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Die ultimative Anleitung zum Leben als Hochstapler

Was wir von der verlogenen SPD-Abgeordneten Petra Hinz lernen können.
Foto: Foto-AG Gymnasium Melle | Wikimedia | CC BY 3.0 | bearbeitet von VICE

Politiker, die ihre akademischen Leistungen ein bisschen pimpen, sind spätestens seit Guttenberg keine Neuheit mehr. Aber keiner ist je so weit gegangen wie Petra Hinz, die unangefochtene Königin des CV-Pimping.

Die SPD-Abgeordnete hat nicht einfach ein paar Passagen ihrer Doktorarbeit abgeschrieben, sie hat einfach alles komplett erfunden: ihr Abitur, ihr Jurastudium, ihre Staatsexamen und einen Job als Rechtsberaterin. Dabei hat sie fleißig Karriere in der SPD gemacht und es schließlich zur Bundestagsabgeordneten geschafft, wofür sie knapp 9.300 Euro im Monat bekommt—zuzüglich fast 4.300 Euro für ihr Büro.

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Das ist an sich schon eine ziemliche Leistung. Aber wie Hinz reagierte, nachdem ihr Schwindel aufgeflogen ist, hat erst das ganze Ausmaß ihrer Abgebrühtheit offenbart. Sie entschuldigte sich—nicht persönlich, sondern nur knapp per Anwalt—und erklärte, sie würde ihr Bundestagsmandat natürlich sofort abgeben. Statt das zu tun, meldete sie sich aber lieber bis September krank und ist seitdem abgetaucht. Das bedeutet, dass die Steuerzahler ihr erstmal weiter ihre Abgeordnetendiät bezahlen müssen. Aus dem Bundestag rauswerfen kann man sie nämlich nicht so einfach.

Spätestens ab jetzt wissen wir: Petra Hinz ist das perfekte Vorbild für den modernen Leistungsmenschen. Jeder Schritt, den sie tut, ist darauf ausgerichtet, ihr mit kleinstmöglichem Aufwand den größtmöglichen Vorteil zu verschaffen. Wenn du es dir vorstellen kannst, dann kannst du es auch sein—so einfach ist das. Und damit wir uns alle eine Scheibe von dieser Powerfrau abschneiden können, haben wir ihr Erfolgsrezept mal auseinandergenommen:

1. Schritt: Lügen löst Probleme

Du hängst gerne mit Jungpolitikern rum, fühlst dich aber immer ausgeschlossen, wenn sie über ihre Jura-Referendariate jammern? Kein Problem, erfinde dir dein Studium einfach selbst! Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Du kannst herrlich mit den anderen Studenten rumhängen, saufen und über Vorlesungen schimpfen, aber du musst nie wirklich in eine von diesen sterbenslangweiligen Vorlesungen gehen.

Und das Beste: In der Zeit, in der deine Parteikollegen büffeln, kannst du dir einen Vorsprung verschaffen, indem du dich weiter in der Partei nützlich machst, Kontakte nach oben knüpfst oder auch einfach mal so richtig lange ausschläfst.

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2. Schritt: Such dir das richtige Umfeld

Das mit der Hochstapelei geht natürlich nicht überall. Es ist zum Beispiel nicht empfehlenswert, überall herumzuerzählen, du wärst Mixed-Martial-Arts-Champion und dann im Ring zu merken, dass du dafür doch ein paar echte Skills brauchen könntest. Auch als Herzchirurg sollten sich wirklich nur die nervenstärksten Flunkerer ausgeben.

Das perfekte Biotop für dich ist eher da, wo viele ambitionierte Leute vor allem dadurch weiterkommen, dass sie ständig über sich selbst reden, und wo es vor allem darauf ankommt, wen man kennt. Also sowas wie die Essener SPD, die allem Anschein nach bekannt war für "verschlungene Seilschaften" und "schäbige Intrigen". Hinz zum Beispiel gewann früh die Protektion des Essener Abgeordneten Otto Reschke, der ihr erst den Weg in den Stadtrat und dann ins deutsche Parlament ebnete. Mittlerweile geben zwar einige Essener Parteikollegen zu, schon früher gehört zu haben, Hinz habe eigentlich gar keinen Abschluss—es war ihnen aber anscheinend völlig egal. Wenn du solche Kollegen findest, dann hast du eine Menge geschafft.

