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Mach, dass ich mich wie neugeboren fühle

Ich habe mich rebirthen lassen und es war einfach nur toll.

Wie die meisten Menschen habe ich tief liegende psychologische Probleme, die mich deprimiert, menschenfeindlich und bindungsscheu machen und mich mit Selbsthass füllen. Mein normales Therapieprogramm besteht aus einer Menge Alkohol und emotionaler Verdrängung. Vor Kurzem wurde ich von Vice als Redaktionsassistent eingestellt und seitdem geht es mir schlechter denn je. Also beschloss ich, etwas zu unternehmen. Leider habe ich weder die Zeit noch das Geld, Monate oder gar Jahre lang zur Psychoanalyse zu gehen, und Jesus finde ich auch eher gruselig. Ich suchte nach einem schnelleren Weg, meine Dämonen loszuwerden. Glücklicherweise stieß ich dann auf das Rebirthing, eine Form der Therapie, die auf der Vorstellung basiert, dass sich unsere Persönlichkeitsstörungen direkt, nachdem wir aus den Vaginas unserer Mütter gekrochen sind, ausbilden. Rebirthing zog im Jahr 2000 kurzzeitig die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich, als ein Therapeutenpaar in Durham, North Carolina, ein zehnjähriges Mädchen in eine Decke wickelte, mit Kissen bedeckte und sich dann auf sie pressten und ihr sagten, dass sie „kämpfen solle, um zu leben“. Die Tortur sollte dazu dienen, Geburtswehen zu simulieren und ihre Verhaltensprobleme zu korrigieren, die ihrer Adoptivmutter auf die Nerven gingen. Stattdessen erstickte das Mädchen aber und starb. Das war genau die Art intensiver, aber kurzer Prozedur, die ich suchte—allerdings vorzugsweise ohne den Teil, wo der Patient am Ende stirbt. Ich rief ein ganzes Dutzend dieser Therapeuten an, fand aber keinen, der bereit war, mich in eine Decke zu wickeln und auf mir zu liegen, während ich versuchte, mich freizukämpfen. Fast alle potenziellen Lebensspender empfahlen mir eine weniger intensive Form des Rebirthing, die als Rebirthing-Atmen bezeichnet wird, und, richtig geraten, Atemtechniken und sehr viele „Energien“ anwendet, um dasselbe Resultat zu erzielen. Es wird von etlichen ganzheitlichen Heilern in New York praktiziert. Ich fand schließlich einen Typen namens Tony Klatt, der bereit war, mich kostenlos zu rebirthen, wenn ich danach darüber schreiben würde. Im Folgenden habe ich das Erlebnis für euch beschrieben.

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1 Tony hat in seiner Wohnung 18 Gitarren hängen; sie ist außerdem vollkommen mit religiösen Bildern übersät. Vor meinem Termin schrieb er in einer Mail: „Rebirthing ist das, was ich am allerliebsten mache.“ Nach unserem Treffen hatte ich keine Zweifel mehr, dass das stimmt. 2 Wir setzten uns auf den Boden (es gab keine Stühle) und Tony erzählte mir erst mal lang und breit, wie toll Rebirthing ist und wie toll er darin ist. Er sagte mir auch, dass Rebirthing selbst dann funktioniert, „wenn man nicht daran glaubt“. „Gut“, dachte ich. 3 Was auf dem Schild steht, kann man im Prinzip so zusammenfassen, dass Rebirthing glücklicher macht—was ich sehr beruhigend fand. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir als Kind in der Kirche gesagt wurde: „Wir gehen in die Kirche, um glücklicher zu werden.“ Wie alle New Ager glaubt Tony an die Macht des positiven Denkens. Er forderte mich auf, mir immer wieder zu sagen, dass ich talentiert und ein wertvolles menschliches Wesen sei, und im Kopf ein positives „Video“ meiner Zukunft ablaufen zu lassen. Ich versuchte, mich zu konzentrieren, driftete aber immer wieder ab. Ich fragte mich, ob er viel barfuß lief. Ich sah nirgendwo Schuhe. 4 Tony führte mich dann durch die nächsten Schritte. Als Erstes legte ich mich flach auf den Boden, mit den Händen an meinen Seiten. Mein Körper war nach Norden ausgerichtet, weil das aus irgendeinem Grund die Art zu liegen ist, bei der die Energie am besten fließen kann. Tony forderte mich auf, ruhig und gleichmäßig zu atmen, als würde ich joggen. Im Hintergrund lief extrem entspannende Musik mit Glocken und sanften Gesängen. Ich fror, also legte Tony eine Decke über mich und wickelte mich wie ein kleines Kind darin ein. Er sagte mir, dass er während einer Rebirthing-Session einmal mit vier Jacken zugedeckt werden musste und ihm trotzdem noch kalt war. Nach ungefähr einer Stunde extrem intensiven Atmens warf ich schließlich die Decke ab und fühlte mich, als wäre ich gerade aus dem besten Mittagsschlaf der Welt erwacht, aber auch, als hätte ich etwas unglaublich Beeindruckendes durch puren Zufall erreicht. 5 Tony sprach über die „fünf Ichs“ und wie sie miteinander verbunden sind, oder etwas in der Art. Aber ich war zu überrascht, wie gut ich mich fühlte, um ihm wirklich zuzuhören. Und so sah er aus, als ich ihn verließ. Anscheinend ist es das, was mit dem Gesicht von jemanden passiert, der jahrelang immer wieder Rebirthing macht. 6 Rebirthing ist genau die Art Sache, von der ich immer dachte, dass sie nur Bekloppte mit Schmuck aus Bergkristallen machen, aber ich muss zugeben, dass ich mich danach verdammt gut gefühlt habe. Nicht müde oder verkatert oder gestresst, sondern einfach nur innerlich zufrieden, als hätte ich genau die richtige Menge Drogen genommen. Ich habe immer noch Vorbehalte, was das Rebirthing betrifft, aber ich bin mir auch ziemlich sicher, dass es kein kompletter Schwachsinn ist.

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