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It's still real to me, damn it!

Wrestling zur VICE Weihnachtsfeier

Extremes Drama und Parytpeinlichkeiten liegen oft nah beieinander.

Am Mittwoch war VICE Weihnachtsfeier und entsprechend wurscht ist uns deshalb jetzt schon, was das zweite Wochenende dieser Woche mit sich bringt, solange wir auch ab und an Nein zu manchen Drogen sagen dürfen und uns am Sonntag nicht fühlen, als hätte uns ein Festtagshuhn gedropkickt. Aber wie gut stehen die Chancen für Entspannung wirklich? Welches Wrestling-Video könnte zu dieser perversen Feiertags-Flatline im Kopf passen? Wie viel mehr kann eine Einleitung nach "White People Problems" riechen? Und was hat das alles mit toten Zwergenwrestlern und falschen Nutten zu tun?

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"A nation mourns as twins are found drugged to death in a seedy hotel: Wrestling midgets are killed by fake hookers." Diese Schlagzeile ist zwar nicht neu, aber aus Gründen, die zu tief in meinem Unterbewusstsein verbuddelt sind, als dass ich sie selbst zur Gänze fassen (geschweige denn irgendwelchen nebenbei Tumblr durchscrollenden Lesern erklären) könnte, ploppt dieser Satz am Tag nach unserer Vice Weihnachtsfeier in meinem katergeplagten Kopf auf wie eine Eiterblase, in der sich über Nacht der ganze Schmerz der westlichen Wohlstandswelt mit der Überdosis an ausbeuterischen Drittweltdrogen vermengt hat.

Die beiden legendären mexikanischen Zwergenwrestler waren im Sommer 2009 von Vertretern der gemeinsten Verbrechensform gleich nach Kindesmissbrauch – nämlich Frauen, die sich als Prostituierte ausgeben, um dein letztes Bisschen Würde und Wohlstand zu klauen – mit drogenversetzten Drinks ausgeknockt worden. Dummerweise war die Dosis jedoch auf normalgroße Metabolismen ausgelegt und die Wrestling-Welt damit um ein fatales Gleichnis auf die obsessive Partysucht der Seifenoperathleten reicher.

Aber was hatte diese widerliche tragikomische Geschichte ausgerechnet jetzt in den leeren Wartehallen meines Schädels verloren? Wollte mir meine linke Gehirnhälfte mit dieser Anekdote vielleicht vorführen, wie nahe extremes Drama und Party-Peinlichkeit oft beieinanderliegen – oder suchte mein Kopf nur nach einem Bild, mit dem er mir ohne zu viel intellektuelles Radschlagen begreiflich machen konnte, dass mein schlaffes Gummipuppengerüst gestern nur haarscharf an einem Jenseits-Rendezvous mit den gruselig grün maskierten Mexiko-Midgets vorbeigeschrammt war?

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Ich versuchte mich gerade in der noch jungen Disziplin des Aufrechtsitzens, als es plötzlich INTENSIV an der Tür läutete, als hätte jemand ganz spontan beschlossen, bei meiner Gefühlsorgel von Pleasure auf Pain umzuschwenken und so lange den bösen Buzzer zu drücken, bis die Scheißmaschine wie bei Barbarella in Flammen aufgehen würde.

Ich pustete genervte Luft durch die Lippen und nuschelte nur "Du Gestörter…", als ich plötzlich begriff: Ich hatte immer noch mein T-Shirt vom Vorabend an, auf dem Josef Fritzl im KFC-Logo-Look zu sehen war. Außerdem war mein Laptop an und zeigte die Website von Netkellner. Vielleicht hatte er recht und er war tatsächlich hier, weil ich ihn durch den Äther des Netzes gerufen hatte. Jedenfalls reichte er mir einen duftenden Sack mit Fleisch und Gewürzen und ich gab ihm als Gegenleistung 20 Euro. (Fun Fact: mit diesem Satz kann man pikanterweise auch jeden Abend in einer x-beliebigen Gay Bar beschreiben.)

Endlich herrschte außerhalb meines Kopfes wieder Ruhe und ich wollte das Intermezzo an der Türe gerade beenden, als mich ein erneuter Aufschrei von der Seite traf. "Moment!" kreischte der Mann und seine Augen warfen wieder Strahlen in meine Richtung.

Was jetzt? dachte ich. Würde er mich einfach einpacken und später auf einem Scheiterhaufen verbrennen, wie Buddhisten das sonst nur mit unwilligen verwitweten Schwägerinnen tun? Seine Hand hielt mir ein kleines Döschen mit orangener Paste hin. "Was für ein Trauerspiel", dachte ich. "Das hier ist mein ganz persönlicher Drogen-Überfall und der Täter ist nicht nur keine Nutte, sondern sogar noch männlich."

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"Geschenk!" schickte er nach. Ich nahm das Ding an und stopfte den Boten schnell zurück auf den Gang. Danach schleppte ich mich wie hypnotisiert vor den Fernseher, als mir auf einmal jenes Wrestling-Video einschoss, das dieses seltsame Gefühl von katerdurchwachsenem Doppelwochenende als einziges halbwegs adäquat einfangen konnte.

Beim kläffenden Eingang angekommen, tänzelte ich zuerst ein bisschen in den Türstock und riss dann erbost das Schloss auf. Vor mir stand ein verwirrter Inder und starrte mich so eindringlich an, dass ich Angst hatte, er könnte mir mit seinen Laseraugen ein Bindi in die Stirn kokeln. Was er kurz darauf sagte, machte die Situation nicht besser. Als sich seine Lippen bewegten, hörte ich nur ein Wort herauskommen.

"Fritzl?" fragte der Indoarier verdutzt.

"Wie bitte?" fragte ich zurück.

"Fritzl." sagte er nochmals, diesmal weniger fragend.

Ich ließ das erst mal sacken und versuchte es dann mit einem Neustart. "Okay. Was gibt's?"

"Essen", sagte der Mann und bückte sich nach einer Kühltruhe zu seinen Füßen.

Warum das der "illegalste Move in der Geschichte des Wrestling" sein soll, habe ich bis jetzt nicht verstanden. Klar ist aber, dass es hier gar nicht ums Verstehen geht, solange man sich nur ausreichend von der haarsträubenden Mystik dieser Wrestling-Version von Scorpio Rising anstecken lässt, die immer auf der Kippe zum nächsten Manboobgeddon steht. Diese Bereitschaft zur Selbstbloßstellung ist es auch, die sowohl gutes Wrestling als auch gute Vice-Partys ausmacht, denn: am Ende sind wir alle der fette Typen beim Tanzen. Und nur, wer das auch weiß, überlebt die Tage danach.