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The True Crime Issue

The Joker Broker: Geschäfte machen mit dem weltweit führenden Händler nichtexistierenden Öls

Arturo Díaz Jr. brauchte einen Käufer. Er hatte das 43.560.000 Quadratmeter große Stück Strand, das seiner Familie gehörte, zwar in eine Luxuswohnanlage namens Coco Beach verwandelt, aber die Immobilienblase war geplatzt und die Banken waren ihm auf...

Arturo Díaz Jr. brauchte einen Käufer. Er hatte das 43.560.000 Quadratmeter große Stück Strand, das seiner Familie gehörte, zwar in eine Luxuswohnanlage namens Coco Beach verwandelt, aber die Immobilienblase war geplatzt und deshalb waren ihm die Banken auf den Fersen. Mit 91 Jahren und nach einer erfolgreichen Karriere als Bauunternehmer, war er bereit, seinen Anteil an dem durch die Folgekosten zur Last gewordenen Besitz für 150 Millionen Euro zu verkaufen. Als ihm sein Freund Miguel Lausell erzählte, er würde mit einem Milliardär arbeiten, der vielleicht Interesse hätte, war Díaz an einem Gespräch interessiert.

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Lausell war ein alter Bekannter und sein Ruf war solide: Harvard-Absolvent, Ex-Geschäftsführer eines Telekommunikationsunternehmens und Spendensammler für die Demokraten. Er arbeitete für ein Öl-Handels-Start-up namens Madasi Oil, das ein wesentlich größeres arubanisches Ölunternehmen repräsentierte, das Arevenca hieß. Lausell und sein Partner Marcos da Silva, der CEO von Madasi, trafen sich also mit Díaz. Sie sagten, der Geschäftsführer von Arevenca, der Milliardär Francisco Javier González Álvarez, habe Interesse an dem Gelände. Díaz ließ seinen Heli kommen und nahm die Madasi-Partner mit auf eine Tour.

Während sich Díaz auf die Immobilien konzentrierte, leitete Lausell ein anderes Business in die Wege. Díaz' Hauptgeschäft war Betteroads Asphalt, ein Straßenbauunternehmen. Lausell wollte wissen, ob Betteroads Interesse an 100.000 Fässern Asphalt von Arevenca hatte. Der Preis von 67 Euro—weit unter dem Marktpreis von 76 Euro—war ein Schnäppchen. Während er auf die Klärung von Details, was den Verkauf seines Landes anging wartete, stellte er sich schon darauf ein, 6 Millionen Euro für eine Tankerladung Teer aus Trinidad zu berappen. Díaz gefiel die Idee, eine Beziehung zu einer Person aufzubauen, die im Stande war, für seinen Anteil an Coco Beach 230 Millionen Dollar zu zahlen. Er ignorierte also all die Warnzeichen, die den Asphaltdeal umgaben—zum Beispiel den Fakt, dass Arevenca das Geld direkt auf ein Schweizer Nummernkonto transferiert haben wollte, etwas, das eigentlich erst üblich ist, wenn man eine längere Geschäftsbeziehung führt. Ein anderes Warnzeichen: Arevenca war kein geläufiger Name. Aber Díaz konnte sich nicht vorstellen, dass Lausell ihn auf eine falsche Fährte locken könnte. Im Juli überwies Díaz' Unternehmen 1,5 Millionen Euro. Die restlichen 4,5 Millionen folgten im August.

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Der Tanker kam nie an.

Im September wusste Díaz, dass etwas ernsthaft falsch war. Betteroads wandte sich an die Behörden, aber niemand wurde festgenommen. Nach einem Jahr heftiger Diskussionen verklagte Betteroads Madasi und Arevenca in Puerto Rico. Dieses Jahr stellte Betteroads in Spanien Strafantrag. Aber die Díaz-Familie wartet noch immer auf ihr Geld und wird es vielleicht nie wiedersehen.