3. Schritt: Tritt so fest nach unten, wie du kannst

Wenn du es erstmal in eine wichtige Position geschafft hast, musst du deine mangelnde Kompetenz irgendwie überspielen. Das geht am besten, wenn du dich wie ein absolutes Arschloch benimmst.

Petra Hinz hat es vorgemacht: Zu Hause im Wahlkreis war sie überall dabei und hörte den Wählern ausgiebig zu. Im Bundestag in Berlin sah das anders aus, ihren Kollegen im Bundestag fiel sie kaum durch besondere Präsenz auf. Ihren Angestellten dafür umso mehr. Ehemalige Mitarbeiter berichten von Mobbing durch die Chefin, eine bezeichnete die Zeit bei ihr als "Gulag", manche Mitarbeiter hätten "physische und psychische Folgeschäden" davongetragen.

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Ergibt natürlich Sinn: Wenn du deine meistens viel jüngeren Mitarbeiter wie Vollidioten behandelst, kommen sie erstmal gar nicht auf die Idee, dass eigentlich du es bist, der oder die keine Ahnung hat.

4. Schritt: Hau einfach ab, wenn du auffliegst

Auch wenn du alle diese Tipps befolgst, kann es trotzdem sein, dass dir der Laden irgendwann um die Ohren fliegt. Wenn das Schicksal zuschlägt, solltest du aber vorbereitet sein: Pack deine Sachen zusammen, sag deinem Anwalt, er soll die Fragen der nervigen Journalisten beantworten (dem fällt bestimmt auch irgendeine Floskel ein, dass du "sehr bestürzt" oder so bist), und hau ab.

Sei kein Guttenberg, der sich in einem perversen Selbstzerstörungsdrang noch über Wochen von den Medien zerfleischen lässt und sich eigentlich immer noch für unschuldig hält. Du weißt genau, was du für ein Ding durchgezogen hast, es hat eh schon viel länger funktioniert, als du je gedacht hättest, und jetzt kannst du dich ganz unsentimental verdrücken. Ganz vorbei ist es ja noch nicht.

5. Schritt: Nimm mit, was geht

Jetzt wird es nämlich richtig lustig: Du bist enttarnt, alle regen sich über dich auf, und du kannst dich zurücklehnen, weil niemand weiß, wo du eigentlich wohnst. Und ab jetzt kannst du entspannt zusehen, wie all den Hatern so langsam aufgeht, dass sie dir gar nichts anhaben können. Nicht nur das, sie müssen auch noch dein üppiges Gehalt weiterzahlen, bis du dich irgendwann mal bequemst, dein Mandat niederzulegen. Und wenn du dich dabei so schlau anstellst wie Petra Hinz, bekommst du es noch elf Monate als sogenanntes "Übergangsgeld" weitergezahlt. Dann musst du es nur noch bis zur Rente durchhalten, und der Steuerzahler übernimmt den Rest.

6. Schritt: Schreib doch ein Buch!

Wenn du dich jetzt langweilst und dir das Geld bis zur Rente trotzdem nicht reicht, dann wäre doch jetzt die perfekte Gelegenheit, ein kleines Haus in der Toskana zu mieten und da in aller Ruhe deine Memoiren zu schreiben (keine Sorge, musst du nicht selber machen, für sowas gibt es natürlich Ghostwriter). Nenn es Tief gestürzt oder auch Ich bereue nichts, die Verlage werden es dir aus den Händen reißen.

Und dann hast du es geschafft. Jetzt kannst du dir ein schönes Glas Barolo einschenken, es vor die Augen heben und durch den rubinroten Wein in den Sonnenuntergang blinzeln, der sich langsam über die sanften Hügel der Toskana senkt. Das alles hast du nur erreicht, weil so viele Idioten dir vertraut haben. Glückwunsch!


Titelfoto: Foto-AG Gymnasium Melle | Wikimedia | CC BY 3.0 | bearbeitet von VICE