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3.000 gehen für die Flüchtlinge der besetzten Schule auf die Straße

„Es ist der Beginn eines Prozesses.“

Es ist nunmehr der sechste Tag, an dem circa 40 Flüchtlinge ein Schuldach in Berlin-Kreuzberg besetzt halten. Sie haben Angst vor Repressalien und Abschiebung und fordern ein dauerhaftes Bleiberecht und drohen, sich bei Erstürmung des Gebäudes durch die Polizei vom Dach zu stürzen oder selbst in Brand zu stecken. Seit Tagen herrscht in dem Kiez Ausnahmezustand. Das Gebiet um die Schule ist hermetisch abgeriegelt, und selbst die Presse hat nur sehr bedingt Zugang. Die Solidarität der Menschen mit den Geflüchteten scheint mit jedem Tag zu wachsen.

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So versammelten sich am vergangen Samstag mehr als 3.000 Leute, um in einer Solidaritätsdemonstration durch Berlin zu ziehen. Vom Hermannplatz ging es über den Kottbusser Damm und den Oranienplatz zur Wiener Straße/Ohlauer Straße. Unter den 3.000 war auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele.

Nach Zwischenstopp auf dem Oranienplatz, wo an die kürzlich noch bestehenden Flüchtlingszelte und den stetigen Kampf gegen Abschiebung erinnert wurde, zog der sich durch die Straßen Kreuzbergs kanalisierte Pulk von Menschen in Richtung Ohlauerstraße. Bis zur Schlusskundgebung an der Ecke Wienerstraße/Ohlauerstraße blieb es jedoch ruhig. Lediglich die Polizei und ein Typ, der zwischen dem Trupp und den Demonstranten mit seinem Fußball herumtanzte und wirres Zeug in beide Richtungen schrie, sorgten für ein wenig Aufregung. Die von Kastenwagen eingezingelten Mitglieder einer Sitzblockade wurden aufgefordert, den Eingang zur Ohlauerstraße zu verlassen, aber zu gewalttätigen Räumungen wie am vergangenen Donnerstag kam es nicht. Die Polizei riegelte den gesamten Zufahrtsbereich zur Ohlauerstraße ab, was natürlich bei den Demonstranten auf Missmut stieß, sich aber nur in lauteren Protestrufen äußerte.

Christian Ströbele, der sich zu einem Gespräch mit den Flüchtlingen auf dem Dach traf, gab sein Versprechen, dass es vorerst nicht zu einer Räumung kommen würde. In einem internen Treffen der Bezirksverwaltung, das Samstag bis spät in die Nacht ging, wurden laut eines Sprechers keine „greifbaren Ergebnisse“ erzielt.

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„Wir sind mitten in den Gesprächen mit den Flüchtlingen. Ich glaube, das ist schon Mal ein Fortschritt. Die Flüchtlinge können erstmal bleiben”, so Ströbele in seiner Rede am Informationspunkt Ohlauerstraße/Reichenbergerstraße. Außerdem sprach er sich über die von den Flüchtlingen vorgeschlagene Idee eines internationalen Flüchtlingscenters aus. Das einzige, das man im Moment tun könne, sei, eine Lösung für beide Parteien zu finden. Neben ihm standen einige Flüchtlinge, sichtlich mitgenommen von den Strapazen der letzten Tage.

Christian Ströbeles Versprechen in allen Ehren, kann es trotzdem zu einer Erstürmung kommen, sollte die Polizei erkennen, dass Gefahr im Verzug ist. „Wir wissen nicht, wie lange wir hier noch das Hausrecht habe“, sagte der stellvertretende Bezirksbürgermeister Peter Beckers in einem Interview am Samstag. Das bedeutet, die Polizei kann und wird auch ohne eine Genehmigung von ganz oben aktiv werden, falls jemand versucht, wie angekündigt vom Dach zu springen. Ein Rattenschwanz.

Vor einigen Stunden machten sich einige Unterstützer, unter ihnen auch Peter Storck, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde, auf den Weg zum 14. Symposium für Flüchtlingsschutz der Evangelischen Kirche. Als angekündigter Redner: Bundespräsident Gauck. Ihr Plan war es, ihm während des Symposiums ihre Anliegen vorzutragen.

Auf einer Sitzung des Innenausschusses kam es unterdessen zum Eklat. Aufgrund eines Antrags der Piratenfraktion wurde das Flüchtlingsthema kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt. Mit Trillerpfeifen und Beleidigungen wurden mehrere Aktivisten nach mehrfacher Ermahnung des Raumes verwiesen, einige sogar rausgetragen. Für heute 15 Uhr wurde eine Pressekonferenz in der Schule angekündigt. Der Dialog scheint also voran zu gehen.

Jedoch sollten wir uns nicht so viele Hoffnungen auf baldige Klärung machen. Wie schon Ströbele selbst in seiner Rede am Samstag sagte: „Es ist der Beginn eines Prozesses.“