Arevenca war, wie sich herausstellte, nichts anderes als eine ausgeklügelte Variation eines sogenannten Joker Broker. Es gibt sie überall im Netz und sie bieten einem zum Beispiel die gesamte weltweite Produktionsmenge von Kerosin an, oder russischen Diesel, für einen Sonderpreis—ruf jetzt an! Ein einziger erfolgreicher Schwindel entschädigt mit Gewinnen in Millionenhöhe für jahrelange Mühen. Die Risiken sind gering.

In einem Dutzend Interviews, die ich mit dem FBI, Geldwäscheexperten und Ölhändlern geführt habe, wusste niemand von einer Anklage wegen des Verkaufs nichtexistenter Ölprodukte. Wenige Opfer gehen an die Öffentlichkeit, weil sie Angst haben, sich lächerlich zu machen.

Aber es gibt genug Opfer, um ein weites Netz aus Betrügern zu finanzieren, in dem Díaz ausgerechnet an den König der Joker Broker geraten ist: Arevencas-Gründer Francisco Javier Gonzáles Álvarez.

Javier Gonzáles Álvarez' Leben ist geheimnisumwoben, aber bekannt ist, dass er am 3. Dezember 1949 in La Laguna auf den kanarischen Inseln geboren wurde. Über die nächsten 45 Jahre ist wenig bekannt, und Gonzáles hat wiederholt Interviewanfragen abgelehnt.

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Eines der ersten dubiosen Projekte von Gonzaléz bestand darin, den Leuten vorzumachen, er würde den Hafenkomplex San Francisco Javier an Venezuelas Karibikküste bauen. Gerichtsakten zu Folge soll er versprochen haben, der Komplex würde 800 Lagerhallen, ein Fünf-Sterne-Hotel, eine Mall und einen Heliport beinhalten. Die Kosten sollten sich auf 760 Millionen Euro belaufen. Ein Bauunternehmer begann, das Land zu roden, aber der Staat ließ die Arbeiten aufgrund fehlender Genehmigungen unterbrechen. Der Unternehmer bemüht seit 2001 Gerichte, um seine offenen Rechnungen einzuklagen. Aus dem Nichts nannte Gonzáles Arevenca plötzlich ein Ölunternehmen. 2006 trat Gonzáles als angeblich Vertreter des venezolanischen staatlichen Ölunternehmens auf und verkaufte Diesel an ein nigerianisches Unternehmen.

Die meisten rechtmäßigen Öl-Deals laufen ab wie ein Hauskauf—zwei Seiten einigen sich auf einen Preis. Der Käufer überweist das Geld auf ein Treuhandkonto und schickt Inspektoren. Sobald das Öl geliefert wurde, wird das Geld bewegt. Ein Käufer, der einen neuen Geschäftspartner aber im Voraus bezahlt, fordert es geradezu heraus, betrogen zu werden.

Genau wie Diáz haben die Nigerianer das getan. Wie er hatten sie gute Gründe, ihm zu vertrauen: Sie behaupteten später, die venezolanische Botschaft höchstselbst habe empfohlen, mit Arevenca zu arbeiten. Wie bei Diáz kam das Öl nie an. Die Nigerianer klagten in New York auf 460 Millionen Euro, aber nicht direkt gegen Arevenca. Der andere Angeklagte, Venezuelas staatliches Ölunternehmen, wies die Klage im August erfolgreich ab.

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Dann, 2009, reiste Gonzáles an die Elfenbeinküste und versprach dort die größte Ölraffinerie der Gegend zu errichten. Arevencas zwielichtiger Ruf verbarg sich zu dieser Zeit tief in Gerichtsakten. Vertrauensselige Lokalreporter berichteten über das Projekt. Globale Finanzmedien wie Bloomberg und Economist Intelligence Unit brachten die Geschichte. Die Berichte gaben Arevenca den respektablen Anschein eines legitimen Unternehmens.

