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The Showbiz Issue

Musikreviews

Hier sind unsere Reviews zu den Neuerscheinungen des Monats.

SOUL CLAP

RUSKO

DIGGER BARNES

DJANGO DJANGO

Ich hatte wirklich gehofft, südafrikanischer HipHop sei in erster Linie dumpfer Gabba-Rap, der von muskelprotzigen perversen Buren mit Gefängnistattoos und grenzwertig jungen Freundinnen gemacht wird. Jetzt zeigt sich, dass sie dort auch ihre intelligenten—soll heißen: langweiligen—Hipster-Rapper haben. Spoeks Joy-Division-Cover war ganz in Ordnung, aber man sollte eigentlich annehmen, dass der Nation, die sich die Apartheid, groß angelegte Autoentführungen und

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District 9

ausgedacht hat, etwas Roheres und Vitaleres einfallen müsste als ein Antipop Consortium mit einigen Weirdo-Einsprengseln.

NED BUNGER

Du fragst dich, warum Bjørke sein neues Album

Fool

nennt? Es könnte vielleicht daran liegen, dass er bescheuert genug war, diese Platte in zwei Teile zu gliedern. Auf der sogenannten Hungry Side bekommst du vier elektrifizierte VocalPop-Nummern zu hören, die insgesamt aber zu unspannend sind, um sie bis zum interessanteren Teil, einem Trip durch Psychedelia, Riffgewitter und DiscoFunk-Halluzinationen, überhaupt über sich ergehen zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit wäre also relativ groß, dass du bis zum besten Stück des Albums, dem Acid-Kraut-Mantra „Bohemian Soul“, längst die Notbremse gezogen hast. Wie gut für dich, wie gut für Bjørke, wie gut für uns alle, dass du dieses Magazin liest und nunmehr wissend die Skiptasten einsetzen kannst.

ALAN HALE JR.

JOHN FOXX AND THE MATHS

The Shape of Things

Metamatic Records

John Foxx, das ehemalige Ultravox-Mastermind, ist eine dieser 80er Synthpop-Ikonen, die es für eine gute Idee halten, auch heute noch Musik zu machen. Anders als bei vielen seiner Artgenossen klingt seine Musik aber erstaunlicherweise nicht, als würde er seinen seit 25 Jahren nicht geleerten Studio-Papierkorb nach übrig gebliebenen Ideen durchsuchen oder, noch schlimmer, versuchen „zeitgemäß“ zu klingen.

The Shape of Things

klingt tatsächlich wie ein exzellentes verschollenes Album aus einer Zeit, als die Zukunft noch versprach, ein geheimnisvoller, irgendwie angsteinflößender, aber doch hoffentlich besserer Ort zu sein—und nicht die uns allen bekannte beschissene Gegenwart, in der wir nur auf den Tag warten, an dem kein Wasser mehr aus dem Hahn kommt, oder wir einfach von einer riesigen Flutwelle weggespült werden. Beides gleichzeitig wäre natürlich sehr ironisch.

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FOXX MULDER

SCHLACHTHOF-

BRONX

Dirty Dancing

Disko B/Indigo

Es ist irgendwie immer das gleiche mit den Alben der Lederhosen-Juker von Schlachthofbronx. Zwei Tracks gefallen mir wirklich gut. Dann höre ich drei weitere und denke: „So, ganz nett, aber jetzt reicht es auch mal wieder.“ Und dann kommen noch sieben weitere. In der folgenden Nacht bekomme ich dann schreckliche Albträume, in denen ich mich in der nassen Achselhöhle eines holländischen Ravers wiederfinde, der in einer amphetamininduzierten Endlosschleife „Take off your G-string!“ durch ein Megafon mit eingebautem Stutter-Effekt blökt. Wer die Jungs schon mal live erlebt hat, der weiß, dass sie eigentlich viel zu smart sind, um in die zahlreichen Klischeefallen zu tappen, die sie mit einem hämischen Grinsen rund um sich herum aufgestellt haben. Es ist vermutlich einfach keine Musik, die man vor dem Schlafengehen hören sollte.

