FYI.

This story is over 5 years old.

Πάρμα

Hoch geflogen und tief gefallen: Der groteske Untergang des FC Parma

Der ruhmreiche FC Parma ist offiziell bankrott und muss nächste Saison in der Serie D starten. 25 Jahre abenteuerlicher Misswirtschaft haben den Verein kaputt gemacht.

Zum ersten Mal hat der FC Parma im Jahr 2004 Schiffbruch erlitten (und ja, das Gefühl trügt nicht, damals hieß der Verein wirklich noch AC Parma—der Verein, bei dem Weltklassespieler wie Hernan Crespo, Dino Baggio und Fabio Cannavaro unter Vertrag standen und der noch 1999 den UEFA-Pokal gewinnen konnte). Alles begann damit, dass Parmalat—ein italienischer Lebensmittelkonzern unter der Führung von Calisto Tanzi, der den Verein 1991 gekauft hatte—im Dezember 2003 Schwierigkeiten vermeldete, eine Anleihe in Höhe von 150 Millionen Euro zurückzuzahlen. Die Nachricht schlug zum damaligen Zeitpunkt wie eine Bombe ein, schließlich betrug der Marktanteil des Unternehmens in Italien satte 50 Prozent. Macht euch keine Sorgen wegen der einen Anleihe, ließ Parmalat verlauten. Auf unserem Konto bei der Bank of America haben wir fast vier Milliarden Euro liegen.

Anzeige

Oder auch nicht, wie sich herausstellte. Denn als die Bank of America die Parmalat-Konten genau unter die Lupe nahm, stellte sich leider heraus, dass das besagte Geld gar nicht existierte. Parmalat hatte im großen Stil Kontoeingänge und -ausgänge erfunden. Weitere Nachforschungen ergaben, dass die „Causa Parmalat" Europas Antwort auf den verheerenden Enron-Skandal in den USA war: Der Schuldenberg des Unternehmens belief sich nämlich auf über 14 Milliarden Euro—kurzum: Parmalat war pleite. Folglich brach die Aktie ein; der Vorstand wurde in Handschellen abgeführt; Gläubiger reichten Klage ein; das Unternehmen ging bankrott und Tanzi wurde wegen Betrugs und Veruntreuung in mehreren Fällen zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt.

Dass der AC Parma überhaupt den Niedergang des Parmalat-Konzerns überlebt hat, hat der Verein einem vom italienischen Industrieminister Antonio Marzano eingebrachten Gesetz zu verdanken. Denn das stellte sicher, dass der Verein aus der Konkursmasse von Parmalat herausgelöst und somit auch eine Liquidation abgewendet werden konnte. Als Nachfolgeverein gründete man den FC Parma, der auch den Serie-A-Startplatz des AC Parma übernehmen durfte. Außerdem wurde der Klub bis zum Ende der Saison 2005/2006 unter Gläubigerschutz gestellt.

Dennoch musste der Verein nach dem Ausbruch der Parmalat-Krise schwere Zeiten durchmachen, in denen der Club über keinen richtigen Besitzer verfügte. Auf dem Papier hatte Anfang 2004 noch Parmalat das Sagen, doch schon damals bemühte man sich im Hintergrund nach einem Käufer. Im Geschäftsjahr 2003/2004 verlor der Klub 77 Millionen Euro und wurde für zahlungsunfähig erklärt. Der Verein wurde Anfang 2005 offiziell zum Verkauf angeboten und einer kommissarischen Verwaltung unterstellt, die—solange noch kein Käufer gefunden war—die Geschicke des Klubs lenken sollte. Erst im Januar 2007 wurde Parma dann verkauft—und zwar an Tommaso Ghirardi, ein Multimillionär, der sein Geld im Maschinenbausektor gemacht hatte. Ghirardi führte den Verein in den ersten Jahren scheinbar wieder in ruhige Fahrwasser. Parma stieg am Ende der Saison 2007/2008 zwar in die Serie B ab, schaffte aber den direkten Wiederaufstieg und erreichte in der Folgezeit durchweg Platzierungen im gesicherten Mittelfeld der Tabelle. 2012 meldeten sich dann erste kritische Stimmen zu Wort, die sich angesichts einiger überteuerter Spielergehälter unzufrieden zeigten. Doch zumindest wurde der Verein nicht länger von Kriminellen geführt.

