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Godzillas erhobener Zeigefinger

Godzilla verkörpert in seinen Trailern die menschlichen Katastrophen-Szenarien der vergangenen 60 Jahre.
Bild: Godzilla Trailer

„Dies ist Tokyo. Einst eine Stadt mit sechs Millionen Einwohnern. Was hier geschehen ist wurde von einer Kraft verursacht, die bis vor einigen Jahren weit über unsere Vorstellungskraft hinausging."

Als der erste amerikanische Godzilla-Trailer in die Kinos kam, im Jahr 1956, war es Kinogängern sicher unmöglich Worte wie diese, und weniger noch die Bilder die dazu gezeigt wurden, mit irgendetwas anderem zu verbinden als mit nuklearem Massenmord.

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Godzilla-Trailer 1954. Sollte das eingebettete Video nicht korrekt dargestellt werden, könnt ihr euch den Trailer hier auf Youtube anschauen.

Und genau das war der Zweck—Godzilla wurde geschaffen um explizit das ultimative Disaster zu symbolisieren. Zu Anfang entstieg das Dinomonster den tiefen des Pazifiks als Bote nuklearen Terrors. Godzilla selbst war die Bombe. Ishiro Honda, Regisseur des japanischen Originals Gojira von 1954, konstatierte in einem Interview, dass Godzilla „explizit als lebende Atombombe gestaltet wurde", als feuerspeiender Drachen, der uns vor unserer menschlichen Hybris warnt.

Wir folgen hier der Spur der Godzilla-Trailer durch die Katastrophenthemen der letzten 60 Jahre—vom zweiten Film, durch den kalten Krieg bis zu den Problemen des Klimawandels unserer Zeit. Auf diesem Weg können wir, wenn auch zugegebenermaßen ungenau, aber wenigstens mit etwas Spass, die Evolution popkultureller Haltungen gegenüber neuen Technologien und Massenkatastrophen nachvollziehen.

Den Ursprungs-Godzilla beschreibt Clause Estebe, Dozent für visuelle Kultur, als „einen der ersten Kinofilme, der uns daran erinnert, wie dramatisch die Erfahrung der letzten Kriegsjahre für japanische Zivilisten war, als Millionen von Menschen den Atombomben und Napalm zum Opfer vielen." Die meisten Fortsetzungen erfüllen weitestgehend das Schema des ersten Films: monsterhafte Nuklearmetapher verübt Gräueltaten an Zivilisten. Gigantische Mutantenbiester, neben Godzilla andere Kaiju wie Mothra und Rodan, symbolisierten menschlichen Pfusch an der Natur.

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Mit der Zeit aber verging die unmittelbare Drohung einer radioaktiven Katastrophe. Und so verwandelte Godzilla sich zu einer Heldenrolle, der eines Monsters, das die Welt gegen anderen schlimmere Gefahren verteidigt, zum Beispiel gegen Roboterwaffen, im Mechagodzilla-Film, der 1974 veröffentlicht wurde:

Godzilla-Trailer 1974. Hier auf Youtube anschauen.

In den Siebzigern hatte Godzilla so viel von seinem Schrecken eingebüsst, dass er, zusammen mit einem süssen Mini-Godzilla zum Kinderhelden geworden war. Diese Transformation ähnelte durchaus der Umtaufe der nuklearen Gefahr in saubere Atomenergie, die schon Präsident Eisenhauer angeschoben hatte.

Erst der neue Godzilla von 1985 gab dem Monster seine ursprünglich-grauenhafte Fratze wieder. Diesmal mit Anspielungen auf den kalten Krieg (Nukear-U-Boot) und den Krieg der Sterne (Laser-Kanonen):

Godzilla-Trailer 1985. Hier auf Youtube anschauen.

Nach einer Kette üblicher Monster-Bashings in den 80ern und 90ern gab es 1998 die nächste Wiederbelebung. Der Klischee-geträkte Aktionstreifen von Mathew Broderick war ein Flop, der so ziemlich alle lahmen Aktionstandards der 90er aneinanderreihte. Vergleiche einmal die abgestandenen Aufsager des Trailers mit der faszinierend-düsteren Vorahnung, die aus dem Vorspann des Originals von 1954 spricht.

Godzilla-Trailer 1998. Hier auf Youtube anschauen.

Wie bei vielen Katastrophen-Filmen der 90er erstaunt aus heutiger Sicht am Godzilla von 1998 die ästhetisch Vorahnung in den Filmbilder zu den erschütternden realen Szenen des 11. September 2001: der Boden Manhattens bebt, Zivilisten flüchten voller Angst. Das einzig neue an diesem Kinofilm war die Darstellung einer verwundbaren und von Terror gefährdeten USA. Sogar ein wenig 9/11-Verschwörungsschauer kann man dem Film jetzt entringen, denn in der Szene wo Broderick auf seine Uhr schaut ist es 9 Uhr 11.

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Im Jahre 2014 jedoch scheint Godzilla endlich wieder zu seiner alten Form gefunden zu haben. Der Film, der am 15.5. in den deutschen Kinos anläuft, erzählt die Geschichte eines Monster, das der nuklearen Wiege der 50er entsteigt, und dabei aber weit mehr verkörpert als die Atombombe: der Meeresspiegel steigt, Fluten lassen Strassen versinken — eine klare Parallele zu den fatalen Hurricanes der vergangenen Jahre, nicht alleine zu Hiroshima und Nagasaki. Ist Godzilla jetzt der vermonsterte Kimawandel?

Aus dem Vorspann hören wir diesmal die Gefahr ignoranter Regierungen: „Sie täuschen niemanden mehr wenn sie behaupten, was hier passiert sei nur eine Naturkatastrophe", sagt der aufgebrachte Brian Cranston. „Sie verstecken da draussen etwas. Und es wird uns in die Steinzeit zurückbringen!"

Godzilla-Trailer 2014. Hier auf Youtube anschauen.

Der Autor des neuen Films, Frank Darabount, der auch The Walking Dead geschrieben hat, sagt, dass er Hondas Vision eines von Menschen erschaffenen Godzilla „fürchterlicher Naturkräfte" die Ehre erweisen wollte. Und es ist klar, dass die Desaster-Ästhetik von Naturkatastrophen auch dem Wesen des neuen Godzilla mitgegeben wurde. Der Trailer endet mit einem Zitat bei dem der Ethos des Ur-Godzillas durchklingt: „Die Arroganz des Menschen ist es zu denken, dass er die Natur kontrolliere und nicht andersehrum".

Im Jahr 1954 hiess das: wer mit Atomtechnologie experimentiert kann ein monströses Potential entfesseln. Heute bedeutet es vielleicht: Wer glaubt, er könne auf ewig die Ressourcen des Planeten plündern, der erschafft damit das nächste vernichtende Monster.