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Ein Liebesbrief an ...

Ein Liebesbrief von Radio Havanna ans Utopia

"Arbeit wird gemacht, weil Individuen das, was sie tun, abfeiern. Und nicht, um die Miete zu bezahlen und mit Pferdefleisch und Rattenkotze angereicherten Discounterfraß auf den Tisch stellen zu können."
Foto: Victor Schanz

Sagen wir, wie es ist: Im Internet überwiegt der Hass. Ein Blick in die Kommentarfelder von YouTube oder Facebook reicht da meist schon, um den Glauben an das Gute auf dieser Welt täglich aufs Neue zu verlieren. Das ist doch scheiße. Also konzentrieren wir uns lieber auf die schönen Seiten im Leben, die absolut wunderbaren Dinge, die unseren Alltag bereichern, uns zum Lächeln bringen. Dinge, die wir verdammt nochmal lieben.

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Da vor allem Musiker und Musikerinnen online oft die volle Wucht der Missgunst zu spüren bekommen, geben wir ihnen hier die Möglichkeit, dem Hassklima mit einer großen Ladung reiner Liebe die Stirn zu bieten. Wir geben ihnen einen komplett freien Raum, in welchem sie ihre Liebe zu einer Person, einer Sache, einem Gefühl, einem Was-auch-immer in selbst gewählte Worte fassen können.

Heute schreibt Arni, der Gitarrist der Punk-Band Radio Havanna, ans Utopia und fragt sich, warum wir alle eigentlich den gleichen Traum einer perfekten Gesellschaft haben und dennoch so viel Scheiße in der Welt passiert. Utopia heißt nicht ganz zufällig auch das neue Album, das am 12. Januar erscheint, was sie am 13. Januar im Berliner Lido mit ihrem 500. Konzert der Bandgeschichte feiern. Arni hat sich also verdammt viele Gedanken gemacht.

"Liebes Utopia,

ich hoffe dir geht es gut und das Wetter ist bei dir wie immer bestens. Ich wette, dass ich in den stürmischen Zeiten nicht der Einzige bin, der dir schreibt oder der nachts wachliegt und an dich denkt.

Laut Wikipedia bist du ja nur der fiktive Entwurf einer Gesellschaftsordnung. Dabei wissen doch alle, dass du soviel mehr bist als nur das.

Du bist die Smaragdstadt, der Mond Pandora, das Lummerland und Phantasien. Du bist der Inbegriff von erfülltem miteinander Leben. Du bist fast schon eine Definition von kollektivem Glück.

Du lebst in den Köpfen aller Menschen und davon leite ich in vollstem philanthropischen Übereifer ab, dass alle Menschen an eine Welt glauben, in der es keine ethische, rechtliche und finanzielle Ungleichheit gibt. Dass die Herkunft nicht über das Leben entscheidet. Dass es Menschen auch eigentlich gar nicht so egal ist, wer da am anderen Ende der Welt gerade verhungert. Oder dass es Menschen eventuell doch gar nicht so normal finden, Grenzen zu ziehen, um ihren Wohlstand zu beschützen, dabei aber den Menschen auf der anderen Grenzseite jede Chance auf diesen Wohlstand absprechen.

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Bei dir schauen die Menschen aufeinander. Hier ist es niemanden egal, was sein Nachbar macht und weshalb es ihm nicht so gut geht. Ach, und vor allem kennen hier alle Ihre Nachbarn. Jemandem zu helfen, ist hier mehr wert als buntbedrucktes Papier. Der Junge im Erdgeschoss hilft hier gerne der Oma im vierten Stock. Die Oma gibt ihm als Dankeschön keinen Euro. Sie sagt "Danke" und das zählt hier weit mehr als Geld.

Überhaupt gibt es hier keine Banken. Menschen leben hier in einem System, in welchem sie komplett ohne Geld, Kredite, Zinsen und Schulden auskommen. Hier spielt Besitz keine große Rolle, denn alles gehört sowieso allen. Somit gibt es auch keine Banker oder kruden Geschäftsmänner, die sich an den Konsumnachfragen bereichern. Hier gibt es beispielsweise Niemanden, der eine Wasserquelle kaufen kann und dann den Menschen den Zutritt zum Trinkwasser nur noch gegen Geld gewährt. Das Grundrecht auf Trinkwasser wird hier wirklich gelebt.

Arbeit wird gemacht, weil Individuen das, was sie tun, abfeiern. Es macht sie glücklich. Zum Beispiel, anderen Menschen zu helfen. Kunst oder Musik. Und nicht, um die Miete zu bezahlen und mit Pferdefleisch und Rattenkotze angereicherten Discounterfraß auf den Tisch stellen zu können. Deshalb muss hier auch niemand 10 Stunden pro Tag an irgendwelchen Fabrikbändern stehen. Das alles erledigen Roboter, während alle mehr Freizeit haben. Ach und überhaupt, arbeitet hier niemand länger als zwei Stunden pro Tag.

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Nazis gibt’s natürlich keine mehr. Genauso wenig wie Frauenfeinde oder Homophobe. Heute gar nicht mehr vorstellbar, dass das 2016 allen Ernstes passiert ist: Mit Donald Trump kam ein Mann ins höchste Staatsamt der Welt, der ein offener Rassist und Frauenfeind war. Für solche Cowboys ist hier kein Platz mehr.

Und überhaupt juckt es hier eben niemanden, wer mit wem auch immer vögelt oder wie er das tut. Die Sensationsgeilheit weicht Konfrontationen und Diskussionen.

Die Umwelt konnten wir natürlich nicht retten, dafür war schon 2017 viel zu viel zerstört. Aber wir haben das Beste daraus gemacht und dafür gibt es Bier als Grundnahrungsmittel kostenfrei an sämtlichen öffentlichen Brunnen in bester Qualität.

Wie so viele Schwärmereien, bleibt meine für dich wohl für immer unerhört.

Trotzdem ist der Gedanke an dich Motivation, Energie und Hoffnung. Ich hoffe mit dir kann ich bis an mein Lebensende ein Stück weit Kind bleiben und träumen."

Radio Havanna auf Tour

13.01. DE - Berlin - Lido (500. Radio Havanna Show + Album-Releasekonzert)
05.04. DE - Hamburg - Hafenklang
06.04. DE - Bremen - Tower
07.04. DE - Hannover - Faust
12.04. DE - Frankfurt - Nachtleben
13.04. DE - München - Backstage Club
14.04. DE - Stuttgart - Kellerclub
20.04. DE - Dresden - Scheune
21.04. DE - Düsseldorf - Tube
27.04. DE - Jena - Kassablanka
28.04. AT - Wien - Arena

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