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Brutales Mobbing im Westjordanland

Es gibt einen neuen Trend in Sachen Hass und Gewalt im Nahen Osten. Von Brandstiftung, Steinigung bis hin zu Mord ist bei "Price Tagging" alles mit dabei.

Keine Ahnung, ob du jemals davon gehört hast, aber seitdem israelischen Siedler ins Westjordanland gekommen sind, gibt es Probleme zwischen ihnen und der dort ansässigen palästinensischen Bevölkerung. In den letzten Jahren jedoch entstand eine neue Form der Feindseligkeit: Eine Art der Selbstjustiz, die unter dem Begriff „Price Tagging“ bekannt wurde. Price Tagging wird von ein paar Tausenden dort lebenden jüdisch-orthodoxen Extremisten angewandt, die in kleinen Gruppen organisiert sind. Price Tagging kann vieles beinhalten: vom Abbrennen und Entwurzeln palästinensischer Olivenbaumgärten über die Steinigung palästinensischer Häuser und Fahrzeuge sogar bis hin zu Mord. (Hinterher wird ein Graffiti mit „Price Tag“ auf Hebräisch an die Wände gesprüht—wenn das passiert, dann weißt du im Prinzip, dass du wahrscheinlich gerade Opfer von Price Tagging geworden bist.)

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Siedler lassen den großen Macker raus hängen Price Tagging-Angriffe waren anfangs Vergeltungstaten, die verübt wurden, als palästinensische oder lokale Behörden wie die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) illegale, jüdische Siedlungen im Westjordanland zerstörten. Aber seitdem Palästina im Oktober letzten Jahres in den Club der großen Jungs, die UNESCO, aufgenommen wurde, haben die Price Tagger diese „Auge um Auge“-Politik zu Gunsten einer proaktiveren Vorgehensweise fallen gelassen. Sie attackieren Moscheen, Armeestützpunkte und Leute—ohne vorher Däumchen zu drehen und darauf zu warten, provoziert zu werden.

Die Price Tagger haben sogar damit begonnen, gegen die eigenen Leute vorzugehen, indem sie linksradikale Israelis herausgreifen, die die Besetzung als illegal bezeichnet haben. Im November fand Hagit Ofran von der Friedensgruppe Peace Now Hakenkreuze, Morddrohungen und die Namen kürzlich gesäuberter Siedlungen als Graffitis auf ihrem Haus und ihrem Wagen vor. Eine Woche später ging im Peace Now-Hauptquartier eine Bombendrohung ein, was das Warten auf Frieden im Mittleren Osten verlängert hat, so lange ein Polizist eben braucht, um ein Büro auf Bomben zu untersuchen.

Ein Price Tagging-Konflikt, der von den IDS überwacht wird Paul Usiskin ist der Vorsitzende von Peace Now UK. Er hat selbst schon Briefe erhalten, in denen ihm mit Mord gedroht wurde. Für Paul ist der jüngste Schwall an „freundlichen“ und grundlosen Price Tagging-Angriffen nur ein Auszug aus der jahrhundertealten Zankerei zwischen Israelis und Palästinensern. „Natürlich wissen wir, dass die Siedler das Westjordanland als ihr Land ansehen und daher finden, dass sie damit tun können, was immer sie wollen“, erzählte er mir.

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„Die Price Tag-Angriffe, die nun gegen die linken Aktivisten stattfinden, wurden von der Regierung kaum verurteilt. Israel erlebt gerade einen großen, politischen Umbruch und es gibt in der Knesset keinen wirklichen linken Flügel oder auch nur eine links orientierte Bewegung. Als 'links' abgestempelt zu werden, kann deine politische Karriere zerstören. Deswegen spricht sich niemand für die Siedler aus.“

Siedler versammeln sich Sind Price Tagger für ihre Taten bestraft worden? „Nicht viele. Das liegt daran, dass viele der Polizisten und die Behörden, die die Price Tagging-Angriffe untersuchen, selbst eine Beziehung dazu haben oder in Verbindung zu Mitgliedern der Siedlergemeinschaft stehen. Sie haben Angst vor Vergeltungsanschlägen, wenn sie Fällen gegen die Siedler nachgehen.“

Sei es ihre eigene Sicherheit oder die persönliche, politische Einstellung, die sie bei ihren Entscheidungen beeinflusst—die IDF-Wächter sind dafür bekannt, bei Siedlerangriffen auf Palästinenser nicht nur herumzustehen, sondern sich auch daran zu beteiligen. Activestill, das vornehmlich jüdische Aktivisten-/ Fotografiekollektiv, das uns die Bilder zu diesem Artikel zur Verfügung gestellt hat, erfuhr dies auf dem Gelände des „umkämpften Hauses“ in Hebron, einem von vielen ehemaligen palästinensischen Gebieten im Westjordanland, die gewaltsam von den Israelis übernommen wurden. 2011 fanden bisher die meisten Price Tagging-Angriffe statt und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sie in nächster Zeit aus der Mode kommen. Tatsächlich werden die Dinge immer schlimmer. Denn Palästinas erfolgreicher UNESCO-Antrag ebnet ihnen den Weg, letztlich Souveränität zu erlangen und die israelischen Siedler dadurch in eine gesetzlich sogar noch unhaltbarere Situation zu bringen.

Ein bewaffneter Siedler mit palästinensischen Mädchen Fotos: http://activestills.org/