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Die süßen Verrückten von Adis Abeba

Psychisch Kranke in Äthopien haben ihre ganz eigene Würde und ihren ganz eigenen Stil.

Es gibt viele Menschen auf der Welt, die an psychischen Erkrankungen leiden, und die meisten von ihnen scheinen in der Hauptstadt von Äthiopien, Addis Abeba, zu leben. Das habe ich auf einer Klassenfahrt herausgefunden. Der erste, den ich gesehen habe, führte mitten auf einer Verkehrsinsel eine angeregte Unterhaltung mit dem Himmel. Er hatte Zigaretten in beiden Nasenlöcher, trug eine 70er Jahre-Pilotensonnenbrille und sein Outfit war ein Sammelsurium zerfranster, ausgetragener, wundervoll zusammenpassender Teile. Er sah wie eine mythische Gestalt aus. Als ich mich ihm näherte, warf er mir einen Stein an den Kopf. Während meiner Reise sah ich Hunderte mehr, alle von ihnen besser gekleidet als irgendein Model auf irgendeinem Laufsteg. Sie trugen Flaschen, selbst gemachte Hüte oder waren komplett in Kunstleder gekleidet. Dieses Phänomen gibt es so oft in Äthiopien, dass es für diese Menschen einen eigene Namen gibt: Süße Verrückte. Das klingt nicht wirklich politisch korrekt, aber es ist eine liebevolle Bezeichnung.

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       Als ich wieder zu Hause war, konnte ich diesen Süßen Verrückten einfach nicht aus meinem Kopf bekommen, also entschied ich mich, zurück nach Äthiopien zu fahren, um ein Fotoprojekt über die stilvollen Wahnsinnigen zu machen. Laut einigen Statistiken leiden 15% der erwachsenen Äthiopier (d.h. ungefähr 12 Millionen Menschen insgesamt) an psychischen Störungen. Und dennoch gibt es im ganzen Land nur eine psychiatrische Klinik.

Ich habe also dieses Krankenhaus besucht, aber der Sprecher der Klinik wollte erst mit mir sprechen, nachdem ich einwilligte, weder seinen noch den Namen der Einrichtung zu nennen. Es war ein grausamer Ort. Die Süßen Verrückten liefen traurig die Korridore entlang. Ihre Köpfe waren rasiert und die pompösen Outfits durch langweilige Pyjamas getauscht.

„Wann immer jemand an einer geistigen Störung leidet, denken die Leute häufig, dass böse Geister seinen Körper übernommen haben“, sagte der auf eigenen Wunsch hin anonyme Sprecher. „Aus Angst setzen Familien ihre eigenen Kinder auf die Straße. Und die Leute, die sich ihrer Probleme bewusst sind, haben meistens keine Ahnung, wie sich helfen lassen können. Viele betrachten eine Behandlungen mit Weihwasser als die einzige mögliche Lösung.“ Diese Behandlung findet in einer Kirche statt, wo ein Priester in einer schwarzen Robe den Geisteskranken mit einem Gartenschlauch bespritzt. Laut des Sprechers sollten mehr Menschen wissenschaftlich behandelt werden. Er hasst die Bezeichnung Süße Verrückte und er sagte: „Diese Menschen sind Patienten, die unter einer Krankheit leiden. Indem man ihnen solch einen Namen gibt, werden sie automatisch stigmatisiert. Das bedeutet, dass sie nichts anderes sein können als verrückt.

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Ich verstehe, dass es keine einfache Sache ist, ein Süßer Verrückter zu sein und dass die meisten von ihnen dringend eine Therapie oder Medikamente brauchen, aber sie schienen mir mehr zu sein als Opfer. Wahrscheinlich bin ich naiv, aber der Stolz und die Würde, die sie umgab, waren einfach zu eindrucksvoll. Ich frage mich, wie viele von ihnen als krank bezeichnet werden, nur weil sie so aussehen?

Aus Respekt für die Süßen Verrückten habe ich mich entschlossen, sie nicht in den verschmutzten Straßen zu fotografieren. Stattdessen nahm ich sie mit in ein typisches äthiopischen Fotostudio mit römischen Säulen und goldenen Thronen. Dorthin gehen eigentlich die Frischvermählten, um schick und wohlhabend auszusehen. Zusammen mit meinem äthiopischen Freund Solomon habe ich einen Monat lang versucht, mich mit den Süßen Verrückten anzufreunden, um sie von meinem Projekt zu überzeugen.

Viele der Süßen Verrückten fühlten sich geschmeichelt und küssten und umarmten mich, nachdem wir die Aufnahmen gemacht hatten. Einige von ihnen waren ziemlich gereizt. Ein Typ ist komplett durchgedreht, nachdem ein anderer Kunde einen gemeinen Witz gerissen hatte. Er ist abgehauen ab und wir wurden von einer Gruppe Wächter mit Schlagstöcken aus dem Studio gejagt. Am nächsten Tag habe ich den Typ auf der Straße getroffen und er schien die ganze Sache vergessen zu haben und hat mir zugewunken, als wäre nichts gewesen.