Madagaskar hat tatsächlich eine Ninja-Einheit) waren ziemlich geil, sie trabten schnell vorbei, von Kopf bis Fuß in schwarzes Lycra gehüllt, in etwas, das aussah wie ein Ganzkörperanzug, der den Kopf und das Gesicht mit bedeckte.

Nach den Ninjas wurde uns in einer Parade nahezu der komplette Besitz des Militärs vorgeführt. Es gab Autos, Panzer, offene Trucks mit Soldaten drin und dann war da noch die Kavallerie, in der zwei von fünf Pferden ausrissen. Sie wurden rasch von der Fahrraddivision verfolgt, die in wunderschönem Einklang radelte, ein wenig so wie in diesem einen Video von Morrissey, nur dass da alle Nerds ohne riesige Waffen rumgefahren sind.

Spekulationen darüber, wie zur Hölle sie die Flotte vorführen wollten, wurde schnell ein Ende bereitet, als ein paar auf Rollwägen geladene Schnellboote am Präsidenten vorbeigezogen wurden. Bei näherem Betrachten, konnte man erkennen, dass die Passagiere in den Booten nicht nur gezwungen wurden, bei glühender Hitze Tauchanzüge zu tragen, sondern auch noch Taucherbrillen.

Die Luftwaffe bildete den Höhepunkt, als sie die beiden Flieger der Luftkraft zweimal an uns vorbeifliegen ließen, damit es so aussah, als seien es vier. Dann kamen die Helikopter, die zuerst mit einer gigantischen madagassischen Flagge vorbeiflogen, bevor sie hinabstiegen und dabei so etwas wie einen Heli-Tango aufführten, bei dem sie einander umkreisten. Das alles passierte ungefähr einen Meter über dem Boden. Am schwersten hatte es allerdings die Wartungsdivsion, denn es gibt wirklich keine Möglichkeit, einen Bagger auf einem Rollwagen cool aussehen zu lassen.

Als die 30.000 Leute, die sich für gefühlte neun Stunden in das Stadion gedrängt hatten, Richtung Ausgang wuselten, musste die Parade einen würdelosen Rückzug antreten. Es gab kein Durchkommen durch die Massen.

Obwohl ich gerne behaupten würde, wir seien für das traditionelle madagassische Konzert geblieben, sind wir heimgegangen und haben uns Madagaskar im Fernsehen angeschaut, was nebenbei bemerkt eine ziemlich merkwürdige Auswahl für einen Film ist, der an diesem nationalistischsten aller Tage gezeigt wurde, geht es in dem Film doch darum, dass die Hauptfiguren aus Madagaskar fliehen wollen.