PATRICK SWEEZEE

MOTOR

Man Made Machine

CLRX/WordandSound

Irgendwann in den 90ern hatten wir einmal frühmorgens nach der einen oder anderen alkoholischen Weltherrschaftsfantasie mal die Idee, den Merchandisemarkt mit der noch zu erfindenden T-Shirt-Größe XM zu revolutionieren. Vermutlich kein gutes Zeichen, wenn mir das gerade jetzt wieder einfällt, wenn ich diese Platte höre. Zu ungefähr der gleichen Zeit haben wir solche Musik wie diese hier jedenfalls Futurepop genannt, aber damals fanden wir ja auch VNV Nation noch „düster“. Zum Vierviertelbeat mit Coke Light in der Hand auf der Tanzfläche, und später den Mädels die Tür aufhalten, aber „kampfbereit“ auf der Jacke stehen haben. War zum Glück nur eine Phase und ging auch schnell wieder vorbei.

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HÄTT HUNTER

SASCHIENNE

Unknown

Kompakt

SOUL CLAP

EFUNK

Wolf+Lamb

Man hätte davon ausgehen können, dass diese beiden Typen hier den Weg des kleinsten Widerstandes suchen. Ihre unzähligen angesexten Edits und ihr Verdienst, Slow House salonfähig gemacht zu haben, reichten aus, um ihnen die Pforten zum Techhouse-Schlaraffenland zu öffnen. Zu dem Ort, an dem Dom Perignon in Bächen fließt, an dem feuchte Mösen wie Schmetterlinge herumfliegen und Hausstaub aus Kokain gemacht ist. Wer derart übersättigt ist, klaubt für ein Artistalbum neben den „Hits“ normalerweise irgendwelche Reste aus alten Projektordnern zusammen und vertraut auf die alles fressende Einfältigkeit einer Zielgruppe, die ihre musikalischen Ansprüche mitsamt ihrer Würde an der Gästeliste abgegeben hat. Entgegen sämtlichen Vorzeichen ist

EFUNK

aber ein lässiges Funk, R’n’B, Pop, House und alle möglichen tanzbaren Codes of Cool zu einem originellen Sounddesign konzentrierendes kleines Meisterwerk geworden, das einen zumindest bis zum nächsten Wochenende glauben lässt, DJ-Culture würde vielleicht doch nicht komplett aus Idiotie bestehen.

DR. HOUSE

RUSKO

Songs

Mad Decent/ Cooperative Music

Der Titel dieser Platte dürfte schon jetzt als heißer Kandidat für die Übertreibung des Jahres gehandelt werden, denn so viele Augen kann man gar nicht zudrücken, um diesen unerträglichen Eintopf aus Proleten-Dubstep, Reggae- und Scooter-Reminiszenzen tatsächlich als „Songs“ zu verkaufen. Wenn man sich dann noch vorstellt, dass Myriaden von bestenfalls betrunkenen Hampelmännern in Stadien strömen, um sich diesen ganzen Mist auch noch live zu geben, kann man nur hoffen, dass der Maya-Kalender recht behält.

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WOLFGANG WOBBLE

TANLINES

Mixed Emotions

True Panther

Tanlines haben mit ihren früheren kleineren Veröffentlichungen die Erwartungshaltung geschürt, sie würden mit einem Debütalbum, das Indiefloor-kompatiblen Elektro mit Afrobeat, Tropical-Aroma und kleinen Weltmusik-Schlenkern verquirlt, ungefähr vier Jahre zu spät kommen. Und nun werden sie sämtlichen an

Mixed Emotions

geknüpften Erwartungen tatsächlich mit brutaler Konsequenz gerecht.

