Was passiert, wenn der Partner plötzlich vegan wird

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Veganismus

Was passiert, wenn der Partner plötzlich vegan wird

Wenn der eine auf einmal auf alles Tierische verzichtet, während der andere sein blutiges Steak verschlingt, sind Probleme vorprogrammiert – oder?

Gegensätze ziehen sich an. Sagt man so. Alles schön und gut, wenn zum Beispiel der eine der absolute Partylöwe ist, während der andere eher zu den stillen Wassern gehört. Schwieriger wird es, wenn man sich bei grundlegenden Sachen total uneinig ist. Was ist zum Beispiel, wenn dein moralischer Kompass in eine ganz andere Richtung zeigt als der deines Partners. Was macht man als Veganer, wenn man jemanden liebt, der auf blutige Stückchen totes Fleisch steht? Kann man überhaupt noch gemeinsam essen?

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Wir haben ein paar passionierte Veganer gefragt, welche Erfahrungen sie in Beziehungen mit einem Fleischesser gemacht haben, welche Vorurteile es gibt und ob sie von ihrer großen Liebe verlangen, auch vegan zu werden.

Charlotte (25), seit drei Jahren vegan, seit fünf Jahren mit ihrem Freund zusammen

MUNCHIES: Hey Charlotte. Welche Problempunkte gibt es in eurer Beziehung?
Charlotte: Mein Freund isst kein Fleisch mehr, aber manchmal noch Fisch. Das gefällt mir nicht. Ich finde, das stinkt, und ich will keine Tierleichen in meinem Kühlschrank haben. Ich verstehe auch nicht, wie einige Leute Fleisch aus ihrer Ernährung streichen wollen, aber immer noch Fisch essen – als würden Fische auf Bäumen wachsen. Aber ich sage mir auch immer: kleine Schritte. Ich versuche, nicht zu stark zu urteilen, denn vor fünf Jahren habe ich noch liebend gern Steak gegessen.

Damals lachte er mich aus, aber kurze Zeit später wurde er Vegetarier – aus freien Stücken, nachdem er sich selbst ein wenig mit dem Thema beschäftigt hatte.

Erinnerst du dich an euren dümmsten Streit über das Thema?
Ich habe ihn einmal angeschrien, ich würde ihn verlassen, wenn er nicht aufhört, Fleisch zu essen. Damals lebte ich vegetarisch, er hat immer noch alles gegessen. Wenn ich so zurückdenke, war das ziemlich dumm. Das wäre für mich nie ein Grund, ihn zu verlassen. Ich wollte aber deutlich machen, wie frustriert ich war, dass er immer noch tote Tiere isst. Damals lachte er mich aus, aber kurze Zeit später wurde er Vegetarier – aus freien Stücken, nachdem er sich selbst ein wenig mit dem Thema beschäftigt hatte. Jetzt zoffen wir uns nicht mehr deswegen. Ich glaube, er wird auch irgendwann vegan. Zu 80 bis 90 Prozent isst er eh schon vegan.

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Glaubst du, dass unterschiedliche Essgewohnheiten das Aus für eine Beziehung bedeuten können?
Ich habe zwar auch mit sowas gedroht, stand aber nicht voll und ganz dahinter. Ich wollte einfach meine Meinung durchsetzen, aber ich weiß auch nicht, was ich gemacht hätte, wenn er nicht wenigstens auf Fleisch verzichtet hätte. Wenn er kein Pescetarier wäre, hätte ich echt ein Problem damit, ich weiß nicht, ob ich mit so jemandem zusammensein könnte.


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Aleksandra (21), seit acht Monaten vegan, seit vier Jahren mit ihrem Freund zusammen

MUNCHIES: Wann wurden eure unterschiedlichen Essgewohnheiten zum ersten Mal ein Problem?
Aleksandra: Ich erinnere mich noch, wie wir das erste Mal zu McDonald's sind. Er setzte mir ein Stück Fleisch vor die Nase und meinte: „Komm schon, das wird dich schon nicht umbringen." Das hat mich gestört. Wir kannten uns noch nicht so lange, das war kein guter Start. Damals habe ich nichts gesagt, ich respektiere die Entscheidungen der anderen. Aber Respekt darf keine Einbahnstraße sein.

„Es war schon schwer genug, als du nur Vegetarierin warst."

Wann geratet ihr deshalb aneinander?
Ich liebe es zu kochen, er nicht. Deshalb findet er, dass er gezwungen wird, vegan zu essen. Ich sage ihm dann immer, dass er einfach lernen muss, selber zu kochen. Ich gucke mir nie seinen Teller an, er soll sein Stück totes Tier genießen, ansonsten streiten wir uns nur. Am Anfang habe ich es noch ab und zu erwähnt, aber er antwortete nur: „Ich bin Mexikaner, wir essen eben Fleisch. Ich bin ja kein Kaninchen oder so…" Manchmal werde ich böse und sage ihm, dass er sich jemanden suchen soll, der Fleisch isst. Das macht er aber zum Glück nicht.