Anzeige

Calisto Tanzi nach Ausbruch der Parmalat-Krise. Image via WikiMedia Commons

Dann wurde der Klub von einer weiteren Krise erschüttert. Parma hatte dem italienischen Fiskus für die Monate November und Dezember keine Steuern auf Spielergehälter gezahlt und anschließend die Lohnzahlungen komplett eingestellt. Im Dezember 2014 zog der italienische Fußballverband Parma daraufhin einen Punkt ab und sprach eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro aus. Außerdem wurden Ghirardi sowie Geschäftsführer Pietro Leonardi für einen Zeitraum von zwei Monaten von jeder „vereinsbezogenen Tätigkeit" ausgeschlossen. Diese Sperre schien sie aber nicht davor zurückzuhalten, den Laden gleich ganz zu verkaufen. Der FC Parma wurde dann von dem zypriotisch-russischen Unternehmen Dastraso Holding Limited übernommen. Kaufpreis: ein Euro.

Es sollte sich schon bald herausstellen, dass hinter Dastraso eine dubiose Scheingesellschaft steckte, die nur als Zwischenhändler für einen albanischen Öl-Tycoon fungieren sollte. Die Rede ist von Rezart Taçi, der nach eigenen Angaben über ein Vermögen von fünf Milliarden Euro verfügt (diese Zahl ist mit ziemlich großer Sicherheit zu hoch angesetzt, dennoch ist Taçi ein sehr reicher Mann). Taçi hatte schon 2009 für Schlagzeilen gesorgt, als er seinem Kumpel Silvio Berlusconi den AC Mailand für 700 Millionen Euro abkaufen wollte. Ein hochrangiger albanischer Diplomat äußerte sich wie folgt über den Geschäftsmann Taçi: „Er kam aus dem Nichts. Bis heute weiß man nicht wirklich, wie er sein Geld gemacht hat. Vor zehn Jahren hatte noch niemand von Taçi gehört, aber mittlerweile ist er in Albanien in aller Munde. Er geht nie ohne Bodyguards aus dem Haus. Auch sein riesiges Anwesen ist voll mit Sicherheitsleuten."

Anzeige

Eigentlich hatte man erwartet, dass Taçi reichlich Geld in den Verein stecken würde. Doch anscheinend hat er sich dann noch mal Parmas Finanzen etwas genauer angeschaut und war zum Schluss gekommen: Schnell raus hier! Denn als Antonio Cassano im Januar den Verein verließ, gab er an, dass ihm Parma noch Gehälter in Höhe von vier Millionen Euro schulden würde. Zudem haben mehrere andere Spieler um einen sofortigen Wechsel gebeten, die infolgedessen auch ausgeliehen oder zu anderen Vereinen transferiert wurden. Das einzige Problem dabei: Der Kader war schon vor dem Massenexodus äußerst dünn besetzt und die einzigen Verstärkungen, die im Winter-Transferfenster nach Parma kamen, sind auch nur ausgeliehen: Cristian Rodríguez von Atlético Madrid sowie Silvestre Varela vom FC Porto. Rodríguez wusste anscheinend gar nicht, worauf er sich in Parma eingelassen hat: „Ich wusste vor meinem Wechsel nicht, dass hier schon seit Monaten keine Spielergehälter mehr gezahlt wurden. Ich dachte, die hätten hier nur sportliche Probleme."

Nachdem er nicht einmal für zwei Monate an der Spitze des Vereins gestanden hatte, hat Taçi den FC Parma Anfang Februar wieder verkauft—und zwar für dieselbe Summe, die er in den Klub gesteckt hatte: ein Euro. Neuer Besitzer wurde der italienische Geschäftsmann Giampietro Manenti, der behauptete, dass die Vereinsschulden gar nicht so schlimm seien, wie von allen Seiten kolportiert wurde (die Gazzetta dello Sport beziffert die Verbindlichkeiten auf 96 Millionen Euro). Außerdem versprach er, umgehend mit dem Abbau des Schuldenbergs zu beginnen: „Wir hoffen, bis zum 16. Februar die Steuerschulden zu tilgen und auch schon ein paar Lohnrückzahlungen in die Wege zu leiten. Danach, zwischen dem 20. und 22. Februar, werden wir die restlichen Löhne auszahlen."

Blöd nur, dass Manenti nur einen Monat später festgenommen wurde, zusammen mit 21 anderen Personen, die im großen Stil Geld gewaschen haben sollen. 4,5 Millionen Euro soll er mit seinen Mitstreitern laut Staatsanwaltschaft gewaschen haben. Ein Insolvenzrichter erklärte den Verein für offiziell als insolvent und verfügte, dass der Verein offiziell zum Verkauf stand. Der Startpreis für die Käufer war bei 20 Millionen relativ niedrig angesetzt, doch die mitgebrachten Schulden wollte sich keiner aufhalsen und so blieb die Suche nach einem Retter vergebens.

Gestern ist das Ultimatum für einen neuen Käufer ausgelaufen. Der FC Parma muss wieder in der vierten Liga antreten und uns bleiben nur schöne Erinnerungen.