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Verbrechen

Wichtige Fragen, die der Diebstahl von 10.000 Gemüsekisten in NRW aufwirft

Was haben kriminelle Banden damit zu tun? Wird es wieder passieren?

Foto: Flickr | wohnblogAt | CC BY-SA 2.0

Eine Gruppe von Dieben sitzt zusammen und überlegt, was sie als nächstes stehlen könnte. Schmuck? Zu Oldschool. Geld? Langweilig. Gemüsekisten? Da ist sicher noch keiner drauf gekommen: Genial! So in etwa stellen wir uns den Denkprozess vor, der einer Diebstahlserie im deutsch-niederländischen Grenzgebiet vorausgegangen sein muss.

In der niederrheinischen Kleinstadt Geldern haben Unbekannte am Samstag rund 10.000 Gemüsekisten aus einer Gärtnerei gestohlen. Die zusammengeklappten leeren Kisten lagerten auf 16 Europaletten. Bei einem Pfandwert von vier Euro pro Stück liegt der Schaden bei 40.000 Euro. Die Diebe konnten unerkannt entkommen und das nicht zum ersten Mal – aber dazu später mehr.

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Wir haben da einige Fragen:

Stecken Flohmarkthändler dahinter?

Würde es sich hier um patinierte Holz-Weinkisten handeln, wäre die Frage nach dem "wer" schnell beantwortet: Einrichtungsfreaks mit sehr großer Wohnung oder geschäftstüchtige Flohmarkthändler. Letztere würden die Dinger innerhalb eines Tages verkaufen, als "pfiffig geupcycletes Bücherregal" zum Stückpreis eines deckenhohen IKEA-Regals.


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Allerdings reden wir hier von grünen Plastik-Klappkisten, wie sie europaweit in vielen Supermärkten liegen, deren Charme in etwa dem eines Aufsitzrasenmähers entspricht. Der Hersteller Euro Pool verkauft seine "grüne Klappsteige" in acht verschiedenen Größen und wirbt auf seiner Website unter anderem mit der großen Lasttragfähigkeit und der geringen Einklappzeit von nur zwei Sekunden. Außerdem seien die Kisten zu 100 Prozent wiederverwertbar, "also kein Müll". Wir haben es hier also mit einem durch und durch langweiligen Produkt zu tun, das nicht als gut verkäufliches Lifestyle-Accessoire taugt.

War alles nur ein Versehen?

Vielleicht haben die Diebe etwas ganz anderes gesucht: heimlich gezüchtetes Turbogras oder 200 Jahre alte Bonsai-Bäume im Wert eines Kleinwagens. Und als sie nichts fanden, nahmen sie spontan die Kisten mit. Doch diese Theorie – so sehr sie uns selbst auch überzeugt – hat einen Haken: Der Kistendiebstahl ist Teil einer Einbruchserie, die die Polizei schon seit einem Jahr beobachtet.

Letzten Dezember erleichterten Diebe im Kreis Kleve einen Landwirt um 4.000 Kisten und im gleichen Monat einen anderen Betrieb in zwei Raubzügen um 3.900 und 5.000 Kisten. In der Kleinstadt Pont wurden beim Champignon-Züchter Deckers vor etwas über einem Monat zehn Paletten mit Kisten gestohlen. Der Pfandwert lag hier bei 26.000 Euro. Zwei Wochen später versuchten die Diebe erneut einzubrechen und wurden von der Alarmanlage verscheucht. Genau vor einem Monat wurden in Straelen, ebenfalls im Kreis Kleve, 450 Gemüsekisten von einem Feld gestohlen. Einen Tag davor entwendete womöglich die gleiche Bande aus einer Lagerhalle in der Kleinstadt Geldern rund 6.000 Gemüsekisten. Die Gier nach grünen Gemüsekisten kennt also keine Grenzen. Ein Versehen können wir ausschließen.

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Was haben kriminelle Banden damit zu tun?

"Wir vermuten hinter allen Fällen die gleichen Hintermänner und gehen davon aus, dass die Kisten nach Holland gehen", sagt ein Sprecher der Polizei Kleve zu VICE. Dort gebe es die größten Absatzmärkte. Die Kisten gehören zum Pfandsystem von Euro Pool, das in elf europäischen Ländern und in Südafrika gilt. Auch wegen des sehr speziellen Diebesguts und der großen Mengen, geht die Polizei von organisierter Kriminalität aus. "Das ist ja schon alles sehr aufwändig", sagt der Polizeisprecher, "10.000 Kisten müssen Sie erst mal abtransportieren. Außerdem brauchen Sie einen Abnehmer, der ihnen so eine Menge abkauft". Nach bisherigen Erkenntnissen haben die Täter in Geldern ein Schloss zu einem Gewächshaus aufgebrochen und sich darüber Zugang zu einer Vorhalle verschafft. Mit drei Hubwagen haben sie die Paletten dann bis zum Ausgang gefahren. Wegen der großen Menge der Kisten seien die Täter sogar zwei Mal vorgefahren.

Wird es wieder passieren?

Bislang konnte die Polizei noch keinen einzigen der Fälle aufklären. Ob es sich dabei um ein Netzwerk handelt, das deutschland- oder sogar europaweit aktiv ist, konnte die Polizei im Gespräch mit VICE nicht sagen. Doch da es im Kreis Kleve viele Gärtnereien gibt, wird uns dieser packende Kriminalfall wohl noch länger beschäftigen.

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