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Lebensmittel einzukaufen ist schwierig. Wenn er etwas sieht, dass er gern mit mir essen würde und ich mir dann die Zutatenliste anschaue, dann ist das Zeug in neun von zehn Fällen nicht vegan. Dann stapft er mürrisch weg und brummelt so was wie: „Es war schon schwer genug, als du nur Vegetarierin warst." Andererseits war es aber nie ein Problem, essen zu gehen. Bei seinem Lieblingsmexikaner bestelle ich mir Gemüse, Reis und Tortillas, sodass ich mir einen eigenen Burrito zusammensetzen kann.

Wenn es mal Probleme gibt, wie löst ihr sie?
Manchmal verbringen wir eine Stunde im Supermarkt, um Snacks für uns beide zu finden. Ich lasse ihn meine veganen Gerichte probieren und langsam findet er es OK, ein bis zwei Mal pro Woche vegan zu essen. Es ist zwar nicht schön, das Fleisch auf seinem Teller zu sehen, aber es gibt noch so viel mehr, das unsere Beziehung ausmacht. Ich glaube, man sucht sich seinen Partner nicht nach den Essgewohnheiten aus. Niemand ist schließlich perfekt.

Was sind für dich absolute No-Gos?
Hört auf mit diesen typischen Veganerwitzen. Nein, ich esse nicht jeden Tag fünf verschiedene Gras- und Körnersorten. Und wenn ihr ein Date mit einer Veganerin habt, schlagt bloß keinen Salat vor. Das ist ein absoluter Abtörner.

Robin (22), seit sechs Monaten vegan, seit zwei Jahren mit seiner Freundin zusammen

MUNCHIES: Wie hat deine Freundin reagiert, als du vegan wurdest?
Robin: Anfangs war sie schockiert. Ihre erste Reaktion: „Kannst du auf diesen Käse, den du so magst, überhaupt verzichten?" Ich meinte zur ihr, dass ich das nicht mache, um sie zu ärgern oder sie irgendwie einzuschränken, sondern weil ich es sehr wichtig finde, das zu tun.

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Und der Veganer muss verstehen, dass Fleischesser nicht per se schlechte Menschen sind.

Hoffst du, dass sie sich an dir ein Beispiel nimmt?
Ich hoffe, dass sie sich auch irgendwann dazu entscheidet. Sie achtet zum Beispiel schon mehr darauf, tierversuchsfreies Make-up zu kaufen. Aber noch hat es nicht ganz Klick gemacht. Sie muss die Entscheidung treffen, wenn ich sie drängen würde, dann würde sie sich nur sträuben.

Glaubst du, dass solche Unterschiede eine Beziehung killen könnten?
Vegan zu werden ist ein fundamentaler Lebenseinschnitt. Wenn der oder die andere null Verständnis für diese Entscheidung hat, oder wenn der vegane Partner den anderen zu sehr drängt, entstehen Probleme. In meiner Beziehung gibt es zum Glück viel gegenseitiges Verständnis.

Sabine (26), seit anderthalb Jahren vegan, seit vier Jahren mit ihrem Freund zusammen

MUNCHIES: Wie hat dein Partner auf deine Entscheidung reagiert?
Sabine: Anfangs fand er es überhaupt nicht witzig und auch ich musste mich daran gewöhnen. Ich erinnere mich noch, wie einmal seine Freunde vorbeigekommen sind, um Game of Thrones zu gucken. Sie haben massenweise Spareribs gegessen. Schon allein beim Anblick der Teller mit Rippchen habe ich mich unwohl gefühlt und mich gefragt, ob ich lieber kurz gehen sollte.

Welche Probleme entstehen dadurch?
Am schwierigsten für mich war der soziale Aspekt. Essen zu gehen kann richtig kompliziert werden. Meist entscheide ich, wo wir hingehen, weil es für jemanden, der nicht dieselbe Lebensweise hat, schwierig sein kann, zu wissen, welcher Laden funktioniert und welcher nicht. Ich gehe gern in vegane Restaurants, aber das ist auch kein Muss. Ich will zeigen, dass wir auch woanders essen gehen können.

Konntet ihr irgendwann einen Kompromiss finden?
Mein erstes veganes Weihnachten war so eine Art Wendepunkt: Er hatte mir extra ein veganes Essen gekocht. Seitdem ist es leichter, beim Essen einen gemeinsamen Nenner zu finden. Morgen gibt es Nudeln, dazu macht er sich Fleisch, ich mir Pilze. Ich habe kein Problem damit, wenn er sich ein Schnitzel in Butter anbrät. Früher habe ich mir da mehr Gedanken drüber gemacht, aber das war schnell vorbei. Verdammt, zu Weihnachten hat er mir ein ganzes veganes Menü gekocht. Deshalb ist es für mich kein Problem, ihm Hühnchen zu kaufen, wenn ich in den Supermarkt gehe. Meine Lebensweise wird nicht dadurch beeinflusst, dass sein Fleisch neben meinem Gemüse liegt.

Hast du noch Tipps für Pärchen in einer ähnlichen Situation?
Versucht, nicht zu streng zu sein. Denkt immer daran, welchen Beitrag ihr selbst schon leistet, wenn ihr euch entscheidet, vegan zu leben. Wenn andere Dinge sagen wie: „Gott, mit einem Fleischesser als Partner musst du ja ganz schön abkotzen…" – das macht mich wütend. Ihr kennt meinen Fleischesser nicht.