Gonzáles wurde nie verurteilt und könnte maximal noch in Spanien für die Betteroads-Affäre belangt werden. Das Gesetz scheint ein schwaches Gegengewicht zu seinem Verkaufstalent zu sein.

Gonzáles blendet mit seinem Versprechen von Reichtum: Schließ jetzt einen kleinen Deal ab und ziehe später einen fetten Gewinn ein. Er nimmt diejenigen ins Visier, die etwas brauchen. Vielleicht kann er ihnen genau das anbieten, oder sie sind beeindruckt von all den Bildern, auf denen er mit Politikern posiert. Mit seinem extravaganten Stil strahlt er Legitimität aus: teure Schlitten, eine schicke Website und gute PR.

Suhey Villadiego fiel auf ihn herein. Als Gonzáles 2009 auf der Karibikinsel Curaçao erschien, wurde sie als eine Art unbezahlte Assistentin eingestellt. Sie war bereits im Handelsgeschäft und wollte Gonzáles Methoden lernen: Sie sagte, sie habe bereits vorher venezolanisches Öl abseits der traditionellen Märkte gehandelt. Um also groß zu werden, brauchte sie Referenzen, sie musste Tanker voll Öl verkaufen—oder zumindest so tun.

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Während Gonzáles mit der Regierung von Curaçao über den Kauf einer alten, dreckigen Ölraffinerie verhandelte, kaufte er seiner 22-jährigen Freundin eine Cartier-Uhr. Aber als die Zeit gekommen war, für die Raffinerie zu zahlen, bot er lediglich eine gefälschte Bankbürgschaft an, erzählte mir Villadiego letztes Jahr in einem Interview. Ein anderes Mal wollte er eine Fake-Überweisung in Höhe von 150 Millionen Euro bei einer Bank in Curaçao abheben. Die Bankmitarbeiter ließen sich aber nicht von ihm unter Druck setzen, sagte sie.

Villadiego selbst hatte nicht so ein Glück. Sie lieh Arevenca 50.000 Euro aus dem Verkauf ihres Hauses, um die für sie so wichtigen Referenzen zu bekommen. Sie sah ihr Geld nie wieder. Die Polizei riet ihr, Arevenca zu verklagen, aber sie hatte keine Mittel mehr für einen Anwalt.

Marcos Da Silva, der Gründer von Madasi, erinnert sich daran, wie Gonzáles es schaffte, bei ihm einen Eindruck von großem Reichtum und Respektabilität zu hinterlassen. Er ließ Da Silva und seinen Partner Lausell mit einem Privatjet in die Büros von Arevenca in Aruba fliegen.

Arevenca mietete den zweiten Stock eines beeindruckenden Gebäudes in Arubas Hauptstadt Oranjestad. In Inneren fanden sich geschmackvolle Möbel. Lausell und Da Silva gab diese erlesene Szenerie Vertrauen. Sie waren in ein Joker-Broker-Büro hineinspaziert, aber Fotos von den beiden zeigen, wie sie grinsen, als hätten sie den Jackpot geknackt.

„Er ist ein Playboy", sagte Da Silva und beschrieb mir González' weißes kurzärmliges, aufgeknöpftes Shirt und die weiße Leinenhose. Er thronte hinter einem Konferenztisch aus Glas und erklärte, wie die Dinge ablaufen würden. „Du siehst ihn an und siehst diesen Magnaten. Kennst du den Typen von Virgin? Branson? Du siehst ihn an und er ist genau so."

An den Wänden hingen gerahmte Fotos, sagte Da Silva-Gonzáles in einem saudischen Kopftuch, Gonzáles mit dem Präsidenten von Suriname, Desi Bouterse.

„Mann, ich glaubte es einfach", sagte Da Silva. „Ich habe ihm geglaubt. Ich glaubte, dass er Ware hat, genau so wie die Familie Diáz und alle anderen."