MARTY MCFLY

KINDNESS

World, You Need a Change of Mind

Female Energy

Es ist ein bekanntes Phänomen, dass ein Hipster immer die anderen, niemals aber sich selbst als solchen bezeichnen würde. Besonders trifft das natürlich auf uns zu und mit Adam Bainbridge ist gerade eine neue konsensfähige Zielscheibe aufgetaucht. Auf der nach oben offenen Hipster-Skala bewegt er sich irgendwo zwischen Mark-Greif-Fußnote und American-Apparel-Model. Er führte zeitweise ein nichtsnutziges Leben in Berlin, er hat mit Zdar produziert, nachdem dieser gerade das letzte The-Rapture-Album vergeigt hatte, er verfügt über geschmeidiges Haar sowie sämtliche anderen androgynen Posterboy-Qualitäten und verquirlt alle möglichen Zeitgeistfrequenzen in seinen Songs. Damit öffnet er sich dermaßen bereitwillig unserem Hass, dass man direkt die Lust verliert, auf ihn einzuprügeln. Clever. Etwas mehr Cleverness abseits vom sich nur noch selbst wiederkäuenden ironischen Hipster-Gestus hätte diesem teilweise ganz manierlichen, aber definitiv zu spät kommenden Debüt zwischen Chillwave und DiscoFunk allerdings wirklich gut getan.

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UNKIND REGARDS

Als Ehepaar sein gemeinsames Bandprojekt mit einem Hybrid der jeweiligen Vornamen zu benennen, ist ungefähr so debil wie überstolze Mütter, die jedem, der ihnen begegnet, Fotos ihrer hässlichen Kinder ins Gesicht klatschen, oder wild in der Öffentlichkeit knutschende Pärchen, die dir auf der Parkbank fast auf dem Schoß sitzen, oder D-Promis in Zweckpartnerschaften, die tagein tagaus Interviews zu ihrem Liebesleben geben. Darüber könnte man aber unter Umständen noch hinwegsehen, wenn das vorliegende Resultat gemeinschaftlicher Kreativitätsexzesse nicht so elendig monoton und nichtssagend wäre. So bleibt einem nichts anderes übrig, als den einzigen dieser Situation gerecht werdenden Spruch zu drücken: „Nehmt euch ein Zimmer.“

AL OHN

THE MEN

Open Your Heart

Sacred Bones

The Men lassen die erste Hälfte ihres neuen Albums klingen wie die letzte Fucked-Up-Platte, was insofern ein bisschen sinnlos ist, da Fucked Up diese Platte gerade erst veröffentlicht haben. Vielleicht ist das ihre kauzige Art der Verweigerungshaltung, adäquat zu der Situation, in der einem ein nicht witziger Witz erzählt wird. Auf der zweiten Hälfte stolpern sie dann aber einmal von Crosby, Stills, Nash & Young über Spacemen 3, T. Rex und MC5 durch die wilderen Kapitel der Rockgeschichte und untermauern ihren Status als die irrsten Eklektiker, die der New Yorker Untergrund derzeit zu bieten hat. Wie The Men selber klingen, wird einem auch dieses Album nicht verraten, aber vielleicht will man das auch gar nicht wissen.

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SECRET KAFFEESERVICE

BLACK BREATH

Sentenced to Life

Southern Lord/Soulfood

Der Nachfolger zum allseits geschätzten Debütalbum

Heavy Breathing

erinnert mit der Verve eines tollwütigen Wikingerberserkers daran, warum man schwedischen Death Metal einfach lieben muss, wenn er wie hier in äußerster konservativer Perfektion vorliegt. Es ist, als wäre der adenauersche Wahlslogan „Keine Experimente“ als skandinavischer Zombie auferstanden, um in der Szene ein Massaker anzurichten, bei dem die ganzen hochnäsigen Kunsthochschul-Droner schmerzhaft erfahren müssen, wie wenig ihre verkackte avantgardistische Attitüde wert ist, wenn ihnen jemand mit einer Kettensäge den Kehlkopf ausfräst.

