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Gäbe es die ‚Anonymen Nutellaholiker‘, ich wäre dabei

Vor 51 Jahren wurde im Hinterzimmer einer italienischen Bäckerei eine der leckersten Substanzen auf diesem Planeten erfunden: Nutella. Ein halbes Jahrhundert nach der Schöpfung ist der Hunger der Welt auf den süßen, himmlisch zarten, braunen Aufstrich...

Vor 51 Jahren wurde im Hinterzimmer einer italienischen Bäckerei eine der leckersten Substanzen auf diesem Planeten erfunden: Nutella. Ein halbes Jahrhundert nach der Schöpfung ist der Hunger der Welt auf den süßen, himmlisch zarten, braunen Aufstrich noch lange nicht gestillt. Nutella-Fans sind hardcore. Die Facebook-Seite hat fast 30 Millionen Likes und es werden pro Jahr mehr als 400 Millionen Gläser in 200 Ländern verputzt. Es scheint so, als kannst du nicht mehr aufhören, wenn du erst einmal damit angefangen hast.

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Wenn man die 70% der Leute befragt, die Nutella beim Frühstück essen, dann werden diese sagen: Du magst Nutella nicht nur, du brauchst es. Ja, ich genieße es in Rationen und ja, ich muss wohl meinen Körper dann nach draussen schleppen und zur Fettverbrennung (ein Teelöffel Nutella enthält deftige 100 Kalorien) ein paar Runden im Park laufen, aber ich kann und ich will nicht damit aufhören. Ich streiche Nutella auf Kekse, Bananen, Äpfel und weiß Gott was noch (PS: Nutella auf Sellerie schmeckt scheiße), aber am liebsten habe ich es, wenn ich einfach nur ein paar Finger ins Glas tauche und dann drei lange Minuten damit verbringe, diese sanft und genüsslich abzulecken. Ich bin ein Nutella-Perversling.

Gäbe es AN (Anonyme Nutellaholiker) Treffen, dann wäre ich Stammgast. Ich würde aber auf jeden Fall eine kleine Packung—die, die es in jedem halbwegs guten Hotel gibt—mitnehmen und auf dem Nachhauseweg verputzen. Aber ich bin mit meiner Sucht nicht alleine. Ich durchstöberte Blogs und Foren auf der Suche nach Leuten wie mir, mit denen ich reden konnte. Ich stieß auf „April" (sie will lieber anonym bleiben: „Ich will meinen Verlobten nicht noch mehr auf die Nerven gehen.") und sie skypte an einem verregneten Sonntagabend gerne mit mir, um über unser gemeinsames, zahnfeindliches Hobby zu plaudern.

Munchies: Hi April! Schrecklich, nach etwas süchtig zu sein, das so schlecht für dich ist, oder? April: Das ist verdammt scheiße. Ich liege nachts wach und weiß, dass ein Glas Nutella im Küchenschrank steht und stelle mir dann vor, wie es schmeckt und sich in meinem Mund anfühlt.

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Wow. Ja. Mein Verlobter ist deswegen echt sauer auf mich. Wenn wir zum Beispiel einkaufen gehen und ich es in den Wagen lege, dann gibt er einen missbilligenden Laut von sich und schüttelt den Kopf, als würde er mich nicht mehr als menschliches Wesen akzeptieren. Aber ich sage dann: „Ich rauche nicht, ich trinke selten, ich treibe Sport, mach verdammt noch mal halblang!"

Bei mir genauso. Ich trinke keinen Alkohol, laufe viel und zu wissen, dass nach einem anstrengenden Tag Zuhause ein Glas Nutella wartet, wirkt extrem beruhigend auf mich. Stimmt's? Wie eine Art Kuscheldecke oder so. Warum ist das so?

Ich denke mal, dass das was mit der Tatsache zu tun hat, dass Nutella zu 56,7% aus Zucker besteht. Zucker ist pure Freude, oder? Ich denke schon. Aber ich esse nicht genug davon, dass ich den Schokoladengehalt einer ganzen Tafel Schokolade zu mir nehmen würde. Das Ganze ist mehr psychologisch. Jede Nacht esse ich ungefähr zwei Teelöffel von dem Zeug, so dünn wie möglich auf knuspriges Brot oder Kekse verteilt. Mein Körper ist also nicht nach den Inhaltsstoffen süchtig. Ich glaube, ich brauche nur diese süße, nussige Vertrautheit.

