Wie China seine Ronaldos in seinem Fußball-Hogwarts züchtet
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Wie China seine Ronaldos in seinem Fußball-Hogwarts züchtet

Millionen Chinesen stehen nachts für Spiele von Bayern und Co. auf. Dieselbe Begeisterung will Chinas Staatspräsident auch für die heimische Liga entwickeln. Die „Evergrande Football School" und Trainer von Real Madrid sollen dabei helfen.

Vor den Toren der Evergrande Football School steht eine überdimensionale Kopie der WM-Trophäe. Und die zeigt den Besuchern gleichmal, wo es für den chinesischen Fußball hingehen soll. Denn Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat sich und seinem Volk zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2050 der Weltspitze anzugehören. Und für dieses Ziel hat China, genauer gesagt der chinesische Rekordmeister Guangzhou Evergrande, vor rund fünf Jahren ein Fußballinternat von gigantischer Größe (65 Hektar) errichten lassen. Genau hier sollen die chinesischen Ronaldos der Zukunft gezüchtet werden.

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Für rund 170 Millionen Euro wurde in gerade mal elf Monaten diese riesige Talentschmiede gebaut, die Platz für rund 3.000 Kinder bietet. Auf 50 Fußballfeldern verschiedener Größe wird den Schülern das Fußballspielen beigebracht. Doch nicht nur Fußball steht auf dem Lehrplan. 80 Prozent des Tages sitzen die Schüler im Unterricht. Wenn es dann für die Schüler auf den Platz geht – sechs Mal die Woche – kann sich Chinas Fußball-Zukunft neben einheimischen Coaches auf topausgebildete Trainer aus Europa verlassen. Denn einer Kooperation zwischen Evergrande und Real Madrid sei Dank arbeiten auch 24 von Real Madrid ausgebildete Trainer in der Evergrande Football School. Tendenz steigend.

Ein Schüler im Unterricht; Foto: Imago

Doch nicht nur die königlichen Trainer, sondern auch die Schar an Sportstätten, die schlossähnlichen Häuser, das Schwimmbad, das Stadion und die sechs Mensas kosten natürlich eine Stange Geld. Doch wenn es Evergrande – und dem chinesischen Fußball – an einer Sache nicht fehlt, dann ist es Geld. Im Fall des von Felipe Scolari trainierten Klubs aus der südchinesischen Provinz Guangdong pumpt der Online-Handelsgigant Alibaba Unmengen von Renminbi rein.

Dass immer mehr chinesische Unternehmer ihr Geld im Fußball anlegen, hat vor allem mit dem obersten Mann im Reich der Mitte zu tun. Staatspräsident Xi Jinping, selbst Fußballfan seit Kindheitstagen, erklärte eine erfolgreiche Zukunft des chinesischen Fußballs zur „nationalen Prestigefrage" und als „entscheidend auf Chinas Weg zu einer Sportnation". Seine Pläne sind ambitioniert. China soll sich bald für eine WM qualifizieren, ein Großturnier ausrichten und schließlich den Titel gewinnen. Xi Jinpengs erste Maßnahmen: An Chinas Schulen wurde Fußball verpflichtend im Stundenplan verankert. Außerdem sollen in den kommenden zehn Jahren bis zu 20.000 Fußballschulen gebaut werden – finanziell tatkräftig unterstützt von Chinas reichsten Unternehmern.

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Das zeigt, dass der chinesische Fußball mehr ist als nur astronomische Ablösesummen für Spieler aus Europa. Der chinesische Fußballexperte und Regierungsberater Qiang Bai sieht den kostspieligen Einkauf von Tevez, Oscar und Co. eh nicht im Widerspruch zu einem nachhaltigen Aufbau des chinesischen Fußballs. „Die Superstars dienen jetzt erst mal dazu, dass sich mehr Chinesen für die heimische Liga interessieren. Aber das mit den dicken Einkäufen wird nicht ewig so weitergehen", erklärte er in einem Interview mit der ZEIT. Dazu passt auch, dass der chinesische Verband vor Kurzem verkündete, dass ab sofort nicht mehr als vier ausländische Spieler im Kader stehen dürfen - und maximal drei auf dem Spielfeld. Außerdem muss auch ein Chinese unter 23 Jahren mitspielen. Millionen Chinesen stellen sich nachts den Wecker, um keine Spiele von Real Madrid, Bayern München oder Manchester United zu verpassen. Geht es nach Leuten wie Xi Jinping oder Qiang Bai, sollen dieselben Fußballfans irgendwann – am besten natürlich bald – dieselbe Begeisterung für die heimische Chinese Super League zeigen.

Doch zurück auf den Campus der Evergrande Football School. Dort berichtet einer der spanischen Trainer über seine Aufgaben:

„Wir lassen sie improvisieren und sorgen dafür, dass sie Spaß haben". Doch in Wirklichkeit geht es nicht darum, dass hier Kinder und Jugendliche Spaß haben – es geht um die Großmacht-Ansprüche Chinas. Übrigens hat der „Spaß" auch seinen Preis: Die Schulgebühr beläuft sich auf rund 12.000 Dollar. Für all diejenigen, die sich das nicht leisten können, gibt es Stipendien. Und damit noch mehr (über)motivierte Eltern ihre Kinder frühzeitig zum Fußball schicken, wird daran gearbeitet, dass auch Fußball zu einem Aufnahmekriterium an chinesischen Hochschulen wird.

Um die Zukunft des chinesischen Fußballs scheint es also nicht gerade schlecht bestellt zu sein, vorausgesetzt, der Staat und die Wirtschaft verlieren nicht das Interesse. Einen Haken gibt es aber doch: Auch wenn das laut Guinness World Records größte Fußballinternat der Welt in den nächsten Jahren sehr viele Nachwuchskicker hervorbringen wird – Fußball ist und bleibt ein Teamsport. Und die bekanntermaßen fabrikähnlichen Schulen in China sind vor allem gut darin, eines zu produzieren: Individualisten. Dass aber auch Individualisten einen Unterschied machen können, zeigt Real Madrids Bester, Cristiano Ronaldo, regelmäßig. Wir können also gespannt sein.