KARL HARZ

PYRAMIDS/

HORSEBACK

A Throne Without a King

Hydrahead

Pyramids und Horseback beweisen mit den Solostücken am Anfang dieses Albums, dass sie in guten Momenten auch mal für schlechte Träume oder Hörstürze sorgen können. Die darauffolgenden gemeinsam aufgenommenen Songs fallen dann überraschend zaghaft und unspektakulär aus. In etwa so, als würden sie beide vor einer offenen Tür stehen und sich gegenseitig in übertriebener Freundlichkeit ermuntern, als Erster durchzugehen. Diese Ambient- und Noise-Skizzen, die nur in seltenen Momenten zu einem spürbaren Tritt in die Eier ausholen, legen den Eindruck nahe, dass alle Beteiligten wirklich peinlich lange vor dieser Tür standen.

BERND DER BOUNCER

POND

Beard, Wives, Denim

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Modular

Der Titel legt es nahe, es geht hier um die wesentlichen Dinge. Pond, die man nicht mit den im Grungefahrwasser ersoffenen Sub-Pop-Pond verwechseln möge und die einem stattdessen als so eine Art Tame-Impala-Spin off bereits aufgefallen sein könnten, lassen dem Titel auch Taten folgen. Diese Platte deckt von sonnenstichigen Psychedelic-Jams über Glam-geschmückte Groovemonster bis zu wehrlos machenden Hook-Geistesblitzen alles ab, was man ihnen und ihrem Umfeld bislang locker zutraute, was aber weder von ihnen, noch von irgendjemandem sonst (ja, wir reden auch von euch, MGMT) so konsequent und so Euphorie-rauschend verdichtet wurde.

SISTER SUNBURN

BEACH HOUSE

Bloom

Bella Union

Angeblich sammelten Beach House die Ideen zu diesem Album während ihrer endlosen Touren. Ehrlich gesagt, ist es uns ein Rätsel, wie man sich in den typischen Situationen eines Alltags, der sich zwischen den Koordinaten vollgeschissenes Klo, verdorbenes Catering, ausgefallene Heizung und Motorschaden auf der Autobahn abspielt, so viel anmutiges Songmaterial ausdenken kann. Auch dieses Album unterstreicht ihren Status als die wahrscheinlich einzige Shoegaze-Band des Post-Empire-Zeitalters, an die man sich in 20 Jahren noch erinnern wird. Auch dieses Album ist einer der wenigen Gründe, der bei Feuilletonschreibern für seltene, traurige Erektionen sorgt. Und dieses Album wird sich ebenso mühelos auf die vorderen Plätze der Nerd-Bilanzen am Jahresende säuseln. Langweilig irgendwie, aber schön.

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JOHNNY PLUNDER

GRAVENHURST

The Ghost in Daylight

Warp

Gravenhurst kennt man mittlerweile als die folkige Vergeistigungsmaßnahme des Nick Talbot. Auf seinem neuen, auch wieder sehr folkigem und vergeistigtem Album geht er der Annahme nach, dass sich die psychologische Energie besonders intensiver emotionaler Ereignisse in die jeweilige Umgebung einprägt, um sie ganz ähnlich wie ein Gespenst immer wieder heimzusuchen. Ich bin mir sicher, das einzige, was sich in die Umgebung einprägte, als ich zum Beispiel neulich mit meiner Freundin Schluss machte, waren die scharfen Kanten des Geschirrs, das durch die Gegend flog. Aber klar, wenn diese selbstvergessenen Künstler nicht auch ein bisschen spinnen würden, wären sie ja wahrscheinlich Buchhalter oder so was geworden.