Ich auch. Sobald ich Nutella rieche, sehe ich mich als Kind in meinem Pyjama Samstag morgens vorm Fernseher sitzen, Cartoons schauen und meinen Nutella-Toast in ein Glas kalte Milch eintauchen. Oh, wie süß. Bei mir ist es das von der Schule nach Hause kommen und meine dicken Finger in ein Glas Nutella stecken. Ich bin dann die Treppe hochgerannt und hab sie abgeschleckt, bevor ich aus meiner Schuluniform schlüpfte und nach draussen zum Spielen ging. Es war fast so, als brauchte ich das, damit aus der grauen Schulmaus das selbstbewusste, lustige Mädchen wurde, das den süßen Jungen aus der Nachbarschaft beeindrucken konnte. Ich brauchte einen Schub, und den gab mir Nutella. Heutzutage ist es mehr eine Art Geborgenheit—weil es mich irgendwie auf einem sehr unterbewussten Level an meine Jugend erinnert.

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Hier in England geriet Nutella vor ein paar Jahren mit der ASA (britische Werbeaufsichtsbehörde) aneinander, als sie sagten, dass jedes Glas (400 Gramm) 52 Haselnüsse, Magermilch, Kakaopulver und sonst nichts enthalten würde und es damit quasi gesund sei. Hat dich das gestört? Um ehrlich zu sein, hat mich das nicht sehr interessiert. Mir ist eigentlich scheißegal, was da drin ist.

Wirklich? Die 20% Palmöl finde ich schon ziemlich schlimm. Aber offensichtlich nicht schlimm genug, dass sie mich davon abhalten. Ich hab nicht mal gewusst, dass da Palmöl drin ist. Scheiße, Mann! Ich hab mir das Etikett noch nie angeschaut. Also ich meine, du kannst schon einschätzen, wie schlecht es für dich ist, wenn du weißt, wie süß und fettig es schmeckt. Dein Mund ist danach mit einer richtigen Schicht Öl und Zucker überzogen.

Unwissenheit ist ein Segen. Ich mache es aber wie bei jedem Essen, dass schlecht für dich ist—du weißt, dass es schlecht ist, also isst du es auch nicht tonnenweise. Du steckt dir keine leckeren Pommes in den Mund und denkst dir: „Oh Gott, bester Scheiß!" Oder? Du weißt, dass du fett wirst, wenn du das Zeug jeden Tag isst. Also lässt du es. Du behältst dich unter Kontrolle.

Hast du das jemals ignoriert und massiv viel Nutella auf einmal gegessen? Ähm … ja. Ich habe einmal bis spät in die Nacht gearbeitet und bin erst um Mitternacht herum nach Hause gekommen. Da ich nichts zu Abend gegessen hatte, habe ich auf einen Schlag ungefähr ein Dreiviertel Glas verschlungen.

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Worauf? Ich glaube vier Scheiben Toast.

Sehr schön. Kennst du schon Nigella Lawsons Nutella-Käsekuchen-Rezept? Wenn ich den jemals backen würde, müsste der Notarzt wohl direkt bereit stehen. Scheiße, nein. Ich google mal schnell [In der Leitung wird es totenstill]. Oh Mann! Oha. OHA.

Hast du gerade einen Orgasmus? So ziemlich! Oh mein Gott, ich darf diesen Kuchen niemals backen. Ich glaube, mein Verlobter würde seinen Ring zurück geben—das würde böse enden.

Warum sind wir so besessen, April? Bei Erdnussbutter passiert das doch auch nicht, oder? Ich weiß nur von einer Obsession, die die Leute mit Erdnussbutter haben: das Ansehen von Erdnussbutter-Furz-Videos.

Oh Gott. Ja. Wie auch immer, ich habe keine Ahnung, woran es liegt. Ich bin mir sicher, dass es eine plausible psychologische Erklärung gibt, warum du auf bestimmte Lebensmittel stehst—sie bringen Geborgenheit oder so. Und ich bin mir auch sicher, dass dir ein Ernährungswissenschaftler erklären kann, warum wir Etwas mit Zucker und Fett brauchen, wenn wir uns schlecht, emotional oder hilfsbedürftig fühlen.

Zuckerhaltige, fettige Lebensmittel geben dir halt sofort einen Energieschub. Ja, total. Was ich aber auch total gerne mache, ist Nutella vor dem Schlafen gehen zu essen. Ich bin jetzt eine 34 Jahre alte Frau, aber um 23:00 Uhr ein wenig Nutella naschen ist für mich wie das Anschalten von einem kleinen Nachtlicht oder als ob mir meine Mutter eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest. Wie erklärst du dir das?

Keine Ahnung. Einigen wir uns einfach darauf, dass Nutella eine höhere Macht ist. Alles klar.

Oberstes Foto: Inga Beretta | Flickr | CC BY 2.0