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Antisemitismus

Was macht ein Abgeordneter des österreichischen Nationalrats auf einer rechtsextremen Konferenz?

Johannes Hübner von der FPÖ soll bei einem Kongress antisemitische Sager von sich gegeben haben. Laut FPÖ war alles anders gemeint. So weit, so gut – wenn da nicht seine Teilnahme am Kongress wäre.

Nach einem Bericht im Standard sieht sich der Nationalratsabgeordnete und außenpolitische Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner, mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert. Er soll im Juni 2016 auf einer Konferenz im deutschen Thüringen gesagt haben, der österreichische Rechtswissenschaftler und Verfassungsarchitekt Hans Kelsen habe eigentlich Hans Kohn geheißen – ein "Vorwurf", der bereits in den 1930ern gegen Kelsen verwendet wurde und in den 1960ern vom antisemitischen Universitätsprofessor Taras Borodajkewycz wieder aufgegriffen wurde.

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Die Bezeichnung "Khon" ist zudem laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) ein Code in antisemitischen Kreisen, um jemanden als "jüdisch" zu umschreiben. Doch wo lassen sich solche antisemitischen Codes heute noch sagen? Wo werden sie verstanden? Und wo stoßen sie auf Begeisterung?

Konsequenzlos bleiben solche Sager allem Anschein nach innerhalb der FPÖ – trotz aller Beteuerungen, bei Antisemitismus keinen "Spaß" zu verstehen. Ganz sicher verstanden haben Hübners antisemitische Anspielungen aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jahreskonferenz der Gesellschaft für freie Publizistik (GfP), wo Hübner als Redner auftrat. Laut Standard kommentierte das Publikum die antisemitischen Äußerungen mit Gelächter.

Dass Hübners Aussagen nun veröffentlicht wurden, ist gut und wichtig. Dass die FPÖ die Situation runterzuspielen versucht und eine Kampagne gegen die Partei wittert, sollte nicht weiter verwundern.

Was jedoch verwundert, ist, dass selbst unter den kritischen Stimmen kaum jemand die Teilnahme eines österreichischen Nationalratsabgeordneten an einer rechtsextremen Konferenz an sich thematisiert. Hübners antisemitische Aussagen sind eigentlich nur die Krönung seines Auftritts als Redner vor der Gesellschaft für freie Publizistik.

Bei der Gesellschaft für freie Publizistik handelt es sich um ein Netzwerk rechtsextremer Verleger und Publizisten.

Die GfP wurde 1960 von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären gegründet. Laut dem deutschen Verfassungsschutz stellt sie bis heute die größte rechtsextreme Kulturvereinigung im deutschsprachigen Raum dar. Unter den Gründern der GfP findet sich unter anderem Helmut Sündermann, der als stellvertretender Reichspressechef der NSDAP zum engen Kreis rund um Adolf Hitler gehörte.

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Dennoch heißt es zur Gründung der GfP bis heute auf der offiziellen Homepage lapidar, man habe sich zusammengeschlossen, "um sich gegen eine unheilvolle Entwicklung zu verbinden und zur Sammlung aller aufzurufen, die für die Freiheit des Wortes eintreten wollen".

Tatsächlich handelt es sich bei der GfP um einen Zusammenschluss mehrere rechtsextremer Verleger, Publizisten und Autoren mit "eindeutig rechtsextremistischer Ausrichtung", wie aus dem Baden-Württembergischen Verfassungsschutzbericht 2007 hervorgeht. Auch von einer Nähe zur NPD ist in dem Bericht die Rede.

Dass ein Nationalratsabgeordneter seinen Auftritt zur Verbreitung von antisemitischen Äußerungen und Verschwörungstheorien nützt, wäre vielerorts ein Rücktrittsgrund.

Zu den Aktivitäten der GfP gehört, neben der Abhaltung des jährlichen Kongresses, auch die Verleihung des sogenannten "Ulrich-von-Hutten-Preis" an "verdiente Publizisten, Autoren, Verleger und Persönlichkeiten, deren Handeln immer auf die Wahrung deutscher Interessen gerichtet war". Zu diesen "Persönlichkeiten" gehören zum Beispiel der Kampfflieger und Neonazi-Verteidiger Hajo Herrmann, der Kriegsverbrecher Erich Priebke, oder auch der SA-Sturmführer und spätere FPÖ-Politiker Otto Scrinzi.

Publizistisch fiel die GfP in den letzten Jahren neben einschlägig rechtsextremer und geschichtsrevisionistischer Literatur vor allem mit dem Büchlein "Mäxchen Treuherz" auf, das auch via Amazon erhältlich ist. Dabei handelt es sich um eine Art juristischen Ratgeber für politisch Aktive, der sich vor allem in der deutschen Neonaziszene großer Beliebtheit erfreut.

Dass ein Abgeordneter des österreichischen Nationalrats dem Kongress einer solchen Organisation als Redner einen offiziellen Anschein verleiht, ist eigentlich Skandal genug. Dass er seinen Auftritt dann auch noch zur Verbreitung von antisemitischen Äußerungen und Verschwörungstheorien nützt, wäre vielerorts ein Rücktrittsgrund.

Dass die FPÖ aus Johann Hübners Teilnahme am Kongress der Gesellschaft für freie Publizistik und seinen dort getätigten Aussagen keine angemessene Konsequenz zieht, zeigt, dass die FPÖ noch immer ein lang gewachsenes Problem mit – oder zumindest eine ausgereifte Toleranz gegenüber – Antisemitismus in den eigenen Reihen hat. Was das für SPÖ und ÖVP und mögliche Koalitionen nach der Wahl bedeutet, müssen sich die Parteien und Wähler jedenfalls sehr gut überlegen.

Paul auf Twitter: @gewitterland

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