ADAM RIESLING

STILL FLYIN'

On A Bedroom Wall

Staatsakt/Rough Trade

Es gibt bestimmt irgendeinen Fachausdruck (den zu googeln ich gerade zu faul bin) für Formulierungen wie „Nein, Schatz, ich bin dir nicht böse, nur weil mir dein Essen nicht schmeckt“ oder auch „Ich entschuldige mich dafür, dass du mich falsch verstanden hast“—also für verkappte Beleidigungen im Höflichkeitsmantel. Ich jedenfalls habe gerade das Pendant in Umgekehrt erfunden: Wenn ich „On A Bedroom Wall“ beispielsweise als „gar nicht so schlimm wie ,The Drums‘“ bezeichne, dann klingt das absolut passiv-aggressiv, ist aber hingegen im Subtext völlig liebevoll gemeint. Und wenn das wer nicht versteht, tut’s mir leid.

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SURFIN‘ SCHWÄBISCHGMÜND

DIGGER BARNES

Every Story True

Hometown Caravan/Cargo

Manchmal kommt es vor, dass man sich ganz plötzlich am Steuer eines Chevy in der Wüste von Nevada wiederfindet, irgendwo zwischen L.A. und Las Vegas, auf der Flucht vor dem Gesetz, weil man gerade mit einem altmodischen Revolver den Mann erschoss, der einem die Verlobte ausgespannt hat. Man fühlt sich einsam und unverstanden, auch ein wenig elend, aber dann hört man diese Songs, die einen spüren lassen, dass es keinen Grund gibt sich zu grämen, wenn man das einzig Richtige getan hat. „Schau dir den Schnee an“, singt Barnes, „er ist tief gefallen und trotzdem schön.“ Und dann klimpert von irgendwo her ein Banjo. Und so gibt man weiter Gas, ohne das Ziel zu kennen, während sich im Hintergrund die Trümmer aufhäufen, die man Leben nennt.

EDGAR ALLAN HOE

OBERHOFER

Time Capsules II

Glassnote/Cooperative Music

Du bist mit deinem Freund jetzt schon vier Monate zusammen. Um dieses Jubiläum zu feiern, schlendert ihr gemeinsam über den Jahrmarkt. Du musst lächeln, als er deine Hand nimmt und ihr euch noch mal fühlt, als wärt ihr Teenager. Achterbahn fahrt ihr lieber nicht, schließlich hattet ihr gerade Zuckerwatte. Aber ins Spiegelkabinett traut ihr euch. Du magst diese Locke, die ihm dauernd ins Gesicht fällt. Zu deinem 19. Geburtstag hat er dir die erste Staffel

How I Met Your Mother

auf DVD geschenkt, die wollt ihr nachher noch gemeinsam ansehen. Kurz bevor es dunkel wird, versucht er dir noch eine Plastikblume am Schießstand zu ergattern, schafft es leider nicht. Du findest ihn trotzdem süß. Auf dem Heimweg werdet ihr von einer Rockerbande unflätig angebrüllt und du fühlst dich geborgen, als er dich daraufhin fester in den Arm nimmt. Zu Hause angekommen habt ihr Beischlaf bei gedimmten Licht, während diese Platte läuft.

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NÄCHSTERUNDE RÜCKWÄRTS

DJANGO DJANGO

s/t

Because Music/Warner

Man darf dieser Band skeptisch begegnen. Immerhin schafft sie es, die Hälfte ihres beileibe nicht schmalen Booklets mit Dank an inspirationsstiftende Künstler der popkulturellen Intelligenzija vollzukritzeln. Damit sind sie nicht viel besser als diese Leute, die mit Weltliteratur beschriftete Buchrückenattrapen möglichst sichtbar in ihren Regalen anrichten. Die leicht zu verarschenden Musikjournalisten fallen natürlich auf diesen Trick herein und beginnen ebenfalls, ihre Reviews mit Bandreferenzen zuzuscheißen. In Wahrheit ist das hier die Western-Karikatur der Art von Band, deren IndiePop-Sound dir am Anfang noch einigermaßen gewitzt erscheint, die du aber schon nicht mehr ertragen kannst, sobald sie als die nächste Konsens-Sau über die Indie-Floors gepeitscht wird.

IREEN SHEER TERROR

ERIC CHENAUX

Guitar & Voice

Constellation/Cargo

Der ehemalige Phleg-Camp-Gitarrist Eric Chenaux dürfte sich spätestens mit diesem Release endgültig einen Platz im Pantheon der kanadischen Experimental-Szene gesichert haben. Nur mit seinem sechssaitigen Zepter und einer filigranen Stimme ausgestattet erhebt er sich mit der Anmut eines griechischen Halbgottes aus der Asche des 90er-Postpunks und schwebt hinauf in bisher ungekannte Ambient-Jazz-Universen, als sei das ein ganz normaler Move, um der mit Mitte 40 aufkommenden Langeweile zu entgehen. Wenn die Alternative heißt, mit Ian MacKaye oder Henry Rollins durch die Welt zu ziehen, um die Menschheit wortreich von den Vorzügen eines drogenfreien Lebens zu überzeugen, nehmen wir gerne neben Chenaux auf einer Wolke Platz und beschwören die Geister von Miles Davis und Jimi Hendrix zu einer In-a-Silent-Way-Seance.

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HIPPIE JOE

WHITE HILLS

Frying on this Rock

Thrill Jockey/Rough Trade

Die White Hills hatte es noch nie besonders eilig. Sie sind eine Band, die gerne mal etwas länger bei einem Drum-Pattern verweilt, und mit etwas länger meine ich nicht 16 statt 8 Takte, sondern eher, na ja, 15 Minuten vielleicht. Der geneigte Hörer sollte sich also mindestens mit drei bis vier Bongmischungen und ein paar Tiefkühlpizzen ausstatten, wenn er diesen ausufernden Space-Rock-Jams mehr als ein Achselzucken abgewinnen will. Ich würde diese Vermutung gerne empirisch bestätigen, aber leider hat unserer Praktikant sich mal wieder mit der Bong in der Besenkammer eingeschlossen, und das Ersatzgerät ist in der Reinigung.

LORD HELMCHEN

ELFIN SADDLE

Devastates

Constellation/Southern/

Cargo

Platten sind immer dann prinzipiell schon mal schwer in Ordnung, wenn sie entweder genau wissen, was sie konkret sein wollen, also so eine totale Absicht irgendwo mitschwingt, oder wenn sie das selbst vollständig überhaupt nicht wissen, dich also genau an jener Stelle treffen, wo du auch bist im Leben. Völlige Planlosigkeit als Resultat von „Ach, kucken wir mal“.

Devastates

ist genau so eine Leierei. Afterhour-Musik für Kneipen, die als Spelunken bezeichnet werden. Es dudelt der Sack, es schieft der Gesang, es knirscht die Pauke, und bei all dem ist es dir auf eine schwer angenehme Art völlig egal, was das für ein Genre sein soll, ach was, eigentlich ist es dir sogar völlig egal, ob das hier Musik sein möchte oder Schokolade oder ein Geschirrspüler. Außerdem ist das Cover ziemlich schick.

SAMM ALONE

DEAN BLUNT & INGA COPELAND

Black Is Beautiful

Hyperdub

Bei diesem Ableger zweier Hype-Williams-Mitglieder ist es an keinem Zeitpunkt wirklich klar, ob das Ganze so klingt wie es klingt, weil sie musikalisch vielschichtig sozialisiert, insgesamt ohne den Einsatz von Scheuklappen erzogen und darüber hinaus ziemlich talentiert sind, oder ob sie sich einfach nur regelmäßig nachts in irgendwelchen zwielichtigen Milieus abschießen und die Tage damit verbringen, dennoch ihre Haut in Schuss zu halten und ihre Augenringe zu kaschieren. Da bei dieser Kollaboration aber eine Platte herausgekommen ist, die nur dann nervt, wenn sie zu sehr an Atari Teenage Riot auf einem Opiumtrip klingt, kann es uns letzten Endes ja einigermaßen egal sein.

CRYSTAL WHITE